Harburg. Direkt am größten Krankenhaus im Hamburger Süden fehlt ein Übergang für Patienten und Schulkinder. Doch das soll offenbar so bleiben.

  • Über zu wenige Verkehrsteilnehmer kann sich der Eißendorfer Pferdeweg in Harburg wahrlich nicht beklagen
  • Tausende Menschen müssen hier täglich entlang, um zum Asklepios Klinikum zu kommen, hinzu kommen Pendler und Schulkinder
  • Dass es ausgerechnet hier aktuell keine Querungshilfe für Fußgänger und Radfahrer geben soll, können Anwohner nicht nachvollziehen

Es klingt absurd: Weil die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer in Heimfeld und Eißendorf erhöht werden soll, fallen Zebrastreifen weg. In der verkehrspolitischen Logik steckt dahinter durchaus Sinn. In der Praxis – gelinde geschätzt – nicht immer.

Verkehrssicherheit im Eißendorfer Pferdeweg: Polizei überrascht mit kurioser Begründung

Der Fußgängerüberweg – oder auch: Zebrastreifen – am AK Harburg ist so ein Beispiel. Bis zum Umbau der Denickestraße zur Fahrradstraße konnten Anwohner sowie Krankenhausbesucher, die mit dem Bus an- und abfuhren, hier den Eißendorfer Pferdeweg mit einem langen, durch eine mittige Verkehrsinsel noch einmal extra gesicherten Zebrastreifen gefahrlos queren. Heute aber muss hier eine 13 Meter lange Furt ohne jegliche Absicherung bewältigt werden.

Der Eißendorfer Pferdeweg ist an der breitesten Stelle 13 Meter breit. Eine gesicherte Fußgängerquerung oder einen Zebrastreifen gibt es nicht mehr.
Der Eißendorfer Pferdeweg ist an der breitesten Stelle 13 Meter breit. Eine gesicherte Fußgängerquerung oder einen Zebrastreifen gibt es nicht mehr. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Besonders morgens sind gefährliche Situationen zu beobachten. Grundschüler, die in Richtung Osten zur Schule am Kiefernberg unterwegs sind und Gymnasiasten, die nach Westen, Richtung Heisenberg-Gymnasium gehen, queren den Eißendorfer Pferdeweg zu Fuß und per Fahrrad. Berufspendler, Elterntaxis und Linienbusse nutzen die Fahrbahn, als würde es links und rechts keine Fußgänger geben.

Anwohnervideos zeigen Kinder, die erst geduldig, dann verzweifelt auf eine Gelegenheit zum Queren warten. Kommt kein Auto den Pferdeweg hinunter, biegt von unten eines ein. Dass keiner der Abbieger anhält, wie es die Regeln vorschreiben, um die Kinder queren zu lassen, spricht entweder für ihren Egoismus oder aber dafür, dass die Fahrer die Kinder nicht wahrnehmen. Die wiederum wollen die Straße auch deshalb im unmittelbaren Kreuzungsbereich queren, weil hier die abgesenkten Bordsteine dazu einladen.

Verkehrsbeobachterin rettet Kind: SUV-Fahrer hatte es übersehen

Die Heimfelder Mutter Nicole Singh wollte mit Mitstreiterinnen an der Kreuzung eine Verkehrszählung durchführen, um die Notwendigkeit eines Zebrastreifens zu begründen, als sie Zeugin wurde, wie beinahe ein Kind von einem Auto erfasst wurde. „Der abbiegende SUV-Fahrer hatte das Kind offensichtlich nicht gesehen. Erst, als ich mich bemerkbar machte und schnell auf die Fahrbahn schritt, um das Kind zu schützen, bremste der Fahrer“, sagt sie.

Wir bleiben am Ball! Wenn politische Beschlüsse nichts nützen, dann ja vielleicht das Dienstrecht.
Michael Dose (SPD) - Bezirksabgeordneter

Die Bezirkspolitik ist – auch durch Abendblatt-Berichte – längst auf das Problem aufmerksam geworden. Auf Antrag der CDU fasste die Bezirksversammlung einstimmig einen Beschluss, dass das Bezirksamt dort wieder eine sichere Querung ermöglichen soll. Die untere Straßenverkehrsbehörde im Polizeikommissariat 46 lehnt das ab: In Tempo-30-Zonen seien Zebrastreifen entbehrlich und könnten deshalb nicht angeordnet werden, so die Begründung.

