Harburg/Finkenwerder. Prozess geht nach fünf teils hochemotionalen Tagen zu Ende. Wie Angehörige und Freunde der getöteten 20-Jährigen das Urteil aufnahmen.
Es ist das Ende eines langen und schmerzvollen Verfahrens: Am 26. Dezember 2019 hatte Ömer O. mit seinem AMG-Mercedes einen tödlichen Unfall verursacht. Nun, dreieinhalb Jahre später steht fest: Der 28-Jährige aus Finkenwerder muss für 16 Monate ins Gefängnis – außerdem muss er mit sofortiger Wirkung für 24 Monate seinen Führerschein abgeben.
Der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Harburg sah es als erwiesen an, dass Ömer O. in den frühen Morgenstunden des zweiten Weihnachtstages 2019 mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit ungebremst in die Leitplanken einer Kurve auf der Finkenwerder Ortsumgehung raste. Dabei habe der Fahrer fahrlässig den Tod von Julia K. (†20) und die schwere Verletzung ihrer Zwillingsschwester Antonia K. (24) in Kauf genommen.
Urteil gegen AMG-Raser: Richter kritisiert die lange Verfahrensdauer
Auch der Unfallfahrer wurde bei dem Unfall schwer verletzt, kaum genesen setzte er sich wieder hinter das Steuer und raste weiter. Mit dem Urteil blieb der Richter unter der Forderung der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger – sie hatten zwei Jahre Freiheitsstrafe und ein Fahrverbot von drei Jahren gefordert.
Nach fünf teilweise hochemotionalen Verhandlungstagen ging in Harburg am Dienstagvormittag der Prozess um den tragischen Unfall zu Ende. Der Richter kritisierte zunächst die lange Verfahrensdauer – mit dreieinhalb Jahren hätten Antonia K., die Familienangehörigen und der Angeklagte unverhältnismäßig lange auf das Urteil warten müssen. Dies sei eine zusätzliche und unverhältnismäßige Belastung für alle Beteiligten.
Tödlicher Unfall Finkenwerder: Richter nimmt dem Angeklagten seine Reue ab
Daher müsse Ömer O. auch nur 16 Monate seiner 18-monatigen Freiheitsstrafe absitzen, zwei Monate werden ihm wegen der langen Wartezeit auf den Prozess erlassen. Denn anders als die meisten der zahlreichen Prozessbeobachter sah der Vorsitzende Richter eine aufrichtige Reue in den Einlassungen des Angeklagten.
Allerdings betonte er auch, dass der Raser aus dem Unfall offenbar nichts gelernt habe und weiter deutlich zu schnell fahre. Er sei für den technisch einwandfreien Zustand seines Autos als Halter verantwortlich – und durch die Kontrollleuchte im Cockpit gewarnt worden, dass nicht alle Fahrzeuginsassen angeschnallt waren. Er selbst habe das Sicherheitssystem des Gurtes am Fahrersitz bewusst umgangen.
Mit 100 Kilometern pro Stunde unterwegs, wo 50 km/h erlaubt sind
Nachdem die Fahrt unter Alkoholeinfluss nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, sei der Richter dennoch davon überzeugt, dass der Angeklagte am Unfallmorgen mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von mindestens 100 Kilometern pro Stunde – erlaubt waren 50 – unterwegs gewesen sei und die Unfallfolgen fahrlässig hingenommen habe.
Nachdem er von seinen Verletzungen genesen sei, fuhr er wieder deutlich zu schnell. Daher werde ihm mit sofortiger Wirkung der Führerschein für 24 Monate entzogen. Dieses Fahrverbot habe auch Bestand, wenn der Unfallfahrer weitere Rechtswege beschreitet, erklärte er.
AMG-Raser war zum Unfallzeitpunkt bereits erheblich vorbestraft
Es sei schlicht für das öffentliche Rechtsempfinden nicht darstellbar, wenn sich der Unfallfahrer jetzt wieder hinters Steuer setzen dürfe, begründete er seine Entscheidung für das sofortige Fahrverbot. Die Freiheitsstrafe ohne Bewährung habe O. erhalten, weil die fahrlässige Tötung und die fahrlässige Körperverletzung noch in seine Bewährungszeit fielen.
Ömer O. war zum Unfallzeitpunkt bereits erheblich vorbestraft. Dem Richter sei bewusst, dass sich Trauer und Schmerz nicht im Strafrecht wiederfinden. Er hoffe aber, dass alle Beteiligten nun mit dem Abschluss des Verfahrens etwas zur Ruhe kommen.
Freunde und Familienangehörige nehmen das Urteil unter Tränen auf
Rund ein Dutzend Familienangehörige und Freunde saßen im Zuschauerraum und nahmen das Urteil teilweise unter Tränen auf. Noch einmal schilderte der Richter den Unfalltag und den Hergang. Die Mutter der Zwillinge verdrückt bei den Schilderungen noch einmal Tränen.
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Auch Antonia K., die den Prozess als Nebenklägerin begleitete, wurde von ihren Gefühlen übermannt. Auf dem Gerichtsflur fiel sie nach dem Prozess in die Arme ihrer Freundinnen. Die Gefühle? Gemischt, wie ein Familienangehöriger nach der Urteilsverkündung erzählt. Man sei froh, jetzt endlich einen Abschluss zu finden.
Das Strafmaß sei aber am unteren Ende von dem, was man sich erhofft habe. Immerhin erkannte das Gericht auch die Schadensersatzansprüche von Antonia K. in großem Umfang an. Die Höhe muss allerdings in einem Zivilverfahren beziffert werden.