Harburg. Stillstand bei Großprojekten und viel zu wenig Neuanträge: In Harburg stockt der Wohnungsbau. Welchen Einfluss hat die Bezirkspolitik?
- Der Bau neuer Wohnungen ist in ganz Hamburg zum Problemfall geworden
- Beim frei finanzierten Wohnungsbau beträgt der Rückgang dramatische 85 Prozent im Vergleich zu 2018
- Wie sieht die Situation im Bezirk Harburg aus?
Wohnungen sind in Hamburg rar, auch im BezirkHarburg. Stadt und Bezirk versuchen gegenzusteuern, indem sie den Neubau von Wohnungen fördern. Derzeit kann oder möchte aber kaum jemand bauen. Das trifft nicht nur die Wohnungssuchenden.
Es wird auch soziale Projekte treffen, denn die Prämie, welche die Stadt den Bezirken für jede erteilte Baugenehmigung zahlt, ist mittlerweile ein wichtiger Faktor in der Finanzierung sozialer Stadtteilarbeit. Wenn aber weniger Bauanträge gestellt werden, gibt es auch weniger Geld zu verteilen.
Wohnungsbau in Harburg: „Mit Glück haben wir 2023 die Hälfte des Solls erreicht“
In den vergangenen Jahren hat der Bezirk Harburg, wie viele andere Bezirke auch, sein jährliches Soll an Genehmigungen stets überschritten. Dies Soll liegt bei 800 genehmigten Wohnungen. Zusammen mit der Förderung für Gewerbebau und das Ausweisen von möglichen Bauflächen kamen 2021 und 2022 im Schnitt jeweils etwa 350.000 Euro heraus. 2022 kam auch noch eine große Nachzahlung von über 100.000 Euro herein.
„Das wird für 2023 nicht so üppig ausfallen“, ahnt Frank Richter (SPD), Vorsitzender des Harburger Stadtentwicklungsausschusses. „Die letzten Zahlen, die wir haben, stammen aus einer Information im vergangenen Sommer. Da waren erst 180 neue Wohnungen genehmigt und für die zweite Jahreshälfte sah es nicht viel besser aus. Mit Glück haben wir 2023 die Hälfte des Solls erreicht.“
Zwei Großprojekte in der Schwebe, auch Genossenschaften nicht in Baulaune
Die Gründe dafür liegen nicht unbedingt in Harburg: Hohe Kosten und ein Unterangebot an Arbeitskraft machen das Bauen vielen Investoren derzeit unattraktiv bis schlicht unmöglich. Darunter leiden auch Projekte, in die der Bezirk Harburg große Hoffnungen setzt: An der Winsener Straße etwa ist die Firma in die Insolvenz gegangen, die dort 300 Wohnungen und ein Einkaufszentrum errichten wollte.
Es ist möglich, dass das Insolvenzverfahren die Firma und das Projekt rettet. Bis das klar ist, wird aber weder gebaut noch überhaupt die Genehmigung beantragt. Auch das 200-Wohnungen-Projekt eines anderen Investors am Außenmühlenweg liegt offenbar auf Eis, bis es wieder finanzierbar ist.
Selbst die Baugenossenschaften, sonst Motoren des sozialen Wohnungsbaus, sind nicht in Investitionslaune. Unlängst gab Joachim Bode, Vorstand des Eisenbahnbauvereins Harburg, bekannt, dass seine Genossenschaft unter den jetzigen Bedingungen keine neuen Projekte mehr beginnen möchte, obwohl schon welche in der Schublade lägen.
Ganz schwarz sieht Frank Richter allerdings nicht: „Wir setzen auf die SAGA, die unter anderem das Neubauprojekt am Lichtenauerweg in der Hand hat und wir wollen im April noch möglichst viele Bebauungspläne zumindest bis zur Auslegungsreife bekommen, damit die nächste Bezirksversammlung gleich weiter daran arbeiten kann. Unter anderem geht es dabei um die Fischbeker Reethen“, sagt er.
Dort sind 2300 Wohnungen geplant. Deren Baugenehmigungen dürften die Bilanz der kommenden Jahre versüßen. Bis dahin dürfte aber noch eine Durststrecke zu überwinden sein.
Für die nächsten Jahre wird es vorausichtlich enger für soziale Bauprojekte
Unmittelbare Auswirkungen hat der Wohnungsbau-Einbruch von 2023 für 2024 beantragte soziale Projektförderungen wahrscheinlich noch nicht. „Alle Anträge, von denen wir durch die Vorabliste des Bezirksamts wissen, sind im Großen und Ganzen finanzierbar, einige vielleicht mit Abstrichen“, sagt der Haushaltsausschussvorsitzende der Bezirksversammlung Klaus Fehling (ebenfalls SPD). „Außerdem ist auch noch mit Rückflüssen von Fördermitteln zu rechnen, die nicht oder nicht voll in Anspruch genommen wurden. Für die nächsten Jahre wird es aber enger. Da muss man wohl Prioritäten setzen.“
- Immobilien Hamburg: Experte warnt vor Wohnungskatastrophe – „Wer baut, geht bankrott“
- Mieten in Hamburg: Warum Genossenschaften keine Wohnungen mehr bauen
- Wilstorfer Baulücke: Investor insolvent, wie geht es weiter?
„Prioritäten setzen“ auf der einen Seite heißt aber auch: „Streichen“ auf der anderen. Die Legislaturperiode der Bezirksversammlung endet mit der Sitzung am 30. April.
Neu gewählt wird am 9. Juni. Das Thema „Prioritäten“ oder „Streichungen“ eignet sich dabei bestens als Wahlkampfmunition – und als Streitpunkt für erbitterte Koalitionsverhandlungen. Die Abgeordneten, die jetzt schon wissen, dass sie in der nächsten Wahlperiode nicht mehr dabei sind, werden recht froh sein, diese Entscheidungen nicht treffen zu müssen.