Hamburg. Bei der Bombenentschärfung in Wilhelmsburg konnten Retter plötzlich keine Tweets mehr lesen. Nun wird über Alternativen nachgedacht.
Es geschah am Mittwochabend mitten im besonders heiklen Einsatz zur Bombenentschärfung in Wilhelmsburg: Da konnten viele Nutzer von Twitter plötzlich nicht mehr die Nachrichten der Feuerwehr zum Einsatz lesen, darunter etwa Hinweise auf den Radius, in dem das betroffene Gebiet evakuiert wurde. Vor allem aber waren die Retter selbst nicht mehr in der Lage, in dem sozialen Netzwerk mitzuverfolgen, welche Nachrichten rund um die Entschärfung gerade geteilt wurden.
Grund dafür sind die neuen Regeln von Twitter, die Eigentümer Elon Musk vor wenigen Tagen verkündete: Diese enthalten ein Leselimit, das es verschiedenen Nutzergruppen verbietet, eine bestimmte Anzahl von Nachrichten auf der Plattform zu lesen. So dürfen Nutzer mit verifizierten Accounts bis auf Weiteres noch 6000 Beiträge pro Tag lesen. Für solche mit nicht verifizierten Accounts sind es nur noch bis zu 600 Beiträge pro Tag. Neue, nicht verifizierte Accounts haben nur noch Zugriff auf maximal 300 Beiträge.
Feuerwehr Hamburg sauer auf Twitter: „Ist das Euer Ernst?!“
Die Reaktion der Hamburger Feuerwehr auf ihre plötzliche Twitter-Blindheit trotz eines verifizierten Accounts fiel erstaunlich drastisch aus: „Ist das jetzt Euer Ernst, Twitter?! Wir haben eine aktive Entschärfung einer Fliegerbombe in Hamburg laufen und ihr schreibt wir haben unser Zugriffslimit erreicht??“, hieß es da in einem Tweet. Daran angehängt war ein Screenshot, der eine weitgehend leere Twitter-Anwendung aus der Einsatzzentrale zeigte.
Auch die Hamburger Polizei reagierte auf das Abschalten des Lesezugangs mitten im laufenden Einsatz mit Kritik: „unfassbar“, schrieb der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, und vom offiziellen Account der Ermittler kam ein zweifelnder Smiley.
Feuerwehr Hamburg denkt über Alternativen zu Twitter nach
Für Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger ist die Erfahrung vom Mittwoch ein Grund dafür, um grundsätzlich über Alternativen zu Twitter in der Einsatzkommunikation nachzudenken. „Die neuen Regeln sollten zu einem Umdenken bei allen staatlichen Organen mit Sicherheitsaufgaben führen, das gilt nicht nur für die Feuerwehr, sondern auch für Polizei und Katastrophenschutz.“ So etwas müsse allerdings nicht nur auf Landes-, sondern übergreifend auf Bundesebene angegangen werden.
Denkbar wäre es aus Ungers Sicht beispielsweise, die bekannte Warn-App Nina, über die etwa vor heftigen Stürmen oder Unwettern, aber auch vor großer Rauchentwicklung bei Feuern gewarnt wird, zu einer umfassenden Kommunikationsplattform auszubauen, um auch über die Entwicklung in laufenden Einsätzen informieren zu können.
Feuerwehr Hamburg genervt von Störern auf Twitter
Auch unabhängig vom Leselimit ist Twitter zur Kommunikation im Katastrophen- oder Unglücksfall nach Ansicht des Feuerwehrsprechers nur bedingt geeignet: „Dort haben wir es auch mit zahlreichen Störern zu tun, die bei einer Entschärfung etwa behaupten, es gäbe gar keine Bombe“, so Unger. „Mit denen müssen wir uns dann auch noch auseinandersetzen, wozu in einem laufenden Einsatz aber gar keine Zeit bleibt.“
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Abgesehen vom Twitter-Ärger hatte die Feuerwehr im Rahmen der Bombenentschärfung am Mittwoch auch noch mit anderen Herausforderungen zu kämpfen. So ignorierten immer wieder Personen die Absperrungen und verschafften sich Zutritt zum Gefahrenbereich. Deshalb konnte erst gegen 20 Uhr mit der Entschärfung begonnen werden.
Feuerwehr Hamburg: Heikle Entscheidung bei Evakuierung von Heimen
Besonders heikel war auch die Lage in zwei Altenheimen, die in unmittelbarer Nähe des Einsatzortes an der Dratelnstraße liegen.
Im Wilhelm Carstens Stift an der Rotenhäuser Straße und in einer Einrichtung von Pflegen und Wohnen an der Hermann-Westphal-Straße konnten einige schwerst pflegebedürftige Bewohner und Bewohnerinnen nicht aus dem möglichen Detonationsradius gebracht werden, ohne durch die Verlegung ihre Gesundheit erheblich zu gefährden.
Daher wurde laut Unger von der Einsatzleitung in einer Gefahrenabwägung die Entscheidung getroffen, jene Menschen in den Heimen zu belassen.