Hausbruch. Das Projekt „Neuwiedenthal im Zentrum“ investiert in Menschen. Was das bedeutet, sagt Rixa Gohde-Ahrens von der Lawaetz-Stiftung.

Der Europäische Sozialfonds und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit fördern die Entwicklung von Handel und Dienstleistungen in der Großsiedlung Neuwiedenthal in einem Zeitraum von drei Jahren mit knapp 800.000 Euro. Die Projektleitung liegt beim Bezirksamt Harburg, Fachamt Sozialraummanagement. Es hat die Johann-Daniel-Lawaetz-Stiftung und den Verein Unternehmer ohne Grenzen mit der Durchführung beauftragt. Was haben am Ende die Bewohner des Quartiers von dem Projekt „Neuwiedenthal im Zentrum“? Das Abendblatt sprach mit Rixa Gohde-Ahrens von der Lawaetz-Stiftung.

Hamburger Abendblatt: Warum gilt die Siedlung Neuwiedenthal als so genanntes Quartier mit besonderem Entwicklungsbedarf?

Rixa Gohde-Ahrens: In Neuwiedenthal leben im Vergleich zum übrigen Hamburg überdurchschnittlich viele Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende oder Menschen, die älter als 65 Jahre sind. Sie haben schlechtere wirtschaftliche und gesundheitliche Voraussetzungen. Die soziale Teilhabe ist geringer. Das geht aus dem Sozialmonitoring hervor, ein Beobachtungssystem zur Stadtteilentwicklung.

Was wird getan, damit Neuwiedenthal zum übrigen Hamburg aufschließt?

Gohde-Ahrens: Die Siedlung ist seit Anfang 2013 Fördergebiet des Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung und auch Gebiet der Städtebauförderung auf Bundesebene. Der Förderzeitraum erstreckt sich bis Ende 2019. Die neue Skateranlage am Rehrstieg ist ein Ergebnis davon. Die Vermieter werden zum Beispiel bei der Neugestaltung des Wohnumfelds finanziell unterstützt, der Bezirk kann mehr für die öffentlichen Grünanlagen tun. Das sind lauter investive Geschichten. Aber der Bund hat erkannt, dass es zur Förderung der lokalen Ökonomie auch nicht-investiver Mittel bedarf.

Und das soll dem Projekt „Neuwiedenthal im Zentrum“ gelingen?

Gohde-Ahrens: Bildung, Wirtschaft und Arbeit sind die Handlungsfelder. Neuwiedenthal braucht ein starkes und lebendiges Zentrum. Unter anderem versuchen wir, in Neuwiedenthal ein Alleinstellungsmerkmal mit Angeboten für Senioren zu entwickeln. Wir wollen vorhandene Händler überzeugen, ihr Sortiment zu erweitern. Uhren mit besonders großen Zifferblättern oder Nähnadeln könnten Dinge sein, die ältere Menschen suchen aber nirgends mehr finden. Zwei bis drei Läden in der Rehrstieg Galleria stehen leer. Wir versuchen, Betriebe zu finden, die dort bedarfsgerecht hineinpassen würden. Ein Café oder ein Bistro, das nach 20 Uhr geöffnet bleibt, wären schön.

Können Sie Gewerbetreibenden Fördermittel anbieten, damit sie sich in Neuwiedenthal ansiedeln?

Gohde-Ahrens: Private können im Rahmen der Stadtteilentwicklung Fördermittel als Kofinanzierung bekommen, wenn die Förderfähigkeit gegeben ist. Dies muss im Einzelfall geprüft werden, wir beraten dazu im Stadtteilbüro.

Werden sie Menschen in Arbeit bringen können?

Gohde-Ahrens: Es ist nicht das primäre Ziel des Projekts, Beschäftigungseffekte zu erzielen. Wenn daraus Beschäftigung entstehen sollte, freuen wir uns darüber.

Das Programm RISE investiert in Steine. „Neuwiedenthal in Zentrum“ in Menschen. Wohin fließen die annähernd 800.000 Euro Projektmittel von Bund und EU denn genau?

Gohde-Ahrens: Unternehmer ohne Grenzen und die Lawaetz-Stiftung sind die Motoren des Projekts, mit den Mitteln können wir Personal einsetzen.

Das Phoenix-Center in Harburg ist in nur zehn Minuten mit der S-Bahn bestens zu erreichen. Finden die Neuwiedenthaler dort nicht alles, was sie benötigen?

Gohde-Ahrens: Senioren sagen uns, es sei nicht gut, die S-Bahn nutzen zu müssen. Es sei wichtig, in Neuwiedenthal qualitativ gute Angebote zu haben.

Sie haben vor, ein Verzeichnis der Geschäfte und Dienstleister in Neuwiedenthal zu erstellen. Mit etwa 20 ist die Anzahl recht überschaubar. Macht die Broschüre Sinn?

Gohde-Ahrens: Sie wird mehr als ein bloßes Geschäftsverzeichnis sein. Die Neuwiedenthaler erhalten eine Übersicht aller Dienstleistungen in ihrer Siedlung. Menschen sagen uns, dass die Angebote in der Nachbarschaft ihnen bisher unübersichtlich erscheinen. Das Verzeichnis wird als Imageträger für Neuwiedenthal dienen. Das Binnenimage der Siedlung ist besser als der Ruf. Leute, die hier leben, sehen sich nicht als benachteiligtes Quartier.

Was könnte die Lebensqualität in Neuwiedenthal noch erhöhen?

Gohde-Ahrens: Neuwiedenthal ist Fördergebiet der Integrierten Stadtteilentwicklung. in der Vergangenheit konnten schon viele Projekte zur Förderung der Lebensqualität umgesetzt werden. In Kürze kann die Neugestaltung der Grünanlage Rehrstieg eingeweiht werden. Auf dem Gelände der Stadtteilschule Süderelbe wird ein neues Haus der Jugend entstehen. Die SAGA investiert mit Kofinanzierung der Stadtteilentwicklung mit dem Projekt Garten Stadt in wohnungsnahe Gärten. Und wir entwickeln gerade die Idee eines öffentlichen Stadtteilgartens weiter, an der sich mehrere Bewohner und Institutionen interessiert gezeigt haben.