Hamburg. Menschheit müsse sich auf Hitze, Dürre und Starkregen vorbereiten, fordern Klimaforscher. Einer macht einen radikalen Vorschlag.

Das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5-Grad-Ziel zu begrenzen, ist nicht mehr zu schaffen; infolgedessen könnte der Klimawandel „in großen Teilen ungebremst erfolgen“ – mit dieser Einschätzung haben sich Klimafachleute beim Extremwetterkongress in Hamburg an die Öffentlichkeit gewandt. Neben mehr Klimaschutz seien hierzulande und weltweit dringend größere Anstrengungen zur Anpassung an Hitze, Dürren und Starkregen nötig.

„Wenn wir uns jetzt mit aller Kraft auf die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels einstellen, kann Deutschland auch in 50 oder 100 Jahren ein Land sein, das den dann hier lebenden Menschen gute Lebensbedingungen bietet“, sagte Tobias Fuchs, Vorstandsmitglied beim Deutschen Wetterdienst.

Klima: Experten bei Extremwetterkongress in Hamburg – 1,5-Grad-Ziel gescheitert

Es werde nur noch mit enormen Anstrengungen möglich sein, die Erwärmung unter der 2-Grad-Grenze zu halten, sagte der Hamburger Klimaforscher Prof. Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie. Das Pariser Rahmenabkommen sei faktisch gescheitert. Aktuell sei die Menschheit eher auf dem Weg in eine 3-Grad-Welt bis zum Ende dieses Jahrhunderts.

„Der gesellschaftliche Wandel geht zu langsam vonstatten“, sagte Marotzke, womit er sich auf Verhaltensweisen und Maßnahmen bezog, die helfen, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zu reduzieren.

Frank Böttcher: „Alle Produkte teurer machen, die den Planeten zerstören“

„Wenn eine kleine Zahl von Idealisten ihren Lebensstil ändert, ist das wunderbar, aber es wird nicht reichen“, sagte der Meteorologe und Moderator Sven Plöger. „Es braucht also Ideen, um alle zum Mitmachen zu bewegen.“ Der Klimaschutz müsse ein „Jahrhundertgeschäft in einer auf dem sozialen und ökologischen Auge ertüchtigten Marktwirtschaft ohne Hyperkonsum werden“, sagte Plöger. „Hier ist die Politik aufgefordert, die dafür nach wie vor fehlenden Leitplanken endlich zu schaffen.“

Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft nannte einen Lösungsvorschlag: „Wir müssen alle Produkte teurer machen, die den Planeten zerstören“, sagte der Vorsitzende Frank Böttcher, der zugleich Veranstalter des Extremwetterkongresses ist. „Die Produkte, die den Planeten erhalten, müssen günstiger sein.“

Wetterdienst: Nie zuvor erreichten Hitze und Waldbrände ein Ausmaß wie 2023

„Nie zuvor haben Hitzerekorde und Waldbrände ein solches Ausmaß erreicht wie 2023“, heißt es in der Pressemitteilung zum Extremwetterkongress. Die erhöhten Wassertemperaturen im Mittelmeerraum hätten zu Rekordwerten bei der Verdunstung und den nachfolgenden Niederschlägen in Europa und Nordafrika geführt. „Durch die Zufälligkeiten im chaotischen System der Atmosphäre kam es in Deutschland nicht zu den extremen Hitze- und Dürrephasen, wie wir sie in Südeuropa erlebt haben.“ Aber dies wäre möglich gewesen.

„Die schrecklichen Bilder der Unwetterkatastrophen in Griechenland, Bulgarien, der Türkei und in Libyen haben wir alle noch vor Augen“, sagte DWD-Vorstandsmitglied Tobias Fuchs. „Die internationale Klimaforschung ist sich einig: Jede weitere Erderwärmung führt zu einer raschen Zunahme wetterbedingter Naturgefahren.“

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40,1 Grad in Hamburg – bundesweiter Rekord im Jahr 2022

Auch in Hamburg macht sich die Erwärmung längst bemerkbar. Dem „Klimareport Hamburg“ des DWD zufolge ist es bei uns seit 1881 im Mittel um etwa 1,7 Grad wärmer geworden; bis 2050 sei eine weitere Erwärmung um im Mittel 1,0 bis 1,4 Grad zu erwarten. Besonders gravierend ist die Entwicklung bei den Sommertagen (mindestens 25 Grad Höchsttemperatur): Deren Zahl stieg in Hamburg von durchschnittlich 21,2 Tagen pro Jahr im Zeitraum 1961 bis 1990 auf 31,6 Tage von 1991 bis 2020 – also um mehr als zehn Tage.

„Heiße Tage“ mit einer Höchsttemperatur von mindestens 30 Grad gab es in den Jahren 2018 und 2019 laut DWD insgesamt 31 – normal wären neun gewesen. Im August 2020 stieg die Temperatur in der Hansestadt sogar acht Tage in Folge auf über 30 Grad – so oft wie nie zuvor seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Die bundesweit höchste Temperatur des Jahres 2022 wurde in Hamburg gemessen: 40,1 Grad registrierte am 20. Juli die DWD-Station in Neuwiedenthal. (mit dpa)