Harburg. Der Bio-Wochenmarkt am Rathaus ist winzig, Bioläden kämpfen ums Überleben. Liegt es am Geld? Betreiber versuchen es mit neuen Ideen.
Die Preise für Lebensmittel steigen, dass merken auch die Verbraucher von Biolebensmitteln. Zwar fällt der Preisanstieg bei Öko-Frischeprodukten mit 6,1 Prozent etwas geringer aus als auf dem herkömmlichen Lebensmittelmarkt, bei denen die Preise 2023 laut einer aktuellen GfK-Studie um 10,7 Prozent gestiegen sind, dennoch haftet Bio immer noch das Image an, teurer zu sein als konventionell produzierte Lebensmittel. Dennoch setzten, trotz des Kaufkraftverlustes, viele Menschen weiter auf biologisch produzierte und regionale Lebensmittel. Der Gesamtumsatz an Öko-Lebensmitteln sei laut einer Marktstudie des Bauernverbandes von 2022 auf 2023 um eine Milliarde auf 16 Milliarden gestiegen. Für 2024 rechnet der Bauernverband weiter mit einem Wachstum in dem Marktsegment, denn alle großen Einzelhandelsketten profilieren sich zunehmend im Biobereich, teils mit kostengünstigen Eigenmarken.
Bioläden in Harburgn leiden besonders unter der Preissteigerung. Kundschaft wird kleiner
Zahlreiche Bio- und Reformhausläden sind auch in Harburg mittlerweile verschwunden. Den übrigen Bioläden geht es nicht gut, sie haben zunehmend Probleme sich gegen die Discounter zu behaupten. „Bei uns um die Ecke ist gleich ein großer Supermarkt, viele Kunden glauben dort günstiger einzukaufen als bei uns Bio-Spezialisten. Das stimmt aber nicht, wir halten jeden Preis mit“, sagt Maryam Mohemkar die seit anderthalb Jahren mit ihrem Mann Majid Faramarzi den kleinen Bioladen Bio Specials & Kaffee in der Eißendorfer Straße betreibt. „Wir leben aktuell vor allem von Stammkunden die schon bei den Vorbesitzern ihr Bio-Obst und Gemüse sowie regionales Fleisch gekauft haben“, so Majid Faramarzi, „die erledigen ihren Wocheneinkauf bei uns und kommen gerne und regelmäßig.
Was fehlt ist die Laufkundschaft.“ Seit einigen Tagen geht der kleine Bioladen in Eißendorf neue Wege und versucht mit einem DHL-Paketshop neue Kunden in den Laden zu bekommen. „Bei uns gibt es den Becher Bio-Kaffee noch für einen Euro, „to go“ oder zum Genießen im Laden. Wir sind besonders stolz auf unseren Kaffee und die Bio-Backwaren von Baade“, so der versierte Lebensmittelhändler.
Harburg ist eben nicht Eppendorf, heißt es von den Betreibern der Bioläden
„Ich glaube es liegt am Geld. Man kann Harburg eben nicht mit Eppendorf vergleichen,“ sagt eine Kundin der Bio-Insel in der Julius-Ludowig-Straße. Seit 41 Jahren werden im dienstältesten Bioladen Hamburgs regionale und biologische Produkte angeboten. Und das mit viel Idealismus, denn auch hier klagt der Eigentümer, „Geld kann man mit Bio-Produkten leider nicht verdienen, aber es reicht, um nicht draufzuzahlen.“ Der klamme Geldbeutel und die gestiegenen Preise merkt man auch bei dieser Bio-Institution. „Die Kunden kommen immer noch, aber sie kaufen weniger als vorher“, so die Verkäuferin am Tresen. „Die Leute haben einfach Zukunftsangst, was man auch im Einkaufverhalten merkt – der Begriff „German-Angst“ trifft es ganz gut“, so der Eigentümer, der seinen Namen nicht lesen möchte, „wir sprechen mit unseren Produkten ein besonderes Publikum an, wie etwa Lehrer und Professoren, die noch in Harburg wohnen und ein besseres Einkommen haben,“ ergänzt er.
