Harburg. Die neue Vorsitzende Okşan Karakuş möchte nach ihrer überraschenden Wahl die Gräben im Harburger Kreisverband zuschütten

Die überraschende Wahl von Oksan Karakus zur Kreisvorsitzenden der Harburger SPD ist etwas mehr als zwei Wochen her. Der neue Vorstand hat sich konstituiert und beginnt nach der Sommerpause seine Arbeit.

Kehrt damit nun Ruhe ein in der Harburger SPD, die nach den Vorstandswahlen kräftig durchgeschüttelt wurde?

Alte Machtachse der Harburger Sozialdemokratie gebrochen?

Immerhin hatte die alte Machtachse der Harburger Sozialdemokratie, bestehend aus den gutbürgerlichen Distrikten Harburg Süd (Marmstorf), Harburg Nord (Heimfeld) und Neugraben Fischbek, durch ein geschlossenes Abstimmungsverhalten aller anderen fünf Distrikte sowie auch noch Gegenstimmen aus den eigenen Delegiertenreihen eine deutliche Abfuhr erhalten. Der Plan, die Marmstorfer Genossen Sören Schumacher und Ronja Schmager als Doppelspitze zu etablieren, war fehlgeschlagen.

Trotz des eindeutigen Abstimmungsergebnisses von 45 zu 25 wurde Karakus seitens der Unterlegenen undemokratisches Verhalten vorgeworfen: Sie hätte ihre Kandidatur lange geplant, aber nicht öffentlich gemacht. Nur so sei ihr dieser Handstreich gegen das Partei-Establishment gelungen. In der Tat hatten im Marmstorf-Heimfeld-Neugraben einige Delegierte gefehlt. Das wäre wahrscheinlich nicht der Fall gewesen, wäre man nicht davon ausgegangen, dass die geplante Wahl der Doppelspitze ein Selbstgänger ist. Doch auch, wenn alle gewusst hätten, wie wichtig jede Stimme ist, wäre die Wahl zugunsten von Karakus ausgegangen.

„Man wirft mir jetzt vor, ich hätte die Partei gespalten und tiefe Gräben gezogen“, sagt Karakuş. „Das sehe ich aber anders: Diese Gräben waren längst da. Es ist jetzt die Aufgabe des neuen Vorstandes, sie zuzuschütten. Wir haben bereits damit begonnen und werden damit nach der Sommerpause weitermachen.“

Karakus ist auch Vorsitzende des SPD-Distrikts Harburg-Mitte. Ihre drei Stellvertreter Benizar Gündogdu, Arne Thomsen und Frank Wiesener stammen allesamt aus dem Distrikt Harburg-Ost, der politischen Heimat des als Parteiquerulanten verschrieenen Torsten Fuß.

Nacheinander die Arbeitsgemeinschaften und Distrikte besuchen

Zu viert wollen die Vorsitzende und ihre Stellvertreter nun nacheinander die Arbeitsgemeinschaften und Distrikte der Partei besuchen und ihre Pläne für die Amtszeit mit den Genossen besprechen. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen haben sie bereits getroffen. Die Parteisenioren folgen demnächst, die Distrikte Eißendorf und Mitte wurden schon besucht. Weiter geht es nach der Sommerpause.

Schwierig könnte es mit der Harburger Bezirksfraktion werden. Hier sind viele Mandate mit Genossen aus dem unterlegenen Lager besetzt, von denen einige bei der Wahlversammlung nach der Niederlage ihres Spitzenduos auch noch spontan ihre Kandidatur für weitere Vorstandsämter zurückgezogen hatten.

Versöhnliche Töne vom schärfsten Kritiker aus Heimfeld

Wenn sozialdemokratische Politik in Harburg sichtbar wird, dann in der Bezirksversammlung. Vorsitzender der SPD-Fraktion ist Frank Richter aus dem Distrikt Heimfeld. Er war es, der Karakus noch auf der Wahlversammlung am schärfsten angegriffen hatte. Aus Heimfeld kam auch die Forderung, dass Karakus sich auf einer Kreismitgliederversammlung den Genossen erklären soll. Eine solche Versammlung sieht die Parteisatzung allerdings nicht vor. Dennoch klingt Richter derzeit versöhnlicher: „Wir werden eine professionelle und konstruktive Ebene der Zusammenarbeit finden“, sagt er.

Auch Karakus ist daran gelegen. „Wir sind ja alle mal in die SPD eingetreten, um etwas zu bewegen“, sagt die Juristin und Kriminologin, die im Dienst des hamburgischen Datenschutzbeauftragten steht. „Dafür brauchen wir Mehrheiten. Wir müssen wieder deutlich stärkste Kraft im Bezirk werden. Um das zu erreichen, müssen wir sichtbar und glaubwürdig Dinge anpacken, die die Menschen bewegen: sozialen Wohnungsbau, Bildungsgleichheit, Armutsvorbeugung, soziale Infrastruktur und ein Leben in aller Vielfalt.“