Seevetal/Harburg. 2023 war für die Baubranche ein Katastrophenjahr. Bauwelt-Chef Alexander Delmes beschreibt die aktuelle Lage – mit drastischen Worten.
- Bauen in Deutschland ist erheblich teurer geworden
- Darunter leiden nicht nur die Verbraucher – sondern die ganze Branche
- Die sinkende Nachfrage stellt dabei das größte Problem dar
„Im Oktober hatten wir im Vergleich zum Vorjahr einen Umsatzrückgang von 23 Prozent, im November um die 20 Prozent. Und 2024 wird voraussichtlich das schlimmste Jahr.“ Das sagt Alexander Delmes, einer von drei Geschäftsführern des Unternehmens Bauwelt Delmes Heitmann, angesichts der eingebrochenen Baukonjunktur. 2023 profitierte der große Harburger Baustoffhändler noch davon, dass der Innenausbau bei vielen Wohnungsbauprojekten nicht abgeschlossen ist.
„Die gestalterischen Gewerke, also der Einbau von Fenstern, Türen, Fliesen, Parkett und anderen Böden, sind noch nicht rückläufig. Aber 2024 sind die Gebäude allmählich fertiggestellt“, sagt Delmes, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt. Im kommenden Jahr werde es noch viel deutlicher werden, dass viele Bauprojekte ins Stocken geraten sind oder bereits genehmigte Projekte nicht begonnen werden. Auch die Baugenehmigungen seien rückläufig; aktuell um rund 40 Prozent.
Katastrophenjahr für die Baubranche: Bauwelt verzeichnet Umsatzrückgang von 12 Prozent
Über das gesamte Jahr 2023 habe sein Unternehmen einen Umsatzrückgang von zwölf Prozent zu verkraften, so Delmes. Während der 49-jährige Firmenchef und die gesamte Branche vor zwei Jahren noch mit Lieferengpässen zu kämpfen hatten und daraufhin die Lagerbestände aufstockten, kam 2022 neben steigenden Bau- und Energiekosten sowie höheren Energiestandards auch noch die Zinswende. Folge: Die Baukonjunktur erlahmte, die Immobilienbranche erlitt einen kräftigen Dämpfer. Die Nachfrage sank, die Lager waren voll.
Das hat sich inzwischen geändert: „Die Lagerbestände haben wir im Griff, die bauen wir seit etwa einem halben Jahr ab. Außerdem haben wir uns in den letzten drei Monaten von 20 Mitarbeitern gelöst“, so Delmes. Ein Teil von ihnen ging in den Vorruhestand. Aktuell arbeiten 430 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Hauptstandort an der Maldfeldstraße sowie an zehn weiteren Standorten in der Metropolregion Hamburg, darunter Buchholz, Winsen und Hollenstedt.
Bauwelt-Chef: „Spätestens nach dem Baustopp am Elbtower sind auch in Hamburg alle wach.“
Sowohl das Förderinstrumentarium für den Wohnungsbau und die Gebäudesanierung als auch die Bautätigkeit seien in Hamburg deutlich besser als in anderen Bundesländern, sagt Alexander Delmes. Die Stadt sei wirtschaftsstark, dort seien konjunkturelle Talfahrten meist nicht ganz so stark ausgeprägt. Daher sei sein Unternehmen in diesem Jahr weniger stark vom Umsatzrückgang betroffen als Wettbewerber; bei ihnen liege das Minus bei 15 bis 20 Prozent. „Aber spätestens nach dem Baustopp am Elbtower sind auch in Hamburg alle wach.“
Etwa 85 Prozent des Geschäfts macht gewerbliche Kundschaft aus, der Rest sind Privatleute. Anders als bei den Bauträgern sei die Nachfrage von Handwerkern nach wie vor stabil, sagt der Firmenchef. Sie sind nicht nur auf dem Bau beschäftigt, sondern reparieren und sanieren private und gewerbliche Gebäude.
- Harburg: 145 neue Wohnungen an der Bremer Straße
- Schandflecken und Leerstand: Wo es in Harburg aktuell hakt
- Hamburg überlässt dem Bezirk Harburg wichtige Straßen
Staatliche Förderung ist kompliziert und verwirrend
Delmes wünscht sich generell eine bessere staatliche Unterstützung zur Sanierung alter Häuser. Das betreffe auch Energieeinsparmaßnahmen. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Unterstützung: „Heute ist es hoch kompliziert, wie was gefördert wird. Die Bürger sind verunsichert, sie wissen nicht, was zu tun ist.“
Viele zögern, andere versuchen, sich mit Solarstromanlagen etwas unabhängiger vom Strompreis zu machen – „bei den PV-Anlagen haben wir ein großes Wachstum“. Um die Sanierung von privaten Häusern und Wohnungen zu beflügeln, bietet Bauwelt kostenlose Fachberatungen auch zu Fördermöglichkeiten an, veranstaltet Informationstage und vermisst sogar das Haus.
Bauwelt plant mit Eigentümer an digitalisiertem Haus
Delmes: „Wir kommen zu den Kunden und fertigen einen 3D-Scan vom gesamten Haus an. Dafür nehmen wir 199 Euro. An dem digitalisierten Modell können wir Fenster, Wände, Dächer und Fußböden ausmessen und den Kunden ein grobes Angebot machen, was vorgeschlagene Maßnahmen in etwa kosten würden. Wir bieten hier einen Markt der Möglichkeiten. Für die Umsetzung empfehlen wir Handwerksbetriebe.“
Dass die private Kundschaft nach dem Boom in der Corona-Zeit weiterhin Interesse daran hat, ins Haus oder in die Wohnung zu investieren, zeigen die Umsätze der Baumärkte. „Nach einem leichten Rückgang im ersten Halbjahr hat sich der Umsatz stabilisiert“, sagt Delmes, der neben dem Baustoffhandel auch die vier Obi-Märkte in Harburg, Neugraben, Buchholz und Winsen betreibt.
Hohe Baukosten: Holzbau ist preiswerter und nachhaltiger
Als Gegenmittel zu den gestiegenen Baupreisen wirbt der Baustoffhändler für den Holzbau. In der Fabrik vorgefertigte Massivholzwände, die mit passgenauen Fensteröffnungen, mit Bohrungen für Kabel und anderen Vorarbeiten auf die Baustelle geliefert werden, sparen Zeit und Fachkräfte, machen das Bauen im Vergleich zum Steinhaus deutlich preiswerter, betont der Unternehmer. Über den Daumen könne mit ihnen rund 1000 Euro pro gebautem Quadratmeter eingespart werden.
Ein zweiter Vorteil sei die Nachhaltigkeit des Werkstoffs Holz: „Die Elemente werden aus einfachem Schalungsholz gebaut. Sogar Borkenkäfer-Fichtenholz lässt sich verwenden.“ Und wer den Holzbau wähle, setze auch sonst auf nachhaltige Materialien wie Parkett oder Fliesen aus recyceltem Material, die in der Produktion 80 Prozent CO₂ einsparen.
Was Bauwelt-Chef Alexander Delmes für 2025 prophezeit
Für 2025 erwartet Delmes, dass sich die Lage bessert. Schon jetzt setzt er trotz aller Unwägbarkeiten ein positives Signal: Am 2. Januar eröffnet das Unternehmen Bauwelt Delmes Heitmann in Schwarzenbek seinen zwölften Standort. „Kurzfristige Investitionen haben wir verschoben, aber langfristige Investitionen wie diese stoppen wir nicht.“