Neugraben-Fischbek. Problemfall Fußgängerzone: Ein neuer Bebauungsplan mit interessanten Ansätzen soll verhindern, dass die Marktpassage verödet
Wenn sich die Neugrabener in der Vergangenheit über ihr Stadtteilzentrum mokiert haben, war das meist Jammern auf hohem Niveau. Zahlreiche inhabergeführte Geschäfte in Kombination mit übersichtlich kleinen Filialen großer Ketten, einem gut besuchten Wochenmarkt und einem Kleinkaufhaus sowie öffentlichen Einrichtungen an der Südseite machten den Besuch in der Marktpassage bislang zu einem, im Vergleich zu anderen Einkaufszentren, persönlichen Erlebnis inklusive sozialer Kontaktpflege. Doch auch hier ändern sich die Zeiten. Die Bezirkspolitik will rechtzeitig handeln und einen Wandel zum Besseren herbeiführen, bevor sich etwas zum Schlechteren wandelt. Die Zeit drängt.
Ein neuer Bebauungsplan soll verhindern, dass der Marktpassage ein ähnliches Schicksal droht, wie dem direkt angrenzenden Süderelbe-Einkaufszentrum (SEZ): Leerstände, Langeweile, Unwirtlichkeit. Die Idee, die Marktpassage an moderne Anforderungen anzupassen, ist nicht neu. Seit 2017 besteht der „Rahmenplan Neugrabener Zentrum 2030“. Teile davon, wie die Neupflasterung des Marktplatzes sowie der Gehwege in der Marktpassage und ihren Seitenstraßen sind auch schon umgesetzt. Andere, wie der Abriss des ehemaligen Ortsamts, sind obsolet geworden. Zu tun gibt es aber immer noch.
Immer mehr alteingesessene Ladenbesitzer in Neugraben setzen sich zur Ruhe
„Es ist ja seit geraumer Zeit so, dass wir hier etwas bewegen müssen“, sagt der Neugrabener SPD-Bezirksabgeordnete Holger Böhm, „denn die Zeiten, in denen die inhabergeführten Geschäfte das Zentrum geprägt haben, neigen sich dem Ende zu. Immer mehr alteingesessene Ladenbesitzer setzen sich zur Ruhe, ohne direkte Nachfolger zu haben.“
Die Generation, die sich jetzt zur Ruhe setzt, hat die Geschäftsgebäude teilweise noch selbst gebaut. 33 Häuser in unterschiedlichen Größen, vom ehemaligen Karstadt-Satelliten, jetzt eine Kaufland-Filiale, bis hin zum viereinhalb Meter schmalen Flachbau eines Tabakwarengeschäfts. Fast jedes Gebäude hat einen anderen Eigentümer, das macht eine einheitliche Planung manchmal schwierig.
Entstanden ist die Marktpassage in den 1960er- und 1970er-Jahren. Die zuvor eher dörfliche Vorstadtregion Süderelbe hatte durch den Bau mehrerer Hochhaussiedlungen urplötzlich einen radikalen Bevölkerungszuwachs und -wandel erfahren. So mancher Alteingesessener kommt heute noch nicht darüber hinweg. Das neue Einkaufszentrum an der Marktpassage sollte ein Mittler zwischen den Lebenswelten sein: Zeitgenössische rechtwinklige Betonarchitektur, aber eben keine Hochhäuser. Bauhöhe: maximal zwei Geschosse in Ausnahmefällen ein Staffelgeschoss dazu. Wohnen ist hier eigentlich nicht vorgesehen.
„Abends und am Wochenende ist die Passage oft tot“, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung, Ralf-Dieter Fischer, der als Rechtsanwalt hier auch Kanzleiräume hat. „Was es brauchte, ist eine Belebung des Quartiers: mehr Gastronomie, wie etwa ein schönes Café, und auch Spielgelegenheiten für Kinder“
Neugraben-Fischbek wächst gerade wieder um drei Neubaugebiete. Diesmal nicht ganz so hoch, aber eine fünfstellige Neueinwohnerzahl dürfte in den drei Entwicklungsgebieten letztendlich zusammenkommen. „Neugraben braucht auch zukünftig ein leistungsfähiges Zentrum“, heißt es in einem Antrag von SPD und Grünen, der in der letzten Bezirksversammlungs-Sitzung auch von allen anderen Fraktionen angenommen wurde, „das Zentrum genügt mit Art und Maß der Bebauung und im Hinblick auf die Nutzungsmischung und zeitgemäße Flächenzuschnitte von Läden nicht den heutigen und zukünftigen Anforderungen.“
Um das Neugrabener Zentrum zu beleben, soll Wohnnutzung ermöglicht werden
Weil die inhabergeführten Läden gehen und die Filialen der Handelsketten mit den kleinen Ladenflächen wenig anfangen können, soll der neue Bebauungsplan größere Verkaufsflächen ermöglichen, beispielsweise, indem sich Geschäfte in die derzeit untergenutzten Innenhöfe der quadratischen Gebäudeensembles erweitern. Um das Zentrum zu beleben, soll auch eine teilweise Wohnnutzung der Gebäude erlaubt und dafür eine Aufstockung ermöglicht werden.
„Es ist aufgrund der gestreuten Eigentümerstruktur zwar schwierig, hier eine einheitliche Entwicklung zu erreichen“, sagt Holger Böhm, „aber wenn man beispielsweise einen Investor findet, der eines der Gebäudeensembles komplett neu entwickeln möchte, sind die Einzel-Eigentümer eventuell auch zum Verkauf bereit, wenn das Angebot stimmt. Das wird für Investoren aber nur interessant, wenn sie groß genug bauen können.“
Ralf-Dieter Fischer mahnt dabei zu Augenmaß: „Eine Erhöhung um ein Geschoss ist vielleicht verträglich, aber die sollten hier keine Hochhäuser bauen“, sagt er. „Am Südrand sollte ja schon ein siebenstöckiger Wohnblock entstehen. Das haben wir zum Glück verhindern können.“
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Südlich des Marktes liegt unter anderem das Gebäude, in dem das frühere Ortsamt und das Polizeikommissariat 47 untergebracht sind. Dessen Pacht ist abgelaufen und der Grundeigentümer wollte es abreißen und stattdessen den von Fischer erwähnten Wohnblock dorthin setzen. Ein Ersatzstandort nördlich der Cuxhavener Straße war für die städtischen Einrichtungen bereits geplant und sollte eine zentrale Brachfläche zwischen S-Bahnhof und Marktpassage sinnvoll füllen und beleben.
Dann intervenierte das Denkmalschutzamt gegen den Abriss. Fazit: Nur noch das Kommissariat zieht zum Bahnhof um. Die Dienstellen des Bezirksamts bleiben am Neugrabener Markt. Für den Rest der Fläche am Bahnhof muss nun ebenfalls eine Lösung her, sonst droht die nächste Sorgenfläche im Neugrabener Zentrum.