Hamburg. Aufnahme für junge Geflüchtete stark überbelegt, Turnhalle und Zelte genutzt. Mitarbeiter melden: „Unerträgliche Zumutung“.
Die Lage im Hamburger Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) ist weiterhin extrem angespannt. Stellen sind unbesetzt, Mitarbeiter schreiben Dutzende Überlastungsanzeigen oder sind langzeiterkrankt. Das geht laut Auswertung der Linksfraktion aus den Antworten des Senats auf mehrere Kleine Anfragen hervor. Hauptgrund ist wohl, dass die Einrichtung in der Feuerbergstraße stark überbelegt ist.
Eigentlich sollen hier junge Menschen in Notfällen und nur vorübergehend betreut werden, die aufgrund von persönlichen Problemen, Überforderung der Eltern, Kriminalität oder Misshandlungen nicht in ihren Familien bleiben können. Der KJND ist aber auch für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge zuständig – und der Zustrom hat die Einrichtung zuletzt hat die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. So wurden auch eine Turnhalle und Zelte für die Unterbringung bzw. den Aufenthalt am Tag genutzt.
Kinder- und Jugendnotdienst in Hamburg überfüllt, Personal am Limit
Wohl weil Enge und Überbelegung für mehr Spannungen sorgen, ist die Zahl der Sicherheitsmitarbeiter laut Senatsangaben auf sieben erhöht worden, im April waren es laut Linksfraktion noch vier. Hinter den Zahlen und nüchternen Fakten zur Situation im KJND „verbergen sich Leid, Ungewissheit, verbaute Chancen bei den schutz- und hilfsbedürftigen Kindern und Jugendlichen, Überlastung bei den Fachkräften und Außerkraftsetzung fachlicher Standards und rechtlicher Vorgaben“, sagt Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus.
Problematisch ist laut Auswertung der Linken auch die Situation in den Erstversorgungseinrichtungen, in die die Jugendlichen normalerweise zügig aus dem KJND wechseln sollen. Dort soll gemeinsam mit ihnen eine Zukunftsperspektive erarbeitet werden. Allerdings sind laut Linksfraktion alle dieser sechs Einrichtungen in Hamburg überbelegt, in vier davon seien ein Drittel oder sogar die Hälfte mehr Jugendliche untergebracht als vorgesehen.
Linke: „Überbelegung ist eine unerträgliche Zumutung für Jugendliche und Beschäftigte“
Was der Senat den jungen Geflüchteten und den KJND-Mitarbeitern zumute, sei „viel zu wenig für ‚gutes Regieren‘“, so Boeddinghaus. „Der Senat muss umgehend dafür sorgen, dass deutlich mehr Erstversorgungseinrichtungen geschaffen werden. Die Fehlplanung der letzten Jahre fällt dem Senat nun auf die Füße.“ 2015/2016 seien aus einer Überlastungssituation Plätze aufgebaut worden. „Ab 2018 wurde diese mühsam aufgebaute soziale Infrastruktur dann aber wieder abgebaut – und das, obwohl Kriegs- und Krisenherde allseits bekannt waren. Die andauernde Überbelegung ist eine unerträgliche Zumutung für die Jugendlichen und die Beschäftigten.“
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Laut Auswertung der Senatsangaben durch die Linksfraktion sind im KJND zudem viele Stellen unbesetzt: 5,7 in der Unterbringungshilfe, sieben in der Erstaufnahme und zwei im Fachdienst Flüchtlinge. Es liegen 29 Überlastungsanzeigen vor und es gibt mehrere Langzeiterkrankungen. In der Turnhalle seien längst wieder Jugendliche untergebracht und auch in den vier beim KJND aufgestellten Zelten stünden bereits viele Betten – auch wenn diese laut Senat noch nicht genutzt würden.
Flüchtlinge Hamburg: Für den Senat „erweist der KJND seine Leistungsfähigkeit“
Die zuständige Sozialbehörde räumt ein, dass der Druck nach wie vor groß ist, auch wenn die Zahl der im KJND untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zuletzt ein wenig zurückgegangen ist. Vor dem Hintergrund der „weiterhin steigenden Zahl schutzsuchender unbegleiteter Minderjähriger in Hamburg“ sei es erforderlich, die Kapazitäten des KJND sowie der Erstversorgungseinrichtungen auszuweiten. Dazu gehöre auch die Anmietung neuer Räumlichkeiten und die Anwerbung von ausreichend Personal. Beides ist nicht ganz einfach. Da Fachpersonal schwer zu finden ist, wurden die Voraussetzungen für den Einsatz ausgedehnt, sodass auch „erweiterte Berufsgruppen“ eingesetzt werden können.
Trotz der angespannten Lage betont die Behörde aber, „dass der KJND in der aktuellen Krisensituation seine Leistungsfähigkeit beweist und die aktuellen Strukturen funktionieren“. Gleichwohl würden „diese Strukturen permanent an die Realverhältnisse und die sich ändernden Anforderungen angepasst“.