Harburg. Seit 35 Jahren gibt es die „Bioinsel“ in Harburg – geboten wird mehr als nur Lebensmittel. Wie wäre es zum Beipiel mit einer Tasse Tee?
Regionales Gemüse, Käse, Brot, Kaffee- und Teespezialitäten: In dem kleinen, unscheinbaren Geschäft ganz in der Nähe des Harburger Rathauses reihen sich die erstaunlichsten Köstlichkeiten aneinander. Alle Produkte in der „Bioinsel“ werden ökologisch hergestellt und viele direkt von regionalen Betrieben angeliefert. Das allein ist heute in Zeiten von Bio-Supermärkten nicht einmal ungewöhnlich. Als die Bioinsel erstmals öffnete, war es das schon. Das Geschäft in der Julius-Ludowieg-Straße gibt es inzwischen seit 35 Jahren. Die Bioinsel ist damit Hamburgs ältester bestehender Bioladen.
„Persönliches Engagement ermöglicht den Erhalt der Bioinsel“, sagt Inhaber Thomas Jörck, der den Laden seit elf Jahren betreibt. Er begrüßt viele Kunden namentlich und lädt jeden zu einer Tasse Tee ein. In einer kleinen Sitzecke können sie sich vor dem Einkauf entspannen und ein Stück Kuchen essen. Die Kunden schätzen offenbar die gemütliche Atmosphäre der Bioinsel: 500 bis 600 besuchen den Laden jede Woche, 9o Prozent davon sind Stammkunden.
Zum ersten Mal betritt das Ehepaar Kinzel-Katzorreck das Geschäft. Bärbel Kinzel steht beim Gemüse und fragt: „Wie kauft man hier ein?“ „Mit Vergnügen am Besten“, antwortet Jörck und reicht ihr eine Papiertüte für die Kartoffeln. Der Inhaber und Bernd Katzorreck vertiefen sich umgehend in ein Gespräch über ökologische Landwirtschaft. Nach dem Einkauf ist sich das Paar einig: In Zukunft möchten sie öfter Bio-Produkte kaufen und den Laden regelmäßig aufsuchen. „Es ist alles sehr liebevoll hier“, sagt Bärbel Kinzel zum Ende ihres ersten Besuchs.
Den Austausch mit den Kunden nimmt Thomas Jörck sehr ernst. Deshalb bietet er mehr als nur Ware an. So können Kunden an mehreren Abenden im Jahr mit Landwirten und Herstellern über ökologische Landwirtschaft diskutieren. Käufer fragten oft nach alternativen Möglichkeiten zu Plastik, also war „Verpackung“ das Thema der jüngsten Diskussionsrunde. Der nächste Abend im kommenden Winter widmet sich der Frage „Welches Bio wollen wir?“.
Thomas Jörck organisiert auch Ausflüge zu Bio-Bauernhöfen. Demnächst geht es zu einem Hof in Lenthförden, auf dem Milchkühe ihre Kälber selbst versorgen. Der Großteil der Milch geht also ins Kalb und nicht in die Molkerei. Dort werden die Kunden sehen, wie die Kühe behandelt werden, deren Milch im Kühlregal der Bioinsel steht.
Nicht nur die Milch wird regional eingekauft. Gemüse, Eier und Brot liefern der Hof Wörme und der Arpshof aus Wenzendorf. Diese regionale Qualität hat allerdings auch ihren Preis, an den sich mancher Kunde erst gewöhnen muss. „Die Lebensmittel sind frei von Pestiziden, gut für das Klima, die Artenvielfalt und auch für die eigene Gesundheit. Das kann man nicht so einfach kostengünstig umsetzen und gleichzeitig die Bauern fair bezahlen“, sagt Thomas Jörk. Er weiß, wovon er spricht. Bevor Jörck das Geschäft übernahm, war er selbst viele Jahre ökologischer Landwirt.
Die Bioinsel bietet insgesamt 3000 Produkte auf nur 95 Quadratmetern an. Lebensmittel, die nicht mehr für den Verkauf geeignet sind, gibt Thomas Jörck an das „Sofa-Café“ weiter. Das Café verarbeitet die gespendeten Lebensmittel zu veganen Gerichten, die gegen eine Spende im „Sofa-Café“ angeboten werden. Die restlichen unverkäuflichen Produkte legt er nach Ladenschluss in eine Kiste auf die Türschwelle. „Am nächsten Morgen ist meistens alles weg“, sagt er. Darüber hinaus ist Thomas Jörk auch noch mit der Initiative „foodsharing“ vernetzt, die sich gegen Lebensmittelverschwendung einsetzt.
Neben dem Inhaber kümmern sich zurzeit zwei Angestellte, zwei Auszubildende und drei Praktikanten um den Laden. Der 19-jährige Praktikant Mehari aus Eritrea arbeitet seit einer Woche in der Bioinsel. „Geschälte Hanfsamen“ ist sicherlich nicht nur für ihn ein Fremdwort, der noch mit der deutschen Sprache zu kämpfen hat. An der Kasse steht die ehemalige Floristin und jetzige Praktikantin Martina Becker. Sie kam im Zuge eines Programms vom „Beruflichen Trainingszentrum“ (BTZ) zur beruflichen Rehabilitation in die Insel.
„Solche Läden gibt es nicht mehr oft. Das Dinkelmehl wird selbst gemahlen und der Tee per Hand abgefüllt. Es ist schön zu sehen, wie die Kunden sich hier zusammen mit den Nachbarn nett hinsetzen und plaudern“, sagt sie über ihren Arbeitsplatz. Es geht eben nicht nur um Lebensmittel. Entspannung im Alltag, Integration und Engagement gehören ebenfalls zum Sortiment.