Hausbruch. Seit April ist der Aufzug am S-Bahnhof Neuwiedenthal gesperrt. Arbeiten dauern bis zum Herbst. Fortschritte: Nicht sichtbar.
Wer in Neuwiedenthal nicht gut zu Fuß ist, hat es derzeit schwer, aus dem Quartier wegzukommen: Der Aufzug im S-Bahnhof ist seit April gesperrt. Bis August hieß es zunächst. Bis September, sagt die Bahn jetzt.
Mittags am S-Bahnhof Neuwiedenthal. Der Zug aus Harburg ist eingefahren, die meisten Fahrgäste streben zum Westausgang. Einige wollen gleich noch in den Bus umsteigen, der vor dem Bahnhof schon wartet. Allerdings bleiben erst einmal alle an der Treppe stehen. Auf der Treppe: eine Familie mit vier Kindern, zwei davon in einer Zwillingskarre. Alle müssen mit anpacken, die Karre die Treppe hinauf zu befördern. Das geht nur quer. Für solche Fälle gibt es eigentlich einen Fahrstuhl am Bahnhof. Nur ist dieser seit dreieinhalb Monaten hinter einem Bauzaun versteckt.
Barrierefrei fahren geht nur mit unbequemen Umwegen
Norbert Schmidt aus Neu Wulmstorf benutzt den Bahnhof nur einmal pro Woche und auch die Treppen sind für ihn selbst kein Problem. „Aber ich betreue ehrenamtlich eine ältere Dame in einem Seniorenwohnheim am Rehrstieg“, sagt er. „Die kann seit Monaten nicht mehr S-Bahn fahren.“
Theoretisch ginge das schon: Vom S-Bahnhof Neuwiedenthal fahren drei Buslinien nach Neugraben. Dort kann man in die S-Bahn umsteigen. Bequem ist das nicht, zumal für bewegungseingeschränkte Personen. Der Neugrabener Kommunalpolitiker Holger Böhm (SPD) macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Dazu kommt ja, dass der Aufzug in Neugraben auch nicht immer zuverlässig funktioniert“, sagt er.
Hier wird mehr Höhentechnik benötigt, als anderswo
Allein in der Großwohnsiedlung Neuwiedenthal auf der Grenze zwischen den Stadtteilen Neugraben-Fischbek und Hausbruch leben knapp 13.000 Menschen. Weil die Wohnungen größtenteils Sozialwohnungen sind, ist der Anteil an Menschen mit Behinderung, alten Menschen, jungen Familien und großen Familien hier höher, als anderswo. Der Bedarf an „Höhentechnik“, wie Aufzüge und Rolltreppen im Bahnhofsbauerjargon heißen, ist damit größer.
Dass man in Neugraben umsteigen kann, muss ein Fahrgast auch erst einmal wissen. Einen Hinweis darauf gab es vor der Sperrung des Aufzuges, als die Maßnahme mit einem Schild an der Aufzugtür angekündigt wurde. Davor steht jetzt allerdings eine Spanplattenwand ohne Hinweis auf Neugraben. Eine Ansage im Zug gibt es auch nicht. Ahnungslose Eingeschränkte steigen hier aus, werden zur Bretterwand geleitet, sehen den Zug abfahren und müssen zehn Minuten auf den nächsten warten, denn eine der beiden Linien nach Neugraben ist auf dieser Strecke gerade ausgesetzt.
Ein Baufortschritt ist erst einmal nicht zu erkennen
Was die Anlieger am meisten ärgert, ist, dass sie keinen Fortschritt erkennen. „Ich sehe hier fast nie jemand arbeiten“, sagt Norbert Schmidt, und auch der Kiosk-Mitarbeiter, der die Baustelle täglich im Blick hat, zuckt auf die Frage ob er hier Bauarbeiter gesehen habe nur mit den Schultern: „Ich vermute, die arbeiten nachts“, sagt er.
Gesperrt ist der Aufzug deshalb so lange, weil er nach 15 Jahren Betrieb turnusgemäß ausgetauscht wird, sagt eine Bahnsprecherin. „Zunächst wird der alte Aufzug demontiert, ehe die Erneuerung der kompletten Technik erfolgen kann. Die Montage des neuen Fahrstuhls nimmt danach die meiste Zeit in Anspruch. Ehe die Aufzüge wieder in Betrieb genommen werden können, müssen sie diverse Abnahmeverfahren durchlaufen Der neue Aufzug wird nach allen vorgegebenen Abnahmen voraussichtlich im September wieder in Betrieb gehen.“
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Luschert man durch den Bauzaun auf der Bahnsteigebene, liest man an der Aufzugtür noch das Enddatum 22. August für die Arbeiten. Überhaupt lässt das Noch-Vorhandensein des Plakats an der Tür, sowie der Graffiti, der Kratzspuren und der Metall-Patina nicht gerade darauf schließen, dass hier schon etwas demontiert, geschweige denn ausgetauscht wurde.
Dass die alte Tür noch dort sei, täusche allerdings, schreibt die Bahnsprecherin auf Nachfrage, denn: „Der neue Aufzug wurde bereits am 10. Juli eingebaut. Nun erfolgt noch das Einbringen der Aufzugtür sowie die erforderlichen Arbeiten für eine Inbetriebnahme.“
Holger Böhm ärgert das trotzdem: „Es ist nicht das erste Mal, dass solche Aufzugarbeiten sich über Monate hinziehen“, sagt er. „Man kann doch nicht so vielen Menschen so lange die Barrierefreiheit verwehren! Da müssen die Prozesse bei der Bahn beschleunigt werden!“