Harburg. Rückübertragung des Projekts an Adler Group gestoppt. Fabrikensemble der New-York Hamburger ist ebenso betroffen.

Die Baufläche des Projekts Neuländer Quarree zwischen dem Östlichen Bahnhofskanal, der Hannoverschen und Neuländer Straße verwandelt sich immer mehr zur eingezäunten Wildnis. An der Straßenseite gegenüber verfallen die denkmalgeschützten Fabrikgebäude der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie. Auch sie sollten längst Teil eines Bauprojekts sein. Doch davon ist in absehbarer Zeit nicht auszugehen: Die finanziell angeschlagene Adler Group hat die seit Mai geplante Übernahme der Projekte von einer Luxemburger Fondsgesellschaft zunächst gestoppt: „Um die eigene Liquiditätsposition zu schonen, hat sich die Adler Group entschieden, die Rückabwicklung des Verkaufs bis auf Weiteres auszusetzen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage des Abendblatts mit.

Damit bleiben die Projekte vorerst in der Hand von Partners Immobilien Capital Management. Die Fondsgesellschaft wurde im Mai 2020 auf der Kanalinsel Guernsey gegründet. Inzwischen hat sie ihren Sitz in Luxemburg. Wie auch die Adler Group. Anlass der Fondsgründung war der Kauf eines Pakets aus sieben Immobilienprojekten, darunter die beiden Harburger. Sie waren damals in der Hand von Consus Real Estate, einer Tochter der Adler Group. Im Mai 2022 hatten die beiden Vertragspartner vereinbart, den Immobilien-Deal rückabzuwickeln. Denn bis zum Jahresende 2021 waren noch immer 60 Prozent der Kaufsumme offen. Anfang September wurde wiederum die Rückabwicklung gestoppt.

Adler Group schweigt zum Stand der Projekte

Zukunftsmusik: Der Siegerentwurf eines Kapstädter Architekturbüros für einen Wohnblock, der zum Kanal ausgerichtet ist. 
Zukunftsmusik: Der Siegerentwurf eines Kapstädter Architekturbüros für einen Wohnblock, der zum Kanal ausgerichtet ist.  © SAOTA Architecture | SAOTA Architecture

„Die Immobilien befinden sich nicht im Eigentum der Adler Group beziehungsweise der Tochtergesellschaft Consus Real Estate. Wir können daher auch keine Auskünfte zu den Projekten und deren Status geben“, sagt Matteo Twerenbold, Chef der Unternehmenskommunikation bei Adler. Nach einem Bericht der „Immobilienzeitung“ hat der Aufsichtsratschef Stefan Kirsten auf einer Analystenkonferenz angekündigt, Adler werde die Projekte von Partners Immobilien übernehmen, sobald die Adler Group finanziell wieder in einer besseren Position sei.

Wann immer das der Fall sein mag. Auf den Harburger Prestige-Grundstücken herrscht weiterhin Stillstand. Das ist vor allem beim Projekt New-York Hamburger (NYH) ein Problem. Denn dort stehen die historischen Fabrikgebäude seit 2009 leer. Damals zog die NYH AG nach Lüneburg. Wie beim Neuländer Quarree wechselten auch hier mehrfach die Investoren. An den betagten Gebäuden nagt der Zahn der Zeit, viele Fensterscheiben sind eingeworfen, Innen- und Außenwände mit Farbe beschmiert oder bestenfalls mit Graffiti eines Straßenkünstlers versehen – es ist offensichtlich, dass hier der Verfall droht. Oder vielmehr schon stattfindet.

Werkschau der historischen Entwicklung der Industrie- und Backsteinarchitektur

Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich hier die NYH als erste deutsche Hartkautschukfabrik niedergelassen. „Die Anlage wurde schon 1866 bei einem Brand zerstört, danach aber wieder aufgebaut und über die Jahrzehnte immer weiter um neue Bauten ergänzt. Die letzten größeren baulichen Veränderungen fanden im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Das Ensemble ist somit heute eine Art Werkschau der historischen Entwicklung der Industrie- und Backsteinarchitektur“, schreibt der Museumsverein Hamburg.

Die Tatsache, dass die Hauptgebäude an der Neuländer Straße sowie im Eckbereich der Nartenstraße mit krebserregenden Nitrosaminen verseucht sind, erschwert die Einbindung der Denkmäler in eine moderne Bebauung. „Es ist vorgesehen, bei den hauptsächlich belasteten Gebäuden lediglich die Straßenfassaden zu erhalten und dahinter zu dieser Seite hin komplett geschlossene neue Gebäude zu errichten“, so das Denkmalschutzamt. „Die Kammfabrik und das Kesselhaus weisen nach heutigem Kenntnisstand deutlich geringere Belastungen auf. Demzufolge gehen wir gegenwärtig davon aus, dass hier mehr Substanz erhalten werden kann.“ Eine denkmalgerechte Instandsetzung sei notwendig, derzeit bestehe aber für alle Gebäude keine akute Gefahr.

Eigentümer sind zum Erhalt verpflichtet

Die Eigentümer seien gesetzlich dazu verpflichtet, die für den Erhalt des Denkmals notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sagt Marianne Kurzer, Sprecherin der Kulturbehörde. „Tun sie dies nicht, bietet das Denkmalschutzgesetz die Möglichkeit, Eigentümer dazu zu verpflichten und dies rechtlich durchzusetzen (Sicherungsverfügung), wenn für den Erhalt des Gebäudes akute Gefahr besteht.“ Das gelte auch für Unternehmen mit Sitz in Luxemburg – „der Wohnsitz der Eigentümer ist dafür irrelevant.“

In der Nachbarschaft entwickelt sich die Brachfläche des Projekts Neuländer Quarree allmählich zu einem Wäldchen. Das missfällt auch der Harburger Politik. Regelmäßig wird das geplante Prestige-Projekt Thema der Bezirksversammlung. Zuletzt im Mai dieses Jahres. Damals scheiterte ein Antrag der CDU an der rot-grünen Mehrheit. Die Christdemokraten forderten darin die Bezirksverwaltung auf, sich zusammen mit den Hamburger Fachbehörden darum zu bemühen, die Flächen „für die öffentliche Hand zu erwerben und dann einer planungsgemäßen Bebauung zuzuführen“.

Sollten die beiden Harburger Objekte auf dem freien Markt angeboten werden, so sei deren Ankauf seitens des LIG (Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen) zumindest derzeit nicht geplant, heißt es aus der Finanzbehörde. Ein Vorkaufsrecht der Stadt besteht bereits. Allerdings hat die Sache einen Haken: Werden nicht die Grundstücke, sondern die jeweiligen Projektgesellschaften veräußert (Share Deals), dann kann die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht geltend machen.