Heimfeld. Lost Place an prominenter Stelle kennen viele nur vom Sehen. Dabei steckt das verlassene Häuschen voller spannender Geschichten.

  • Die Fassade beschmiert, die Fenster zerborsten: Dieses Harburger Häuschen hat seine besten Tage bereits hinter sich
  • Tatsächlich handelt es sich aber um ein denkmalgeschütztes Gebäude an prominenter Stelle
  • Besonders Autofahrer werden es vom Vorbeifahren kennen

Da rein, da raus: „Toilettenhäuschen mit Trinkhalle, Baujahr 1937, Architekt unbekannt“, verrät die Hamburger Denkmalliste über das Haus Buxtehuder Straße 35a in Heimfeld. Das ist eher eine historische Beschreibung, denn weder als Toilettenhäuschen noch als Trinkhalle, das ist die alte Bezeichnung für Kiosk, wird das mysteriöse Häuschen direkt an der Bushaltestelle Bissingstraße heutzutage genutzt. Seit Jahrzehnten steht es leer.

Lost Place in Harburg: Viele werden das Häuschen vom Vorbeifahren kennen

Das soll sich ändern, heißt es aus dem Bezirksamt Harburg. In absehbarer Zeit werde ein Interessenbekundungsverfahren gestartet, bei dem sich Menschen oder Vereine um die Nutzung des kleinen Gebäudes bewerben können. Ein Grund zur Freude? Das bleibt abzuwarten! In den vergangenen fünf Jahren ist dieses Interessenbekundungsverfahren nämlich schon zweimal angekündigt worden.

Über Jahre verfiel das Haus langsam und doch zusehends. Immer wieder fragen sich Heimfelder, was aus dem Gebäude wird – oder malen sich gar aus, was daraus werden könnte. Andere malen es auch einfach nur an. Böse Zungen behaupten, das Haus werden nur noch von der Graffitifarbe und dem Moos zusammengehalten.

Als Bedürfnisanstalt wurde das Häuschen lange nicht mehr genutzt

„Toilettenhäuschen“ möchte man im Bezirksamt übrigens nicht mehr sagen. Als Zukunftsprojekt heißt der kleine Profanbau im Rathaus längst „Pavillon am See“. Die Bezeichnung rührt daher, weil sich am selben Fuß des Schwarzenbergs auch ein Regenwasserrückhaltebecken befindet, auf dem dann und wann Enten und Gänse ihre kleinen Runden drehen.

Von hinten eher hutzelig: Der „Pavillon am See“ hat seinen Namen vom nahegelegenen Regenrückhaltebecken.
Von hinten eher hutzelig: Der „Pavillon am See“ hat seinen Namen vom nahegelegenen Regenrückhaltebecken. © HA | Lars Hansen

Als Bedürfnisanstalt wurde das Häuschen lange nicht mehr genutzt und wird es wohl auch nicht mehr. Die Hamburger Stadtreinigung ist mittlerweile Herrin aller öffentlichen Toilettenanlagen der Hansestadt. Sie setzt auf standardisierte, wenig personalintensive, leicht sauberzuhaltende Klohäuschen mit hohem Automatisierungsgrad.

Damit erfüllt die Stadtreinigung ihre Aufgabe gut, denn von der Bevölkerung werden diese Klos gut angenommen. Für historische Häuschen – und davon gibt es in Hamburg einige – bedeutet das, dass sie ihren architektonischen Wert anders zur Schau stellen müssen.

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Strom- und Wasserversorgung müsste erst wieder hergestellt werden

Die letzte Nutzung des Harburger Häuschens war ein Kiosk. Dessen Betreiber konnte mit seinen Verkaufserlösen aber nicht soviel Geld verdienen, wie er durch Einbruchschäden verlor. Er gab auf, bevor ihn dieses Missverhältnis noch vollends ruinierte. Das war kurz nach der Jahrtausendwende.

Ich fände es gut, wenn man die Anwohner und Parknutzer bei der Planung beteiligt.
Claudia Kulenkampff - Konzeptkünstlerin

Bereits 2018 hatte das Bezirksamt den 55-Quadratmeter-Bau mit halber Ausbuchtung und Türmchendach dem Liegenschaftsamt, aus dem später der Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen (LIG) wurde, zum Verkauf gegeben. Ein Käufer fand sich allerdings nicht. Das könnte auch daran gelegen haben, dass mittlerweile die Strom- und Wasserversorgung für das kleine Gebäude unwiederbringlich gekappt war und für eine neue Nutzung erst wieder hergestellt werden müsste.