Internationale Studenten verstehen nicht, dass Deutsche zuerst am Essen sparen
Er habe gerade mit internationalen Studierenden gesprochen, die ebenfalls zur Kundschaft gehören, die verstehen gar nicht, dass die Deutschen zuallererst bei der Qualität der Lebensmittel sparen. Dies wäre in Frankreich und Spanien undenkbar.
Er könne durchhalten, hoffe allerding, dass sich die Einstellung der Menschen bald zugunsten von regionalen, hochwertigen und biologischen Lebensmittel ändere. „Naturkost ist mittlerweile Kulturgut dies gelte es zu erhalten“, so der Bioladenbetreiber. „Die meisten Menschen haben eine Schere im Kopf, die sich öffnet zwischen Geldbeutel und ökologischen Lebensmitteln. Wir würden viel für die Öko-Bilanz tun, wenn die Menschen die Dinge des täglichen Bedarfs wie Eier, Milch, Butter und Käse in Läden wie dem unserem kaufen würden“, sagt er abschließend.
Kleiner Markt – wenig Vielfalt, aber große und vor allem treue Kundschaft
Jeden Mittwoch von 15-18 Uhr öffnet der Harburger Bio-Wochenmarkt auf dem Harburger Rathausmarkt seine lediglich zwei Verkaufswagen. Nur ein Schlachter und ein Bio-Bäcker gehören zum festen Ensemble des Biomarktes, doch die haben ihre feste Fangemeinde. Ein Käsehändler und ein Gemüsehändler haben bereits vor Jahren aufgegeben. Am vergangenen Markttag haben wir uns umgeschaut und nachgefragt, was den Biomarkt attraktiver machen würde. Doch zu unserer Überraschung wird hier nicht gemeckert.
„Wir sind ja schon seit mehr als 20 Jahren in Harburg und haben uns am Mittwochnachmittag etabliert“, sagt Verkäufer Roger von der Bio Fleischerei Fricke. „Ein Gemüsehändler wäre schon ganz gut, aber wir haben Verständnis dafür, dass es sich auf Grund der kurzen Marktzeit von lediglich drei Stunden nicht lohnt einen Gemüsestand aufzubauen“, sagt Roger der schon seit 2009 immer am Mittwochnachmittag nach Harburg kommt. „Vormittags sind wir in Blankenese, da gibt es noch einige weitere Bio-Stände, aber nur wir und der Bäcker kommen nach Harburg.“ „Wir haben im Umland zahlreiche Hofläden, da wird man bestens mit Bio-Obst und Gemüse versorgt. Aber mein Fleisch und die Wurst kaufe ich immer hier auf dem Marktplatz“, sagt Ulrich Seck aus Harburg, überzeugt von der Qualität.
Der Rathausplatz habe viele Vorteile, der Platz ist belebter als der Sand
„Wir wurden ja von der Polizei vom Sand wieder auf den Rathausplatz vertrieben“, scherzt Harry Hahn, der für die Bäckerei Effenberger die Bio-Bäckerei betreibt, „wir sollen eine Gefahr für den parkenden Verkehr gewesen sein. Der Käsestand, der auch schon auf dem Wochenmarkt steht und zum Biomarkt am Nachmittag öffnete, wollte nicht mit umziehen“, so Hahn. Der Rathausplatz habe viele Vorteile, der Platz ist belebter als der Sand und es gebe mehr Laufkundschaft. Das die Menschen weniger ausgeben, das Merken auch die beiden Händler auf dem Platz.
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Aber das ist ein gemeingesellschaftliches Problem, „die Leute halten ihr Geld aktuell zusammen“, so Hahn. „Wir sind glücklich in Harburg, aber eine bessere Beleuchtung wäre wünschenswert, im Winter ist es wirklich um 17 Uhr stockfinster auf dem Platz“, so der Bäcker. Außerdem so bedauern die beiden Händler, würde er Markt im Winter oft vom Bezirk vergessen. Die Kunden müssten über eine spiegelglatte Fläche zu den Marktständen schliddern, dass seien nicht die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Markttag.