Harburg. Das Gelände des Ex-Warenhauses wurde zuvor an einen Unbekannten veräußert. Wie und warum Finanzbehörde und Bezirk den Deal platzen ließen.
- Das bereits an einen unbekannten Käufer veräußerte Karstadt-Gelände in Harburg geht doch an die Stadt
- Bezirk will Kontrolle über Verbindung zwischen Harburger Binnenhafen und Innenstadt Harburg behalten
- Finanzsenator Dressel (SPD): „Einer Spekulation müssen wir soweit möglich einen Riegel vorschieben!“
Der zur Finanzbehörde gehörende Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) hat für das Gelände des ehemaligen Karstadt-Warenhauses in Harburg das Vorkaufsrecht ausgeübt. Damit ist der Weiterverkauf dieser Immobilie gestoppt, heißt es in einer aktuellen gemeinsamen Stellungnahme der Finanzbehörde, der Stadtentwicklungsbehörde und des Bezirksamts.
Das gut 7000 Quadratmeter große Grundstück war bereits im Juni überraschend an einen unbekannten Käufer aus Israel veräußert worden. Zuvor gab es mit Vertreterinnen und Vertretern des Eigentümers Gespräche zu möglichen Zwischen- und Nachnutzungen des Gebäudes. Die waren damit hinfällig. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts ist dieser Verkauf vom Juni nun nichtig.
Karstadt Harburg: Verkäufer und Kaufpreis bleiben vertraulich
Dadurch soll die geordnete Entwicklung des sogenannten „Schippsee-Quartiers“, zu dem auch das Karstadt-Areal gehört, sichergestellt und städtebauliche Fehlentwicklungen an der Schnittstelle zwischen Harburger Binnenhafen und Innenstadt Harburg unterbunden werden, heißt es in der Pressemitteilung.
Die Stadt hatte durch eine Verordnung zur Begründung eines besonderen Vorkaufsrechts die Möglichkeit eines bevorzugten Zugriffs auf Grundstücke geschaffen, um geplante städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen leichter durchführen zu können. Wer Verkäufer des Hauses ist, wer jetzt durch die Stadt nachträglich ausgebootet wurde und wie viel der Kauf die Stadt kostet, bleibt vertraulich.
Das Harburger Haus galt einst als profitabel – eine Melkkuh für Vermieter
Der letzte Besitzerwechsel des Gebäudes, von dem die Öffentlichkeit erfuhr, fand 2017 statt: Der israelische Rohstoff- und Immobilienhändler Beny Steinmetz verkaufte seine Karstadt-Immobilien – darunter auch das Harburger Haus – an die RFR Hokding. In den Jahren zuvor hatte Steinmetz gemeinsam mit Rene Benkos Signa-Holding in die Übernahme des Karstadt-Konzerns durch Signa investiert.
Als Steinmetz aus diesem Investment ausstieg, wurde er mit den 13 Immobilien ausgezahlt. Wenig später verkaufte er an RFR. Die RFR Holding wiederum arbeitete schon bei mehreren Projekten eng mit Signa zusammen. Alle 13 Häuser galten damals als mögliche Melkkühe für Vermieter, da sie allesamt gute Gewinne machten.
Alter Besitzer verhandelte mit Bezirksamt und fädelte gleichzeitig den Verkauf ein.
Nachdem klar war, dass Karstadt in Harburg geschlossen werden sollte, war es um diese Gewinne geschehen. Und noch während das Bezirksamt mit dem letzten Besitzer des Gebäudes Verhandlungen um eine Nachnutzung führte, fädelte dieser den Weiterverkauf ein. Am Tag der Schließung war der Deal längst besiegelt – und das Bezirksamt hatte zunächst das Nachsehen.
Allerdings nicht lange. „Das war der Moment, in dem wir uns an die Stadtentwicklungsbehörde und die Finanzbehörde wandten, um das Vorkaufsrechtsverfahren einzuleiten“, sagt Harburgs Bezirksamtsleiterin Sofie Fredenhagen. „Die Stadtentwicklungsbehörde war bei der Vorbereitung sehr kompetent und sehr hilfreich.“
Ansprechpartner? Nicht zu identifizieren!
Gleichzeitig versuchte das Bezirksamt auch, mit dem neuen Besitzer Kontakt aufzunehmen, fand dort aber keine Ansprechpartner und erhielt auf Schreiben keine Antworten.
Deshalb sei seine Behörde eingeschritten, teilt Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) mit. „Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch unseren LIG sichern wir uns den städtischen Zugriff auf dieses für Harburgs Zentrum und seine weitere Entwicklung bedeutende Gelände. Einer Spekulation müssen wir soweit möglich einen Riegel vorschieben!“
Dabei wurde schon das Zustellen des Vorkaufs-Beschlusses schwierig. Eine rechtskonforme Adresse des in Israel firmierenden Besitzers herauszufinden, dauerte lange, so Sophie Fredenhagen.
