Harburg. Rewe-Areal in Wilstorf, Karstadt-Gebäude, Neuländer Quarree: An vielen Ecken in Harburg geht es gerade nicht weiter. Ein Überblick.
An der Winsener Straße sind auf den 140 Metern zwischen den Hausnummern 32 und 42 die Lichter aus. Vor kurzem war hier noch reger Betrieb im Rewe-Supermarkt und vor einiger Zeit auch noch an der Aral-Tankstelle. Doch wann hier wieder Lichter angehen soll, ist unklar.
Eigentlich sollten hier demnächst dreihundert Wohnungen entstehen, dazu ein neuer Rewe-Markt, ein Discounter, ein Drogeriemarkt und einige kleine Geschäfte. Die Baugenehmigungen sind da, aber der Investor ist klamm. „Wilstorf 37“, wie das Projekt in der Bezirkspolitik heißt, reiht sich damit in eine Gruppe städtebaulicher Problembären ein, zu denen auch das Neuländer Quarree und der leerstehende Karstadt-Bau gehören.
Leerstand in Harburg: Investor beteuert, weiter in Wilstorf bauen zu wollen
Wie soll man damit umgehen? Wohnungen werden dringend benötigt, Vitalisierungsimpulse für zentrale Quartiere ebenfalls, und Brachen und Ruinen drücken auch in ihrer direkten Umgebung auf die Investitionslaune. Soll die Stadt lenkend eingreifen und auf die Einhaltung städtebaulicher Verträge bestehen oder gar ein Vorkaufsrecht geltend machen? So denken viele der Parteien in Harburg. Oder ist dies der genau falsche Weg? Das sagt die FDP. Ihrer Meinung nach schrecken staatliche Eingriffe Investoren ab.
Was Wilstorf 37 angeht, beteuert der Investor – die Revitalis AG – dort weiterhin bauen zu wollen: „Grundsätzlich wollen wir eine so große und für die Hansestadt Hamburg wie auch für uns bedeutsame Quartiersentwicklung realisieren“, lässt Revitalis-Vorstand Thomas Cromm über die Unternehmensberatung Falkensteg mitteilen. „Die Baugenehmigungen für beide Bauabschnitte liegen vor. Das ‚Ob‘ und der zeitliche Rahmen hängen nun aber vom Fortgang des laufenden Sanierungsverfahrens der Revitalis Real Estate AG ab.“
Wilstorf 37: In der Zwischenzeit explodierten die Baukosten
Die Revitalis hatte das Projekt Anfang 2023 vom Entwickler Schulte Hubbert übernommen, der es über zehn Jahre vorbereitet hatte, indem er Grundstücke zusammenkaufte, Pläne erstellen ließ und mit Politik und Verwaltung verhandelte. Beinahe hätte es bereits 2020 einen Baustart gegeben. Dann wäre das Projekt allerdings kleiner geworden als jetzt angedacht, weil damals noch mit großem Abstand um die Tankstelle herum geplant wurde. Als feststand, dass die Tankstelle aufgegeben wird, veränderten sich die Pläne. Statt 80 sollten nun 300 Wohnungen entstehen können.
2022 schloss die Tankstelle. Ihr Abbruch zog sich hin. In der Zwischenzeit explodierten die Baukosten: Rohstoffknappheit, Fachkräftemangel und hohe Nachfrage waren zunächst die Gründe. Dann wurden auch noch die Kredite teurer. Das verunsicherte zunächst die Branche, dann die Banken. Die Revitalis Real Estate ist längst nicht der einzige Immobilienkonzern in schwerem Fahrwasser.
Kurz nach Bekanntwerden der Revitalis-Insolvenz schloss der Rewe-Markt. Eigentlich war geplant, dass er erst schließt, wenn der neue gebaut ist. Allerdings wartete der Markt auch schon zehn Jahre auf die weitere Entwicklung und unterschied sich optisch schon deutlich von den anderen Filialen der Kette, die zwischenzeitlich neu gestaltet wurden.