Mit Stoff, Pappmaché und Krepppapier wurde aus dem Klokiosk ein „schlafender Riese“

Interessenten hatte es gegeben. Der Heimfelder Designer und Projektmanager John Kuypers hatte die Idee, hier sein Recyclingprojekt „Precious Plastic“ unterzubringen, das Kunststoffe in Stoffkreisläufe überführt und bei den Mitmenschen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Wiederverwertung selbst billigster Materialien schaffen sollte. Er kam nicht zum Zug. Sein Projekt verwirklichten er und seine Mitstreiter andernorts und gewannen damit Preise.

Im Herbst 2022 verwandelten Claudia Kulenkampff und Florian Tampe das Häuschen für ein paar Wochen.
Im Herbst 2022 verwandelten Claudia Kulenkampff und Florian Tampe das Häuschen für ein paar Wochen. © HA | Lars Hansen

2022 bespielten die Künstler Claudia Kulenkampff und Florian Tampe das Haus. Mit Stoff, Pappmaché und Krepppapier machten sie aus dem Klokiosk einen „schlafenden Riesen“ und hielten im mittlerweile entkernten Inneren des Hauses Hof, um gemeinsam mit Passanten und Anwohnern Ideen für die Hütte zu entwickeln.

Spielzeuggeschäft oder Parksauna, Jugenddisco oder Suppenküche

„Da kamen sehr viele, ganz verschiedene Vorschläge zusammen, vom Spielzeuggeschäft bis zur Parksauna, von der Jugenddisco bis zur Suppenküche“, sagt Claudia Kulenkampff. „Wir haben die Wunschliste nach Ende der Aktion beim Bezirksamt hinterlassen. Ich fände es gut, wenn man die Liste berücksichtigt und wenn man die Anwohner und Parknutzer bei der Planung beteiligt.“

700.000 Euro für die Erneuerung des Schwarzenbergparks inklusive der Sanierung des Klo-Schlösschens hatte der Bezirk 2020 von der Hansestadt erhalten und bis jetzt nicht komplett verbaut. Seinerzeit ging es darum, nach Abbau der Erstaufnahme auf dem Schwarzenberg den Naherholungswert der Grünanlage zu erhöhen. Mittlerweile wohnen wieder Geflüchtete auf dem Schwarzenberg, mehr als zuvor.

55 Quadratmeter Nutzfläche sind derzeit noch in drei Räume aufgeteilt

Wasser hat das Gebäude mittlerweile wieder. „Strom wird in den kommenden Monaten gelegt“, sagt Sandra Stolle, Pressesprecherin des Bezirksamts. „Dann wird die Sanierung innen in Angriff genommen. Danach wird das Interessenbekundungsverfahren gestartet.“

Der Vorsitzende des Kulturausschusses der Harburger Bezirksversammlung, Heiko Langanke (Die Linke), kritisiert das Vorgehen des Bezirksamts: „Es ist doch besser, erst zu entscheiden, was dort hinein soll, und dann so umzubauen, dass es auch passt“, sagt er. „Vorschläge gab und gibt es genug. Ich persönlich glaube, dass sich das Haus sehr gut als Künstleratelier für einen oder zwei Nutzer eignen würde. An Atelierrräumen fehlt es überall.“

Von Außen nach Innen und wieder heraus geht der Blick durch das zerbrochene Pavillonfenster
Von Außen nach Innen und wieder heraus geht der Blick durch das zerbrochene Pavillonfenster © HA | Lars Hansen

Die 55 Quadratmeter Nutzfläche vom „Pavillon am See“ sind derzeit noch in drei Räume aufgeteilt: die ehemalige Damen- und Herrentoilette im rückwärtigen Riegel und die ursprüngliche „Trinkhalle“ in der vorderen Ausbuchtung. Die Räume sind entkernt, und mindestens eine Wand wurde eingerissen, sodass der ursprüngliche Flur als solcher nicht mehr existiert. Alle Räume verfügen über ausreichend Fensterfläche, um Tageslicht in ein Künstleratelier zu lassen.

Träger könnte Pavillon und alte Rauchkate in Fischbek gleichzeitig bespielen

Viel Fläche bietet das Haus dennoch nicht. Kulturpolitiker Heiko Langanke hat aber eine Idee, wie dieser Mangel kompensiert werden könnte: „Wenn ein- und derselbe Träger den ‚Pavillon‘ und die alte Rauchkate in Fischbek, die ja auch immer noch zu vergeben ist, bespielen würde, käme dort genügend Fläche für ein dezentrales Konzept mit Ateliers, Ausstellung und Kursräumen zusammen.“

Noch gibt es allerdings nicht einmal das Interessenbekundungsverfahren. Danach müssten sich immer noch Interessenten finden. Der Bezirk kann nicht ewig warten. Fördermittel der Stadt haben meist ein Haltbarkeitsdatum: Konkret die Laufzeit des Programms, aus dem sie finanziert werden.