Neugraben-Fischbek. Kreativ, künstlerisch, interdisziplinär: Neues Harburger Gymnasium will Schüler zu Pionieren machen. Wie das im Detail gelingen soll.
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„Was wird aus der katholischen Schule“, haben sich viele Neugrabenerinnen und Neugrabener zuletzt immer wieder gefragt. Seit vergangenem Montag sieht man, was aus ihr wird: Bauschutt, Sekundärrohstoff, Trümmer. Denn ein Großteil der alten Schulgebäude ist in keinem erhaltenswerten Zustand mehr. Lediglich das älteste Haus, die denkmalgeschützte alte Neugrabener Dorfschule, bleibt. Und doch findet hier weiter Schulbetrieb statt, wenn auch kein katholischer.
Die Stadt Hamburg hat dem Bischof das Grundstück abgekauft. Wo jetzt erst einmal drei Alt-Gebäude abgebrochen und abgefahren werden, entstehen drei Schulen zugleich: eine Grundschule, eine Stadtteilschule und ein Gymnasium.
Drei neue Schulen für Hamburg: Gymnasium startet nach den Sommerferien
Während die Stadtteilschule in einigen Jahren noch einmal umziehen wird, werden Gymnasium und Grundschule hierbleiben. Die völlig überbuchte Grundschule Schnuckendrift am Naturschutzgebiet „Fischbeker Heide“ nutzt alte Gebäude der katholischen Schule schon jetzt. In einigen Jahren soll aus der Zweigstelle eine eigene Schule erwachsen.
Die „Stadtteilschule in den Reethen“ und das „Gymnasium Neugraben“ nehmen ihren Betrieb nach den Sommerferien auf. Das Abendblatt sprach mit der Gründungschulleiterin des Gymnasiums, Liane Koch-Wießner und ihrem kommissarischen Stellvertreter Marco Müller.
Schwerpunkt im Unterrichtsplan: Kreative Lösungen für komplexe Probleme finden
„Das neue Gymnasium startet mit den Schwerpunkten der kulturellen und ästhetischen Bildung“, sagt Liane Koch-Wießner, die in ihrer früheren Laufbahn bereits Erfahrungen in der Region, am Gymnasium Süderelbe sammeln konnte. Das würde nicht heißen, dass man den Hamburger Lehrplan ignoriere.
„Das Gymnasium Neugraben bereitet die Schülerinnen und Schüler auf Grundlage der Hamburger Bildungspläne auf das Abitur vor. Dabei setzen wir die Methodik und Didaktik der ästhetischen Fächer auch in allen anderen Fächern ein. Wir wecken die Potenziale der Schülerinnen und Schüler. Die Menschen des 22. Jahrhunderts werden in einem großen Maße von technologischem Fortschritt und künstlicher Intelligenz profitieren. Was das Mensch-Sein dann noch ausmacht, ist die Fähigkeit, das Große und Ganze zu sehen, kreative Lösungen für komplexe Probleme zu finden und sie in interdisziplinären Teams umzusetzen.“
So etwas könne man gut in einem Orchester oder Theaterensemble lernen und dann auf Labor oder Rechenpapier übertragen. „An dieser Schule wird es sehr stark darum gehen, die eigene Kreativität der Schülerinnen und Schüler in allen Bereichen zu fördern“, sagt der kommissarische stellvertretende Schulleiter Marco Müller, „und das beginnt schon bei der Architektur. Außer den Klassenräumen wird es viele verschiedene andere Lernzonen geben, mal offen, mal abgetrennt von anderen, in denen Gruppen autark Aufgaben erledigen können.“
„Hamburger Klassenhaus“ in Modulbauweise: Das Gymnasium erhält die größte Version
Diese Architektur wird nach und nach entstehen. Jetzt gerade werden die drei barackenartigen, eingeschossigen Querbauten vom Schulgelände entfernt. An ihrer Stelle entsteht ein doppeltes „Hamburger Klassenhaus“ in Modulbauweise. Das Gymnasium erhält die größte Version mit zwei zusammenhängenden Gebäudekörpern à 1800 Quadratmeter. Bis zum Sommer soll der Bau fertig sein.