Die Theorie: Wenn Autos maximal Tempo 30 fahren, kommen alle sicher über die Straße

Die Theorie dahinter ist folgende: In Tempo-30-Zonen sollen Autofahrer mit erhöhter Aufmerksamkeit fahren. Die ohnehin reduzierte Geschwindigkeit der Autos macht die Querung für Fußgänger dann sicher genug. Eigens eingerichtete Zebrastreifen würden Fahrern suggerieren, dass man zwar in diesem Bereich besonders vorsichtig sein soll, auf dem Rest der Strecke aber nicht mit Fußgängern rechnen müsse. Das würde der Idee der Verkehrsberuhigung, dass Fußgänger und Radfahrer an jeder Stelle der Straße sicher sind, widersprechen.

In der Praxis hat die Theorie Haken: Besonders lange gerade Strecken, wie der Eißendorfer Pferdeweg, verleiten Fahrer zum Gasgeben. Die weit geschnittenen Kurvenradien in der Kreuzung Pferdeweg/Denickestraße verleiten ebenfalls zur schnellen Durchfahrt. Selbst die Profis am Lenkrad der Hochbahn-Busse vergessen hier die Regeln: „Anstatt wie vorgeschrieben im Schritttempo auf die Denickestraße abzubiegen, um auf Radfahrer und Fußgänger reagieren zu können, beschleunigen viele Busfahrer in der Kurve sogar“, sagt eine Anwohnerin.

SPD-Politiker Michael Dose fordert eine Fußgängerquerung am AK Harburg. 
SPD-Politiker Michael Dose fordert eine Fußgängerquerung am AK Harburg.  © HA | Lars Hansen

Hinzu kommt: Bis auf wenige Meter vor der Kreuzung ist auf dem Eißendorfer Pferdeweg gar keine Geschwindigkeitsbegrenzung angeordnet – noch nicht. „Angeblich ist eine Tempo-30-Zone von der Denickestraße bis zur Heimfelder Straße geplant“, sagt der Heimfelder Bezirksabgeordnete Michael Dose (SPD). „Aber wann sie kommt, ist nicht absehbar.“

Das Bezirksamt bestätigt das. In der Warteschlange vieler Baumaßnahmen steht die Verkehrsberuhigung vor dem AK Harburg weit hinten. Man versuche, die Priorität zu erhöhen, heißt es.

Verkehr Hamburg: Ist ein Zebrastreifen vor einer Klinik wirklich entbehrlich?

Die ursprünglichen Planungen für den Kreuzungsbereich hatten zumindest vorgesehen, die Sprunginsel in der Mitte des Eißendorfer Pferdewegs wieder einzubauen. Die Hamburger Hochbahn hatte Bedenken, dass ihre Gelenkbusse dadurch behindert würden. „Wenn überhaupt eine Fußgängerquerung nachträglich noch verwirklicht wird, dann nicht im unmittelbaren Kreuzungsbereich, sondern weiter nördlich“, sagt Bezirksamts-Pressesprecherin Sandra Stolle.

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Abgesehen davon, dass es noch lange dauern kann, bis vor dem Krankenhaus Tempo 30 angeordnet und eventuell sogar durch Fahrbahn-Umbauten forciert wird, sei es auch nicht verboten, Zebrastreifen in 30er-Zonen anzuordnen, sagt Michael Dose. „Auch wenn in Hamburg mit solchen Ausnahmen besonders gegeizt wird, sind sie dennoch möglich“, sagt er. „Man muss die Ausnahmesituation begründen können, und ich denke, dass die Gründe hier zweifelsohne gegeben sind!“

Dose ärgert deshalb die Haltung von Polizei und Bezirksamt, vor allem weil die sich in seinen Augen gegenseitig als Argumentationshilfe benutzen. „Wir bleiben am Ball“, sagt er. „Und wenn politische Beschlüsse nichts nützen, dann ja vielleicht das Dienstrecht. Man könnte die Verweigerung ja auch als Pflichtverletzung interpretieren!“