Fischbek. Bezirk kontert BUND-Kritik an Fischbeker Reethen. Umweltschützer: Bei IBA-Planung kommt die Natur unter die Räder.

Der BUND kritisiert die städtische Entwicklungsgesellschaft IBA Hamburg für ihre Planung des Baugebiets „Fischbeker Reethen“ und nennt diese „nicht naturverträglich“ - und statt der attackierten IBA reagiert das Bezirksamt Harburg auf die deutlichen Beanstandungen des Naturschutzbundes: Das formelle Bebauungsplanverfahren Fischbeker Reethen (NF67) werde durch den Bezirk Harburg durchgeführt, stellt der Bezirk auf Abendblatt-Anfrage klar.

Die IBA Hamburg GmbH sei die seitens der Stadt Hamburg beauftragte Projektentwicklungsgesellschaft. Wie berichtet, haben der BUND Hamburg und die Arbeitsgemeinschaft Naturschutz in der vergangenen Woche beim Bezirk Harburg erneut eine kritische Stellungnahme zu den Planungen für die Fischbeker Reethen und dem dazugehörigen Bebauungsplan Neugraben-Fischbek 67 eingereicht, weil die Natur dabei „großflächig unter die Räder“ komme.

Baugebiet in Neugraben-Fischbek: Für die Fischbeker Reethen verschwinden Flächen unter Beton und Asphalt

„Für die Fischbeker Reethen verschwinden umfangreiche Flächen unter Beton und Asphalt, es gibt keinen ausreichenden Korridor, der die Naturräume der Geest und der Marsch verbindet, und die dort noch lebenden Feldlerchen sollen auf viel zu kleinen Flächen ein neues Zuhause finden“, kritisiert Sabine Sommer, Vorsitzende des BUND Hamburg.

Dazu komme die Zerstörung von Torfböden sowie die gravierende Beeinträchtigung des angrenzenden EU-Vogelschutzgebiets und des Lebensraums mehrerer Fledermausarten, die in diesem Gebiet noch recht häufig vorkämen.

Die Planungen der IBA sehen in den Fischbeker Reethen Freiflächen wie diese vor.
Die Planungen der IBA sehen in den Fischbeker Reethen Freiflächen wie diese vor. © Unbekannt | IRelais-Landschaftsarchitekten

Das Bezirksamt Harburg hatte die Pläne für das Baugebiet schon vor drei Jahren erstmals zur Stellungnahme ausgelegt und nach umfangreicher Kritik der Umweltverbände eine Überarbeitung der Unterlagen zugesagt. Geändert habe sich aber fast nichts, kritisierte der BUND: Nach wie vor würden in dem 70 Hektar umfassenden Plangebiet rund 50 Hektar Äcker, Wiesen und Gebüschbereiche zerstört sowie weitere Biotopflächen überbaut.

Chancen für eine fortschrittliche Stadtplanung vertan?

Hier würden Chancen für eine fortschrittliche Stadtplanung vertan, so der BUND. Neben der Wohnbebauung sollen auf dem Areal, das direkt an das auf niedersächsischem Gebiet liegende Neu Wulmstorf grenzt, zehn Hektar neue Gewerbeflächen entstehen.

„Vor dem Hintergrund des dramatischen Artensterbens und des Klimawandels dürfen neue Baugebiete am besten gar nicht mehr im Grünen entstehen“, sagt Sommer. „Wenn ausnahmsweise doch, müssen sie mit maximaler Berücksichtigung von Natur und Umwelt geplant werden. Bei den Fischbeker Reethen ist das leider nicht der Fall“, so Hamburgs neue BUND-Chefin.

Bauvorhaben ist für Harburg von großer Bedeutung

Das Verfahren NF67 ist für den Bezirk Harburg von großer Bedeutung, da mit der Entwicklung der letzten großflächigen, landwirtschaftlich genutzten Fläche im direkten Umfeld einer S-Bahnstation ein Projekt im Sinne der „vorausschauenden und geringinvasiven Stadtentwicklung“ umgesetzt werde, betont dagegen das Bezirksamt Harburg. Zur Erreichung der Wohnungsbauziele sei diese Fläche in einer „verhältnismäßig hohen Dichte in hoher Freiraumqualität“ ein wesentlicher Baustein zu einer angebotsfähigen Wohnraumentwicklung.

Gleichzeitig werde aus Sicht des Plangebers durch das Konzept den naturräumlichen Gegebenheiten und Herausforderungen begegnet.

Das blau umrandete Feld zeigt die künftige Lage des Neubaugebiets Fischbeker Reethen, das direkt an Neu Wulmstorf grenzt.
Das blau umrandete Feld zeigt die künftige Lage des Neubaugebiets Fischbeker Reethen, das direkt an Neu Wulmstorf grenzt. © Unbekannt | IBA Hamburg

Umweltbehörde hat bei Planung ein Wort mitzureden

Derzeit befinde sich das Verfahren im Abstimmungsprozess mit Behörden und Trägern öffentlicher Belange. „Den Ergebnissen dieses Abstimmungsprozesses können wir nicht vorweggreifen“, teilt Bezirkssprecher Dennis Imhäuser mit. Die Umweltbehörde werde innerhalb des Verfahrens selbstverständlich beteiligt und das Bebauungsplanverfahren unter den verschiedenen Aspekten des Natur- und Umweltschutzes begutachten. Anschließend erfolge die öffentliche Auslegung.

Im Neubaugebiet Fischbeker Reethen sind auf 70 Hektar Fläche 2300 Wohnungen geplant - überwiegend im Geschosswohnungsbau, aber auch Reihenhäuser und einige wenige frei stehende Einfamilienhäuser. Zehn Hektar sind für Gewerbe vorgesehen, die IBA hat zudem eine 18 Hektar große Freifläche in ihre Planungen integriert. Das Gebiet liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet Moorgürtel und ist das letzte der drei großen neuen Wohngebiete in Neugraben/Fischbek nach dem Vogelkamp Neugraben und dem Fischbeker Heidbrook.

„Lebendiges, urbanes und grünes Quartier“ soll nahe Neu Wulmstorf entstehen

Laut IBA soll an der Grenze zu Neu Wulmstorf ein „lebendiges, urbanes und grünes Quartier entstehen, in dem naturverbundenes Wohnen und innovative Arbeitswelten nebeneinander möglich sind“. Es solle mit reduziertem Autoverkehr erschlossen werden und ein gutes Netzwerk für Radfahrer und Fußgänger bieten.

Die Fischbeker Reethen dürften zu den letzten großen Baugebieten im Bezirk gehören: „Im Bezirk Harburg werden sich künftige Projekte aufgrund der vorhandenen Flächen und Flächenkonkurrenz an der Nachverdichtung in Bestandsquartieren orientieren“, so Imhäuser.