Nach den Ferien fangen dann bis zu vier 5. Klassen hier an. „Wir wissen noch nicht, was die Anmelderunde bringt“, sagt Liane Koch-Wießner, „aber das Interesse bei unseren Tagen der offenen Tür war groß, und bis zu vier Klassen können wir aufnehmen.“
Eine weitere Besonderheit des neuen Gymnasiums: Schüler können hier ab der 7. Klasse als dritte Fremdsprache Polnisch lernen. „Es ist eine der meistgesprochenen EU-Sprachen in dieser Region“, sagt Liane Koch-Wießner, „und wir führen damit eine Standort-Tradition fort: Polnisch gab es auch an der katholischen Schule.“
Stadtteilschule in den Reethen wird „Untermieter“ des Gymnasiums Neugraben
Dass der Anmeldedruck groß ist, sieht man am benachbarten Gymnasium Süderelbe: Am bislang einzigen Gymnasium einer Region mit 70.000 Einwohnern haben sich im vergangenen Schuljahr rekordverdächtige 196 Fünftklässler angemeldet.
Vier Klassen in einem zweimal 1800 Quadratmeter großen Gebäude? Nicht allein, denn in den ersten Jahren wird noch eine dritte Schule parallel zu Grundschule und Gymnasium eröffnen: die „Stadtteilschule in den Reethen“. Die ist, wie der Name verrät, im Neubaugebiet Fischbeker Reethen geplant, nur dass es das noch gar nicht gibt. Den Bedarf an einer Schule gibt es allerdings schon, denn Neugraben-Fischbek ist ein junger Stadtteil mit bereits bestehenden Neubaugebieten, in die vor allem Familien gezogen sind. Bis 2028 soll die Stadtteilschule gemeinsam mit dem Gymnasium größer werden.
Architekten entwerfen Individualbauten nach Wünschen der Schulleitungen
In der Zwischenzeit entstehen auf dem Gelände weitere Gebäude, und auch die zweistöckigen Beton-und-Klinker-Bauten der alten katholischen Schule verschwinden. Zwei große Neubauten werden errichtet. Einer für die Grundschule und einer für das Gymnasium.
Statt der standardisierten Hamburger Klassenhäuser werden es Individualbauten, von Architekten nach Wünschen der Schullbehörde auf die Bedarfe der jeweilgen Schulen nach Maß entworfen sind. Der Individualbau der Grundschule liegt zum Scheideholzweg hin, der des Gymnasiums zur Cuxhavener Straße. „Dort werden sich unsere Mensa, eine Mehrzweckhalle, die Fachräume, Lernräume für die Oberstufe sowie eine große Sporthalle finden“, sagt Marco Müller.
Das schönste Gebäude der Schule gehört den Kindern
Von der alten Schule bleibt lediglich der älteste Bau stehen. „Viele Anwohner gehen davon aus, dass wir als Schulleitung in das Gebäude gehen werden“, sagt Liane Koch-Wießner. „aber das schönste Gebäude der Schule geben wir natürlich den Kindern. Hier werden Räume für den Schülerrat und hoffentlich eine Schülerzeitung entstehen, sowie Ateliers.“
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Ebenfalls stehen bleiben werden die meisten alten Bäume auf dem Schulgelände. „Nur das Buschwerk wird stark beschnitten“, sagt Liane Koch-Wießner, „es nimmt zu viel Licht vom Schulhof und stört die Sicht. Den Schulhof werden sich unsere Schüler und die Grundschüler teilen. Vielfalt und Rücksicht gehören zum sozialen Lernen.“
Liane Koch-Wießner und Marco Möller sind gespannt auf den Herbst. „Auch für unsere Schüler wird das spannend und herausfordernd“, sagt die Schulleiterin. „An bestehenden Gymnasien gibt es immer schon Strukturen, an denen sich die Neulinge orientieren und in denen sie wachsen können. Hier sind unsere ersten Fünftklässler in allem Pioniere, so etwa bei der Gründung des Schülerrats. Und dennoch werden wir dieses Gremium gleichzeitig fordern und ernst nehmen. Wir freuen uns auf den Start!“