Neugraben-Fischbek. Trotz mehrerer Notrufe waren weder Rettungs- noch ärztlicher Notdienst erschienen. Die Frau starb. Nun gibt es Details zum genauen Ablauf.

Es ist ein Fall, der weit über die Grenzen Harburgs hinweg für Erschütterung und Entsetzen sorgt: Am vergangenen Mittwoch ist im Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek eine Seniorin in ihrem Haus verstorben – offenbar obwohl der Rettungsdienst der Feuerwehr und der Kassenärztliche Notdienst über den schlechten Gesundheitszustand der Dame informiert waren.

Bereits gegen 7 Uhr in der Früh hatte die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes einen Notruf unter Nummer 112 beim Rettungsdienst der Feuerwehr abgesetzt. Der verwies die Pflegefachkraft jedoch an die Nummer des Kassenärztlichen Notdienstes 116 117. Doch über Stunden suchte kein Notarzt die notleidende Frau auf – sie starb noch am Vormittag allein in ihrem Haus in der Straße Hogenbrook.

Tod einer alten Dame in Neugraben-Fischbek: Wer trägt Schuld am Tod der Hamburgerin?

Hätte der Tod von Vera A. verhindert werden können? Wer trägt die Verantwortung und warum suchte kein Notarzt das Haus der Rentnerin auf, obwohl diese offenbar mehrmals telefonisch versichert wurde? Der Tod der alten Dame wirft viele Fragen auf. Nun hat die Feuerwehr die ersten beantwortet. „Das Ergebnis der standardisierten Notrufabfrage zeigte auf, dass die mitgeteilten Informationen nicht zu einer Einstufung als Notfallpatient führten“, heißt es in einer Mitteilung, die dem Abendblatt vorliegt. Aus diesem Grund sei Vera A. an den Arztruf 116117 verwiesen worden, wo die Seniorin jedoch niemanden erreichte.

Daraufhin soll sie sich laut Feuerwehr noch einmal bei der Leitstelle gemeldet haben, die einen Rückruf des Arztrufes initiierte. Doch um 11.26 Uhr ging erneut ein Notruf durch einen weiteren Anrufer bezüglich des Gesundheitszustandes von Vera A. ein. Da die telefonische Abfrage laut Feuerwehr dieses Mal eine Einstufung als Notfallpatient anzeigte, machte sich umgehend ein Rettungswagen auf den Weg nach Neugraben-Fischbek.

„Noch vor Eintreffen des Rettungswagens erfolgte ein Anruf des Arztrufs Hamburg bei der Rettungsleitstelle der Feuerwehr. Es wurde darüber informiert, dass durch vor Ort befindliches ärztliches Personal der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund einer laufenden Reanimation ein Notarzteinsatzfahrzeug und Rettungswagen angefordert werden“, heißt es in der Mitteilung zu den weiteren Geschehnissen.

Fall der verstorbenen Fischbekerin wird Politikum

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg reagierte. „Uns ist der vorgetragene Vorfall bekannt. Wir sind derzeit mit der internen Aufarbeitung der Sachlage beschäftigt“, teilte auf Abendblatt-Anfrage Pressesprecher Dr. Jochen Kriens mit.

Zudem schaltete sich Mittwoch die Politik ein: Der Bürgerschaftsabgeordnete André Trepoll (CDU), einer der Wahlkreisabgeordneten für Süderelbe, hat eine schriftliche kleine Anfrage an den Hamburger Senat gestellt. Darin fordert er nicht nur detaillierte Aufklärung, was den Fall Vera A. betrifft, sondern auch über Personalausstattung, Besetzung und Auslastung des kassenärztlichen Notdienstes in Hamburg allgemein und im Bezirk Harburg im Besonderen; wie sich die Wartezeiten beim Notdienst entwickelt haben und wie viele Anrufe dort ins Leere laufen.

Trepoll sei erschüttert über die Todesumstände der Seniorin. „Dass die Harburger häufig länger auf Rettungswagen warten müssen als Bürger in innerstädtischen Bezirken, ist ja leider nicht neu und wird von uns immer wieder kritisiert“, sagt er. „Dass hier aber über Stunden und trotz mehrfacher Notrufe überhaupt keine ärztliche Hilfe kam, macht mich sprachlos. Was muss die alte Dame für Qualen erlitten haben?“ Der Sachverhalt müsse nun bis ins letzte Detail aufgeklärt werden: „Vor allem, um zu klären, welche Fehler sich künftig auf keinen Fall wiederholen dürfen – und welche Maßnahmen zu treffen sind“, so Trepoll.