Bostelbek. Spekulationen machten schon länger die Runde. Nun bestätigt die Sozialbehörde die Pläne. Bezirkspolitik noch nicht informiert.
Gerüchte gab es schon länger: In dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Hansewerk Natur – einst HeinGas – in der Straße Am Radeland hinter den Gleisen der Unterelbe-Bahn sollen Geflüchtete untergebracht werden.
Jetzt bestätigte die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (BAGSFI) die Pläne gegenüber dem Abendblatt. Die Bezirkspolitik ist überrascht. Betroffen sein könnten auch Vereine, die das Gelände dahinter gepachtet haben.
Geflüchtete im Hamburger Süden: Neue Unterkunft in ehemaligem Gasbetrieb
Rund 140 Geflüchtete sollen ab Frühjahr 2024 in dem Gebäude untergebracht werden. „Das Gebäude Am Radeland wird zunächst für die Unterbringung hergerichtet werden. Im Übrigen sind exakte Planungsdetails noch nicht abgeschlossen“, schreibt Behördensprecher Wolfgang Arnhold. Es sei zudem die Nutzung der großen Fläche hinter dem ehemaligen Fernwärmebetrieb geplant. Dazu gebe es Absichtsbekundungen der zuständigen Behörden und dem wohl künftigen Betreiber Fördern & Wohnen.
Auf besagtem Gelände befindet sich unter anderem eine Freilichtbühne, die diverse Harburger Vereine in der Vergangenheit bei Musik-Wochenenden bespielten. Über diese verliert die Behörde kein Wort.
Neue Unterkunft in Bostelbek: Skepsis bei Anwohnern und Politik
In der unmittelbaren Nähe gibt es bereits seit Ende 2015 eine Unterkunft. Entgegen zuerst aus der Anwohnerschaft geäußerten Befürchtungen, ist diese unauffällig und gut in die Nachbarschaft integriert – was auch an der Nachbarschaft liegt: Die kleine Siedlergemeinschaft Bostelbek kümmert sich um die Geflüchteten in ihrem Quartier.
Die neuen Pläne sieht man allerdings skeptisch. Mit dem Verein „Open Arms“ wurden damals Willkommensstrukturen, auch in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Startup-Park „Tempowerk“ geschaffen. In der kleinen Eigenhaussiedlung leben nur rund 1000 Menschen, davon viele Familien mit kleinen Kindern. „Wir helfen wirklich gerne, aber irgendwann sind auch unsere Kapazitäten erschöpft“, sagt Jasmin Garlipp, Vorsitzende der Siedlergemeinschaft Am Radeland.
Der Harburger CDU-Vorsitzende zeigt sich empört
Die Politik zeigt sich überrascht von den Planungen. „Davon haben wir noch nichts gehört“, empört sich der Harburger CDU-Vorsitzende Uwe Schneider. „Wir lehnen weitere Unterkünfte zur Unterbringung geflüchteter Menschen im Bezirk gänzlich ab. Der Bezirk Harburg ist bereits jetzt an der Kapazitätsgrenze.“
Eine offizielle Anhörung der Bezirksversammlung zu der Unterkunft hat es noch nicht gegeben. Auch keine Anwohnerinformation. „Irgendwann im Sommer wurde mal mitgeteilt, dass die BAGSFI das Gebäude als Unterkunft in Betracht zieht“, sagt Peter Bartels (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses. „Aber von konkreten Umsetzungsplänen ist uns noch nichts bekannt. Die Situation ist allerdings auch so, dass man jede Möglichkeit nutzen muss, bevor Menschen auf der Straße schlafen müssen.“
Viktoria Ehlers, Fraktionsvorsitzende der FDP, bemängelt den Kommunikationsstil der BAGSFI. „Sozial-Staatsrätin Petra Lotzkat ist gefühlt alle drei Wochen in Ausschüssen der Bezirksversammlung, da hätte sie das mal erwähnen können“, sagt sie. „So wirbt man bei den Anwohnern weder Vertrauen noch Verständnis ein!“
Die Bostelbeker fürchten um Siedlungscharakter
In Bostelbek gibt es zudem Befürchtungen, dass sich der Charakter der Siedlung durch eine weitere Ansiedlung von Geflüchteten in der näheren Umgebung verändert. Außerdem, so befürchten es die Anwohner, könnte es sein, dass zwei große Mehrfamilienhäuser unterhalb der Autobahnbrücke der A7 an der Stader Straße reaktiviert würden. Dort seien bereits Umbauten im Gange, die Häuser wurden in der Vergangenheit schon einmal mit geflüchteten Personen belegt.
Eine nicht unbegründete Sorge. Im Intranet der Hamburger Behörden wird aktuell eine Unterkunftsleitung für die Stader Straße gesucht. Genauere Informationen gibt es dazu nicht. „Sollte an der Stader Straße neben der Autobahn eine weitere Einrichtung gebaut werden, hätten wir drei Unterkünfte auf nur einem Kilometer“, gibt Garlipp im Telefonat mit dem Abendblatt zu bedenken.
Stadt erwägt offenbar, Vorkaufsoption für Fläche am Tempowerk zu ziehen
Die seit acht Jahren bestehende Unterkunft im Dreieck zwischen dem Moorburger Bogen, Am Radeland und Bostelbeker Damm bleibt wohl länger bestehen als geplant. Wie das Abendblatt exklusiv erfuhr, gibt es offensichtlich Bestrebungen, das städtebauliche Vorkaufsrecht für das Grundstück zu nutzen.
Ursprünglich sollte ab 2024 auf dieser Fläche die Erweiterung des Tempowerk-Technologieparks entstehen. Eine entsprechende Absichtserklärung hatte man bereits 2015 mit geschäftsführendem Gesellschafter des Technologieparks Christoph Birkel getroffen. „Es gibt Gespräche“, bestätigt das Tempowerk. Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen wollte sich der Betreiber des Technologieparks aber noch nicht konkreter äußern.
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Eigentlich sollten nach einem 2019 vorgestellten Architektenentwurf auf dem etwa 30.000 Quadratmeter großen Grundstück vier Gewerbeimmobilien für weitere Unternehmensansiedlungen entstehen, die eine zentrale Plaza einrahmen. Das höchste Gebäude hätte nach dem Entwurf sieben Etagen gehabt, durch die Erweiterung sollten zusätzliche 700 bis 1000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.