Grundstück spielt zentrale Rolle bei Neugestaltung der Harburger Innenstadt
„Kurzfristig bewahren wir Harburg vor Unsicherheit und Leerstand. Mittel- und langfristig spielt das Grundstück als Bindeglied zwischen dem Harburger Binnenhafen und dem neugestalteten Herbert-und-Greta-Wehner-Platz eine zentrale Rolle bei der Neugestaltung der Harburger Innenstadt – hin zu einem attraktiven, gemischten Quartier mit neuen Wohnungen, Gewerbe und Einzelhandel“, erklärt Karen Pein (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen.
Und weiter: „Überall dort, wo es städtebaulich sinnvoll und rechtlich möglich ist, sichern wir der Stadt wertvollen Grund und Boden. Nur so bleiben wir in Zukunft unabhängig von zuweilen falschen Interessen Dritter und können die städtebaulichen Ziele Hamburgs besser verwirklichen. Das Karstadt-Areal ist ein solches Schlüsselgrundstück!“.
Das Schippsee-Quartier steht schon länger im Fokus der Stadtteil-Entwickler. Hier soll ein Übergang zwischen Binnenhafen und Innenstadt stattfinden. Einst war eine breite Landschaftsbrücke geplant. Die ist mittlerweile wieder verworfen. Nun wird erneut nach Wegen gesucht, die Binnenhafen-Barrieren Bahngleise und Bundesstraße elegant und bequem zu queren. Auf der Innenstadtseite soll nach Willen der Harburger Bezirkspolitik ein Quartier mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen, das auf der Westseite der Harburger City einen attraktiven und gewichtigen Gegenpol zum übermächtigen Phoenix-Center im Osten bildet.
Für Nachnutzungen bietet das ehemalige Kaufhaus mehr Probleme als Lösungen
Nach Ideen dafür wird allerdings immer noch gesucht. Die Umgestaltung des Greta- und Herbert-Wehner-Platzes soll nur der Anfang sein. Das ehemalige Schuh-Kay-Gebäude, derzeit ein Geschäft für schicke Qualitätsmöbel nach orientalischem Geschmack, soll ebenfalls erneuert werden. Für die gesamte Innenstadt ist zum Monatsende ein zweitägiges Diskussionsforum, der „Innenstadtdialog“ geplant.
Auch, wie das Karstadt-Gebäude dazu beitragen kann, weiß noch niemand. Für alle Nutzungen, die kein Kaufhaus sind, bietet das Haus mehr Probleme, als Lösungen: wenig Tageslicht, kaum innere Erschließung und möglicherweise Problemstoffe in der Bausubstanz. Das dürfte auch bei Preisverhandlungen zwischen LIG und Besitzer eine Rolle spielen.
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Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen freut sich über den Ankauf: „Die geschlossene Haltung aller Beteiligten unterstreicht die Bedeutung der Fläche und die Notwendigkeit, hier ein Vorkaufsrecht auszuüben. Für die künftige Entwicklung der Harburger Innenstadt und des Schippsee-Quartiers ist diese Fläche essenziell. Es war und ist mir ein Anliegen, dass das Gebäude in Hinblick auf Nutzung und Gestaltung offen betrachtet wird, um für die Harburgerinnen und Harburger eine attraktive und für die Zukunft angepasste Innenstadt entstehen zu lassen.“
In der Harburger Bezirkspolitik fallen die Reaktionen positiv aus: „Das ist ein Glücksfall für die Stadtentwicklung Harburgs“, findet Frank Richter, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksversammlung und auch Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses. „In den vergangenen Wochen haben sich Politik und Verwaltung in intensiven Gesprächen um eine zukunftsträchtige Lösung bemüht. Das hat jetzt zu einem sehr guten Ergebnis für Harburg geführt.“
FDP kritisiert staatlichen Eingriff in Marktprozesse
Bianca Blomenkamp, Vorsitzende der Grünen-Fraktion Harburg ergänzt: „Wir begrüßen natürlich den Ankauf und freuen uns darauf, gemeinsam mit der Verwaltung in die Planung zu gehen. Wir möchten auch alle Bürger*innen dazu ermutigen, sich an der Entwicklung zu beteiligen.“
Doch es gibt auch Kritik, beispielsweise von der FDP, die Geschäfte gerne grundsätzlich dem Markt überlassen würde, auch wenn die traurige Karstadt-Ruine nicht gerade ein Erfolgsbeispiel für die Allgemeinwohlorientierung marktwirtschaftlichen Handelns ist.
„Teuer und ohne Plan – was nun genau mit dem Gebäude passieren soll, ist völlig unklar. Jeder Investor wird sich jetzt sehr gründlich überlegen, ob eine Investition in den Standort Harburg das Risiko wert ist“, sagt Viktoria Ehlers, Fraktionsvorsitzende der FDP in der Harburger Bezirksversammlung. „Besser wäre, die Stadt würde sich auf ihre Kernzuständigkeiten beschränken und für Sicherheit, Sauberkeit und attraktive öffentliche Bereiche zu sorgen. Ich würde mir wünschen, dass Finanzsenator Dressel in Zukunft nicht Monopoly mit Steuergeldern spielt.“