Harburg. Eltern beklagen fehlende Angebote. Schließung des MidSommerland verschärft die Lage. Bad wird wohl ab Oktober saniert.

Schwimmen zu lernen, einst eine Selbstverständlichkeit für Kinder, ist längst zur Geduldsprobe für Eltern geworden – zumal in Harburg, wo die Badkapazitäten knapp sind. Eltern, die nicht warten wollen, bis ihre Kinder in der vierten Klasse den obligatorischen Schwimmunterricht über die Schule erhalten – dessen Zustandekommen zwar versprochen, aber nicht immer garantiert ist, müssen immer noch lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Und auch, wenn das Harburger MidSommerland in der Kritik steht, weil man dort keine anerkannten Schwimmprüfungen abnehmen kann, die über das „Seepferdchen“ hinausgehen: Die anstehende Schließung des Spaßbades für Sanierung und Ausbau wird sich auch auf die Schwimmausbildung auswirken.

346 von 474 Kinder haben 2022 die niedrigste Stufe des Schwimmzeugnisses erreicht

27 Seepferdchenkurse haben 2022 im MidSommerland stattgefunden und 28 im Hallenbad Süderelbe am Neugrabener Markt. Das schließt das Schulschwimmen nicht mit ein. 346 von 474 teilnehmenden Kindern haben so die niedrigste Stufe des Schwimmzeugnisses erreicht. Sicher schwimmen, so schätzt die DLRG, können sie damit noch nicht. Das ist laut DLRG erst ab dem Bronze-Abzeichen der Fall. Die Zahlen stammen aus der Antwort der Umweltbehörde auf eine Anfrage der Harburger SPD-Bezirksfraktion.

„Was daran erstaunt, ist, dass im Bad Süderelbe im Jahr 2023 erst vier Kurse stattgefunden haben“, sagt Holger Böhm, sportpolitischer Sprecher der Fraktion. „Entweder liegt hier ein Zählfehler vor, oder etwas im Argen! Ich werde da noch einmal nachhaken.“

Finkenwerder, Wilhelmsburg, Harburg, Neugraben: Der Bäderverbund der langen Wege

Ebenfalls erstaunlich: Allein für den September meldet die Bäderland GmbH vier Kursstarts in Neugraben – und in zweien dieser Kurse sogar noch freie Plätze. Das deckt sich nicht mit Beobachtungen von Eltern, die sich über sehr lange Wartezeiten beklagen.

Den Bezirk Harburg gibt es für die städtische Bäderland GmbH auch nicht: Sie sieht den „Bäderverbund Süd“, der auch noch die Inselparkhalle in Wilhelmsburg und das Bad in Finkenwerder – beide in Hamburg-Mitte- – einschließt, als eine große Einheit, die die Schwimm-und Badebedarfe südlich der Elbe abdeckten soll.

„Arme Kinder werden einer größeren Gefahr ausgesetzt.“

Holger Böhm kritisiert das: „Für Eltern, die nicht so engagiert sind oder die trotz allen Engagements schlicht nicht die Zeit aufwenden können, sind die Wege in eine andere Region des Hamburger Südens schlicht zu aufwendig und oft auch zu teuer“, sagt er. „Hier werden arme Kinder benachteiligt und letztendlich einer größeren Gefahr, zu ertrinken ausgesetzt.“

Der Weg zum Seepferdchen ist lang - und für Kinder in Harburg auch weit.
Der Weg zum Seepferdchen ist lang - und für Kinder in Harburg auch weit. © picture alliance / | Rolf Vennenbernd

Das sieht Juliane Eisele von der privaten Initiative „Yes We Swim!“ ähnlich: „Um die in vielen Lebensbereichen steigenden Kosten auszugleichen, greifen viele zu weiteren Jobs. Oft sind beide Elternteile voll beschäftigt, und die Kinder können nur am späteren Nachmittag, am frühen Abend oder am Wochenende an Schwimmkursen teilnehmen – Zeiten, die dann sehr schnell ausgebucht sind“, sagt sie.

Initiative bietet jetzt selbst Schwimmkurse

Ihre Initiative hatte sich einst gegründet, um ein lehr- und wettkampftaugliches Schwimmbecken in der Harburger Kernregion – mit 120.000 Menschen die bei weiten einwohnerstärkste der vier Regionen des Hamburger Südens – durchzusetzen. Dies ist gelungen: Wenn das Freizeitbad MidSommerland im Harburger Stadtpark ab Herbst saniert wird, wird es auch um ein 25-Meter-Becken erweitert. Statt sich auf den Lorbeeren auszuruhen, ist der Verein jetzt selbst in die Schwimmausbildung eingestiegen und bietet derzeit vier parallel laufende Kurse in Süderelbe und MidSommerland an.

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Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Unterricht für Kinder aus Geflüchtetenunterkünften, ein anderer bei Kindern mit stark beanspruchten Eltern. „Unsere Aufgabe ist es, genau zu den späten Zeitfenstern noch freie Bahnen in umliegenden Schwimmbädern ausfindig zu machen und diese anzumieten, woraufhin passende Schwimmkurse zur Anmeldung freigeschaltet werden – der Bedarf ist riesig!“

Mögliche MidSommerland-Schließung ab Oktober

Mit Sorge blickt sie deshalb auf den Herbst: Ab Oktober können die baulich unverzichtbare Sanierung und der zur Grundversorgung der Harburger notwendige Ausbau des MidSommerlands beginnen. Mindestens bis 2026 bleiben die Becken dann trocken. „Wir wollen versuchen, hier bis dahin noch zwei Kurse abzuschließen“, sagt die erfahrene Grundschul- und frisch gebackene Schwimmlehrerin. Auch die Bäderland überlegt, wie sie zwischen Schulstart und Sanierungsbeginn noch Kurse durchführen kann.

Danach sind für Harburger Eltern wieder Geduld und weite Wege gefragt. Und anders, als in der Vergangenheit sind auch die Kurse in den Gemeindebädern des niedersächsischen Umlands stark gebucht.