Die Rewe-Pressestelle will die Frage ausdrücklich nicht beantworten
Zur Schließung vor einem Monat wurde eine Wiedereröffnung für 2025 versprochen. Wie das gehen soll, wenn derzeit das gesamte Bauprojekt infrage steht, will die .Rewe-Pressestelle ausdrücklich nicht beantworten.
Revitalis-Chef Cromm steht hingegen zu seiner Absicht zu bauen, wenn es irgend möglich ist. Ganz günstig wird das nicht: „Die Gesamtinvestitionskosten für das Quartier mit mehr als 300 Wohnungen, dem Rewe-Center, Drogeriemarkt, Gastronomie und Kita können zum heutigen Tag nur ungefähr beziffert werden; wir gehen von rund 150 Millionen Euro aus“, sagt er.
Die Bezirkspolitik beobachtet die Entwicklung aufmerksam. Eingriffsmöglichkeiten hat sie keine. „Auch, wenn der Bebauungsplan Wilstorf 37 eine Verpflichtung zum Wohnungsbau vorsieht, kann man den Investor nicht zwingen zu bauen, wenn er das nicht kann“, sagt Frank Richter (SPD), Vorsitzender des Stadtentwicklungssausschusses.
Die Linken bringen in die letzte 2023er-Sitzung der Bezirksversammlung am kommenden Dienstag einenAntrag ein, dass die Stadt häufiger Vorkaufsrechte gelten machen solle. „Private Investoren haben vor allem ihren eigenen Profit im Auge. Deshalb sind städtebaulich wichtige Flächen im Besitz der Stadt am besten aufgehoben“, sagt der Linken-Fraktionsvorsitzende Jörn Lohmann. „.Nur so können Grundstücksspekulationen sinnvoll verhindert werden.“
Vorkaufsrecht bei Karstadt: Preis wird vor Gericht verhandelt
Als Beispiel nennen die Linken unter anderem das Neuländer Quarree am Ostausgang des Binnenhafens. Auch hier sollten einige hundert Wohnungen entstehen. Eigentlich soll das Quartier längst fertig sein, aber es liegt seit Jahren brach. Auf der einen Straßenseite verfällt die alte Gummifabrik immer weiter, auf der anderen wuchert die Freifläche zu.
Zwar will die Stadt hier schon seit Jahren ein Vorkaufsrecht geltend machen, scheitert aber daran, dass nie das Grundstück verkauft wird, sondern nur die Firma, der es gerade gehört. „Das ist schon ärgerlich“, sagt auch Sozialdemokrat Frank Richter. „Wir brauchen Wohnungen, aber einige Investoren haben nicht die Absicht zu bauen, sondern lassen Grundstücke quasi in der Tresorschublade liegen, um damit zu spekulieren.“
Bei der Immobilie von Karstadt Harburg hat die Stadt Hamburg ihr Vorkaufsrecht ausgeübt
Im Fall der leerstehenden Karstadt-Immobilie hat die Freie und Hansestadt Hamburg ihr Vorkaufsrecht ausgeübt. Dagegen klagt der ausgestochene Investor allerdings. Dabei geht es um die Höhe des Kaufpreises.
Die FDP nimmt das zum Anlass, die Vorkaufspraxis zu kritisieren: „Das Verhalten des Senats und der Bezirksverwaltung fördert den Leerstand in Harburg sogar. Aus Angst, Immobilien unter Wert an die Stadt verkaufen zu müssen, dürften sich viele Eigentümer eher mit einem Leerstand abfinden, als zusätzliche Verluste zu riskieren“, sagt die FDP-Fraktionsvorsitzende Viktoria Ehlers. „Es ist für Harburg besser, nicht in privatwirtschaftliche Verkäufe einzugreifen. Das verhindert hohe Kosten für die Steuerzahler und sichert das Vertrauen in den Standort Harburg.“
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Frank Richter findet diese Gedanken absurd: „Dafür, was passiert, wenn man Immobilien dem freien Spiel der Investoren überlässt, sehen wir am Neuländer Quarree oder auch am Gelände der Hamburg Freudenberger. Entwicklung findet dort nicht statt“, sagt er. „Wir müssen verhindern, dass wir noch mehr solcher Flächen bekommen. Deshalb werden wir als Koalition den FDP-Antrag ablehnen.“