Hamburg. Hamburgs beste Nachwuchshandwerker: Nicola Hoffmann ist gelernte Buchbinderin. Sie weiß: Azubis brauchen viel Geschick.

Der erste Kontakt mit Buchbinderei hatte sie durch kleine Geschenke ihrer Patentante, die das Handwerk gelernt hatte. „So bekam ich eine Vorstellung, wie vielfältig dieses Gewerk ist, auch wenn das eher unterbewusst war“, sagt Nicola Hoffmann. Damals hätte sich die junge Frau nicht träumen lassen, dass sie wenige Jahre später die drittbeste Buchbinderin im bundesweiten Leistungswettbewerb des Handwerks werden würde. Die Arbeit der Patentante war so interessant, dass Nicola Hoffmann ein Schulpraktikum in einer Buchbinderei absolvierte. „Ich konnte mich dort in vielen Bereichen ausprobieren. Mit Unterstützung konnte ich auch schon Bücher binden“, erinnert sich die 24-Jährige.

Azubis brauchen viel Geschick

Nach dem Abitur fand sie dann den Weg ins Handwerk und machte eine dreijährige Ausbildung in der Hamburger Buchbinderei Karen Begemann. Das lag zwar eher daran, dass sich Nicola Hoffmann noch unschlüssig war, was sie studieren sollte. „Aber ich hatte in der Schule Kurse mit Zeichnen und plastischem Gestalten und fühlte mich deshalb für eine handwerkliche Ausbildung gerüstet.“ Da lag es nahe, es mit einer Buchbinder-Lehre zu versuchen.

Nur ein Betrieb bildet Buchbinder aus

Karen Begemann ist derzeit die einzige Buchbinderin in Hamburg, die Lehrlinge ausbildet. Insgesamt gibt es in der Hansestadt noch etwa zehn solcher Betriebe in diesem Gewerk. Mit sieben Mitarbeitern gehört die Firma von Karen Begemann in der Karolinenstraße zu den großen in der Stadt. Gegenwärtig bildet sie zwei Lehrlinge aus. „80 Prozent der Bewerber haben Abitur“, sagt Begemann. „Bewerber müssen einen Sinn für Farben und Formen haben.“ Auch rechnen muss man können, um den Materialverbrauch exakt zu bestimmen. Fehlzuschnitte können teuer werden, denn Buchbinder arbeiten auch mit kostbarem Leder.

An die 20 Lehrlinge hat Begemann bisher ausgebildet. Manche sind inzwischen selbstständig. Einige haben auch schnell wieder aufgegeben. „Es gibt häufig falsche Vorstellungen über unseren Beruf“, sagt Begemann. „Manche denken, es geht in Richtung Kunsthandwerk und Selbstverwirklichung.“ Doch mehr noch seien Ausdauer, Geduld und Durchsetzungsvermögen gefragt. Buchbinderei ist auch körperlich anstrengend: Gearbeitet wird oft im Stehen, und manches Buch, das einen neuen Einband bekommt, hat ein ordentliches Gewicht.

„Die Arbeit ist sehr vielseitig“

Nicola Hoffmann hat nicht nur Bücher neu eingebunden. „Die Arbeit ist sehr vielseitig“, sagt sie. Deshalb wollte sie ihre Ausbildungszeit auch nicht verkürzen, was Abiturienten möglich ist, sondern möglichst viele Arbeitstechniken kennenlernen. Auch Speisekarten, Kassetten und Mappen hat sie gefertigt. Neben Schere, Leim und Pinsel gehört das Falzbein zu ihren wichtigsten Werkzeugen.

Mit dem messerähnlichen Universalwerkzeug aus Holz oder Kunststoff kann Papier oder Leder besonders einfach verarbeitet und geglättet werden. Mit einem Schärfmesser wird Leder ausgedünnt, um es vor allen in den Ecken leichter zu verarbeiten.

Das Gesellenstück von Nicola Hoffmann, mit dem sie auch am Bundeswettbewerb teilnahm, ist eine Lederkassette für Briefpapier. Sieben Stunden hatte sie dafür Zeit. „Die Kassette habe ich aus Karton hergestellt und anschließend mit Leder bezogen“, sagt Hoffmann. Die Arbeit mit Leder sei herausfordernd. „Es kommt vor allem auf die Passgenauigkeit an.“ Falzbein und Schärfmesser waren dafür ihre wichtigsten Werkzeuge.

Buchbinderei hat sich grundlegend gewandelt

Die Arbeit einer Buchbinderei hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Der Anteil traditioneller Bindearbeiten etwa von Fachzeitschriften für Rechtsanwälte und Steuerberater ist um 60 Prozent zurückgegangen. Denn vieles kann inzwischen in elektronischen Datenbanken nachgeschlagen werden. Gleichzeitig nehmen in Karen Begemanns Betrieb Aufträge von Werbe- und Produktionsagenturen zu.

„Wir haben uns bei vielen Arbeiten umgestellt, unser Handwerk hat nach wie vor Zukunft“, sagt die Chefin. „Auf uns kommen ganz neue Aufgaben zu, die früher eher ein Randgeschäft waren.“ So lassen Architektenbüros ihre Präsentationen binden. Auch Prospekte für luxuriöse Eigentumswohnungen werden von Buchbindern veredelt.

Gerade wurden für das Kreuzfahrtschiff „Europa 2“ kleine Schachteln für die Passagiere gefertigt. Mit Leder ummantelte Schubladen entstehen gegenwärtig in Zusammenarbeit mit dem Etui-Macher Ludwig für die Luxusmarke Hermès. „In den Filialen werden dann in die Schubladen die verschiedenen Ledermuster einsortiert“, sagt Begemann.

Zahl der Aufträge von Privatleuten wächst

Zugleich haben die Reparaturen von Büchern aus dem Besitz von Privatleuten zugenommen. „Vielfach sind das Erinnerungstücke wie etwa alte Fotoalben mit einem ideellen Wert, die erhalten werden sollen“, sagt Nicola Hoffmann. Besonders häufig müsse der Buchrücken erneuert werden.

In der Buchbinderei allerdings steht die ausgezeichnete Auszubildende nicht mehr. Sie hat im Herbst in Detmold ein Studium der Innenarchitektur begonnen. Was sie nach dem Abschluss genau machen wird, steht noch nicht fest. „Es soll auf jeden Fall eine Arbeit sein, bei der ich gestalten kann und wo Kreativität gefragt ist.“ Die Firmenchefin hat sich damit abgefunden, dass Abiturienten nach der Lehre oft andere Pläne haben. Dennoch hat sie zumeist Abiturienten als Azubis gehabt. „Eine Ausbildung im Handwerk zahlt sich immer aus“, sagt Begemann. „Es gibt viele Möglichkeiten, davon zu profitieren.“