Harburg. Landgericht bestätigt Urteil gegen den Todesfahrer von Julia (20). Zwillingsschwester: „Habe schon lange keine Kraft mehr“
Im Zuge der Wiederaufnahme des Prozesses gegen den AMG-Raser von Finkenwerder bestätigt die Kleine Strafkammer des Landgerichtes Hamburg das ursprüngliche Urteil: Der Angeklagte muss wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis, die Strafe wird nicht zur Bewährung ausgesetzt. Die verhängte Freiheitsstrafe beträgt insgesamt ein Jahr und acht Monate. Zwei Monate davon gelten als bereits vollstreckt.
Julia K. verlor ihr Leben, ihre Zwillingsschwester und der Unfallfahrer wurden schwer verletzt
Ömer O. (29) hatte am 2. Weihnachtsfeiertag 2019 die Kontrolle über seinen hochmotorisierten Mercedes AMG verloren und war mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf der Ortsumgehung Finkenwerder ungebremst in einen Aufprallschutz an der Straße gekracht. Eine junge Frau (20) verlor ihr Leben, die Zwillingsschwester und der Unfallfahrer wurden schwer verletzt. Nun entschied das Landgericht über eine Berufungsklage, diese wurde abgewiesen und das Urteil des Amtsgerichts Harburg vom 11. Juli bestätigt.
Der Gerichtssaal 160 der kleinen Strafkammer des Landgerichtes Hamburg war auch beim Berufungsprozess gegen den als AMG-Raser von Finkenwerder bekanntgewordenen Ömer O. bis auf den letzten Platz gefüllt. Zahlreiche Angehörige und Freunde der Familie K. waren gekommen um Antonia K. (heute 24 Jahre alt) als Nebenklägerin zu unterstützen. Die Zwillingsschwester, der bei dem tödlichen Unfall verstorbenen Julia (✝20), saß bei dem schrecklichen Unfall mit im Fahrzeug und wurde schwer verletzt. Bis heute leidet sie körperlich wie psychisch unter den Folgen des Unfalls (wir berichteten mehrfach). „Ich habe schon lange keine Kraft mehr, aber ich mache es für Jule“, sagte die Nebenklägerin erst zu Beginn der Woche gegenüber dem Abendblatt.
Umfangreiche Aussage bleibt überlebendem Zwilling vor Gericht erspart
Nach einem verspäteten Beginn, der Verteidiger des Angeklagten steckte im Stau, verlas die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift in Auszügen. Erneut mussten die Anwesenden die schrecklichen Details der fahrlässigen Tötung durch die rücksichtslose Fahrweise des Angeklagten mit anhören, bei den Eltern von Julia kullerten erneut die Tränen. Zudem wurde der Bericht der zuständigen Verkehrsermittler der Polizei und des beauftragten Sachverständigen verlesen.
Erst danach kam, die damals als Beifahrerin im Mercedes sitzende Antonia (24), wieder in den Saal. Sie musste als Zeugin noch einmal die Erlebnisse des Unfalltages schildern, eine umfangreiche Aussage wie beim ersten Prozess blieb ihr aber erspart. Auf die Frage nach dem Verhältnis zu ihrer Schwester antwortet Antonia mit leiser, tränenerstickter Stimme – „eng, sehr eng.“
Im Anschluss an die kurze Beweisaufnahme, trafen alle Prozessbeteiligten die Absprache, dass lediglich über eine Strafe zur Bewährung geurteilt werden sollte. Das Amtsgericht Harburg hatte Mitte Juli dieses Jahres den Unfallfahrer Ömer O. zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und 8 Monaten ohne Bewährung verurteilt, davon galten bereits zwei Monate wegen der langen Verfahrensdauer als verbüßt. Außerdem wurde eine 24-monatige Führerscheinsperre gegen den 28-Jährigen ausgesprochen, diese wurde nicht mehr verhandelt.
Staatsanwaltschaft zog ihren Berufungsantrag absprachegemäß zurück
Nach der Verfahrensabsprache zog die Staatsanwaltschaft ihren Berufungsantrag zurück. Die Verteidigung des Angeklagten, der heute selbst schwieg, forderte lediglich noch eine Anpassung der Freiheitsstrafe zur Bewährung.
In seinem Plädoyer führte der Anwalt des Angeklagten an, dass die auf dem Rücksitz schlafende Julia Koßmann zwar nicht angeschnallt gewesen sei, aber das Gericht diese Tatsache nicht dem Angeklagten anlasten könne, da sie als erwachsene Frau eigenverantwortlich gehandelt habe. Außerdem würde Ömer O. echte Reue zeigen. „Der Angeklagte ist auch bereit, finanziellen Ausgleich zu schaffen,“ so der Anwalt. „5000 Euro habe er sich von seinen Eltern geliehen und würde sie sofort an Antonia übergeben.“ Der junge Mann wohne bei seinen Eltern in einem gesicherten sozialen Umfeld und letztlich hätte ihm seine 2021 begonnene Ausbildung die Gefährlichkeit des Rasens im Straßenverkehr verdeutlich, seither habe er seine Fahrweise angepasst.
Vorstrafen und die laufende Bewährungszeit des Angeklagten zum Unfallzeitpunkt
Die Vorstrafen und die laufende Bewährungszeit des Angeklagten zum Unfallzeitpunkt, würden darüber hinaus nicht ins Gewicht fallen, so die Auffassung der Verteidigung. Die Delikte wie Drogenhandel in nicht geringer Menge und Körperverletzung seien völlig andere Deliktfelder.
Staatsanwaltschaft und Nebenkläger folgten dieser Auffassung nicht. Sie blieben bei Ihrer Forderung das Urteil des Amtsgerichtes Harburg zu bestätigen, die Berufung abzuweisen und den Prozess endlich zu beenden.
Besondere Umstände, die Strafe zur Bewährung auszusetzen sind nicht gegeben
Nach kurzer Beratung ist das Urteil eindeutig: Die Berufung wird abgewiesen. Die zuständige Strafkammer des Landgerichts hält das Urteil des Amtsgerichtes Harburg für sehr ausgewogen und bleibt bei einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung von insgesamt 16 abzusitzenden Monaten. Zwar habe der Angeklagte eine positive Sozialprognose, „besondere Umstände die Strafe zur Bewährung auszusetzen sind nach Auffassung der Kammer aber nicht gegeben“, sagte der Vorsitzende Richter am Landgericht Dr. Engler, in der mündlichen Urteilsbegründung. Außerdem sei eine Veränderung des rücksichtslosen Fahrstils des Angeklagten, nach Ausbildungsbeginn, nicht zu erkennen.
Seit 2021 gäbe es zwei Ordnungswidrigkeitsverfahren im Verkehr, einmal wegen des Überfahrens einer Roten Ampel. „Es sei hier schlicht nicht verantwortbar gewesen, die Strafe auf Bewährung auszusetzen“, schließt der Richter den Prozess. Der Angeklagte habe allerdings noch die Möglichkeit in Revision zu gehen.
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Die Berufung von Ömer O. hat das Gericht als unbegründet verworfen. In seiner Urteilsbegründung erkannte der Richter zwar eine günstige Sozialprognose an, aber seine Reue sei nicht Tat und Schuld angemessen.