Neugraben. Bauarbeiten an der Marktpassage haben begonnen. Politik plant aber noch mehr.

Im Bauboom vor Corona fand sich zunächst kein Unternehmen für den Auftrag, dann galten Angebote als zu teuer und es musste neu ausgeschrieben werden: Mit jetzt gut einjähriger Verspätung haben daher nun erst die Bauarbeiten an der Marktpassage in Neugraben begonnen. „Wir sind richtig froh, dass es nach der Verzögerung nun doch losgeht und versprechen uns viel davon“, sagt dazu die Neugrabener CDU-Bezirksabgeordnete Brit-Meike Fischer-Pinz.

Kernstück der Passagen-Umgestaltung und ihrer Querstraßen ist ein neuer Belag. Dazu wird nach Information des Bezirksamtes ein dreifarbiges Betonsteinpflaster eingebaut – so wie es auch schon auf dem Marktplatz verwendet worden ist. Man wolle ein „einheitliches Gestaltungsbild“ erzeugen, so das Amt. Die Zugänge zu den Geschäften bleiben allerdings in der heutigen Aufteilung erhalten, geplant seien aber neue Bänke, Fahrradbügel, Spielgeräte und zusätzliche Flächen für eine Außengastronomie.

Wobei zunächst der Abschnitt zwischen Marktplatz und Südelbweg erneuert wird, später dann auch andere Bereiche. Zwölf bis 14 Monate wird nach Einschätzung des Bezirksamtes die gesamte Bauzeit dort betragen. Finanziert wird der Umbau durch das Hamburger Rahmenprogramm zur Integrierten Stadtteilentwicklung (RISE), rund zwei Millionen Euro standen dadurch zur Verfügung.

Parteien fordern neue Bebauungspläne

Ob das aber reicht, um den 70er-Jahre-Eindruck eines ziemlich zusammengewürfelten Stadtteilzentrums zu verwischen, wird von der Bezirkspolitik bezweifelt. „Wir müssen dort mittelfristig neue Bebauungspläne aufstellen“, fordert etwa Frank Richter, der SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Harburg und lange schon Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss ist. Vorstellbar sei beispielsweise, dass die im Neugrabener Zentrum teils sehr niedrigen Gebäude aufgestockt werden könnten. In den oberen Geschossen könne man dann Wohnungen bauen. Möglich sei auch eine Überbauung größerer Innenhofflächen wie bei Budnikowsky. „Man muss sehen können, dass wir eigentlich bald ein Zentrum einer mittelgroßen Stadt sind“, sagt Richter mit Blick auf die neuen, großen Baugebiete rund um das Neugrabener Zentrum.

Die Forderung nach neuen Bebauungsplänen wird dabei auch von der CDU unterstützt. „Das sehe ich genauso“, sagt CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter-Fischer, der selbst sein Anwaltsbüro in der Neugrabener Marktpassage hat. Wichtig sei der Bau von Wohnungen auch, um Kaufkraft im Zentrum zu erhalten. „Man darf daher nicht nur Sozialwohnungen bauen, sondern braucht dort auch Eigentumswohnungen“, sagt Fischer. Viele der Grundeigentümer seien bereit dazu und würden in Aufstockungen investieren wollen, so Fischer. Bisher habe es dazu aber von der Verwaltung keine Genehmigung gegeben, weil die alten Bebauungspläne aus den 60er- und 70er-Jahren dies bisher nicht zuließen.

Denkmalamt: Backstein-Gotik von besonderer Qualität

Teil des Neugrabener Zentrums ist auch das markante Backstein-Ensemble am Marktplatz, wo noch Ortsamt und Polizei untergebracht sind. Für beide werden aber neue Gebäude in der Nähe des Neugrabener S-Bahnhofs geplant. Mit Unterstützung der Harburger SPD wollte ein Investor daher das markante Ensemble abreißen und durch mehrgeschossige Wohnhäuser ersetzen. Die CDU plädierte indes für einen Erhalt – und bekam kürzlich durch das Denkmalschutzamt recht: Die Denkmalschützer schauen sich in Hamburg gerade Gebäude der Jahre 1975 bis 1995 an, ob sie denkmalwürdig sind.

Der 1979 vom Büro des renommierten Hamburger Architekten Werner Kallmorgen entworfene Neugrabener Ortsamt-Komplex fiel dabei schnell auf. Diese „Backstein-Gotik“ sei damals etwas Neues gewesen und von besonderer Qualität, so die Einschätzung des Denkmalamtes, das dann die beiden Gebäude unter Schutz stellte. Nun ist offen, was damit passiert, denn die Fassade darf nicht mehr verändert werden.

Sowohl SPD-Politiker Richter wie auch CDU-Mann Fischer könnten sich nun „vorstellen“, dass der Komplex zu Studenten- oder auch Azubi-Wohnungen umgebaut wird – auch das würde zu einer Belebung des Zentrums beitragen. Auch eine „kulturelle Teilnutzung“ sei dort gut möglich, glaubt Fischer, dem dazu ein Museum für die Süderelbedörfer als geeigneter Teil eines neuen Neugrabener Zentrums vorschwebt.

Neues Zentrum

Das heutige Zentrum Neugrabens entstand in den 60er- und 70er-Jahren relativ weit von den alten Dorfkernen Fischbeks und Neugrabens entfernt südlich der B 73 auf einem Gelände, wo nach dem Krieg noch Behelfsheime gestanden hatten. Daher ist der heutige Mittelpunkt Neugraben-Fischbeks ziemlich durchgängig durch den Baustil dieser Jahre geprägt.

Alte Gebäude vermisst man hier, stattdessen entstanden mit Ausnahme des markanten Ortsamts eher die sachlich-schlichten Baukörper dieser Zeit. Selbst das offizielle Stadtportal hamburg.de schreibt heute von einem „baulich teilweise missglückten Ortszentrum“. Inzwischen wohnen im Stadtteil rund 30.000 Menschen. Und mit den neuen Baugebieten Vogelkamp, Fischbeker Reethen und Heidbrook kommen in den nächsten Jahren noch gut 10.000 Neubürger hinzu.