Harburg. Das „Harburg-Huus“ sucht eine neue Bleibe. Straßensozialarbeiter: Medizinische Angebote für Wohnungslose sind dringend nötig.

Eigentlich gab es im „Harburg-Huus“, der Obdachlosen-Hilfseinrichtung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Harburg viel zu feiern: Nach den Corona-Jahren kehrt das Haus zum Normalbetrieb zurück, die Sozialbehörde hat gerade einen großen Geldbetrag für die Arbeit des Harburg-Huus überwiesen und zahlreiche prominente Unterstützer waren zum Sommerfest gekommen.

Dennoch hat Hausherrin Rosa Schlottau ein Bündel an Sorgen: Nur noch bis Ende 2024 kann die Einrichtung am Außenmühlenweg bleiben. Bis dahin muss ein neuer Standort gefunden und eingerichtet sein.

Obdachlosenhilfe Harburg: Star-Pianist Sebastian Knauer kam zum Sommerfest

Die Starköchin Cornelia Poletto und ihr Gatte und Harburg-Huus-Schirmherr Rüdiger Grube; die Schauspielerin Merve Çakir und der Star-Pianist Sebastian Knauer waren zum Sommerfest der Einrichtung gekommen und hatten alle ihren Teil beigetragen: Poletto mit Streetfood-Pasta, Knauer mit einem bewegenden Open-Air-Konzert, Grube und Çakir mit Ansprachen. Zuvor hatten zahlreiche lokale Künstler das Publikum unterhalten.

Sebastian Knauer spielt unter der Brücke für die Harburger Obdachlosenhilfe.
Sebastian Knauer spielt unter der Brücke für die Harburger Obdachlosenhilfe. © HA | Lars Hansen

Das Harburg-Huus hilft Obdachlosen im Hamburger Süden auf verschiedene Weisen: Als Tagesstätte ist es Anlaufpunkt für 30 bis 50 Besucher täglich, die hier soziale Kontakte, Sozialberatung, eine Mahlzeit sowie Waschgelegenheiten für sich und ihre Kleidung vorfinden. Dazu kommen Kreativ- und Kulturangebote.

Als Übernachtungsstätte bietet es 15 Betten. Es ist die einzige Hamburger Übernachtungsstelle in der Hunde erlaubt sind. Das 15-köpfige Team des Harburg-Huus besteht größtenteils aus Ehrenamtlichen.

Die Sozialbehörde zahlt einen Zuschuss von 300.000 Euro

Dennoch kostet der Betrieb einer solchen Stätte Geld. Miete, Heizkosten, Lebensmittel und die Gehälter der Hauptamtlichen wollen bezahlt werden. Gerade hat das Haus die Zusage der Sozialbehörde über einen Zuschuss von mehr als 300.000 Euro für das laufende Jahr bekommen: Das sind drei Viertel der jährlichen Gesamtkosten.

Bleibt noch ein Viertel: „Jedes Jahr müssen zusätzlich rund 80.000 Euro aus Spenden aufgebracht werden“, erklärt Dr. Simone Thiede, Fundraiserin des DRK-Kreisverbands Hamburg-Harburg.

Wo wird das Harburg-Huus unterkommen?

Harburg-Huus-Leiterin Rosa Schlottau freut die Behörden-Unterstützung: „Damit ist die finanzielle Grundlage gelegt, das Haus weiterführen zu können. Für unsere obdachlosen Gäste ist diese Perspektive existenziell wichtig“, sagt sie.

Freut sich über den Zuschuss der Sozialbehörde: Harburg-Huus-Leiterin Rosa Schlottau.
Freut sich über den Zuschuss der Sozialbehörde: Harburg-Huus-Leiterin Rosa Schlottau. © HA | Lars Hansen

Dass das DRK das Haus weiterführen will, ist keine Frage. Wo es das kann, ist allerdings offen: Seit ein Investor das ehemalige Fabrikgelände, auf dem das Harburg-Huus steht, erworben hat und hier einen Immobilienkomplex entwickeln will, verhandelt das DRK mit dem neuen Hausherren um eine Möglichkeit unterzukommen – im Neubau oder einem der wenigen Gebäude, die stehen bleiben.

350 Quadratmeter Fläche und nah am Harburger Bahnhof

Die Verhandlungen ziehen sich seit Jahren hin. Jedesmal, wenn eine akzeptable Lösung greifbar scheint, scheitern sie doch wieder. Das DRK sucht nun aktiv nach einem anderen Standort. Leicht ist das nicht.

„Wir benötigen 350 Quadratmeter Fläche im Haus, möglichst noch eine Freifläche am Haus und mehr als zehn Gehminuten vom Bahnhof Harburg sollte der neue Standort auch nicht entfernt sein“, beschreibt Rosa Schlottau die Herausforderungen.

Auch das Hans-Fitze-Haus ist Anlaufstelle für Obdachlose

Das DRK mit seinem Harburg-Huus ist nicht die einzige Institution, die sich um Obdachlose in Harburg kümmert: Auch das Hans-Fitze-Haus ist an vier Tagen pro Woche tagsüber Anlaufstätte. Die Straßensozialarbeit der katholischen Diakonie in Harburg und Wilhelmsburg ist speziell auf Obdachlose ausgerichtet – und das „Habibi-Atelier“ tauscht jedes Jahr im Winter Kunstwerke gegen Dinge ein, die Obdachlose benötigen.

Alle diese Einrichtungen schätzen die Arbeit der jeweils anderen: „Mit den Tages-Angeboten im Harburg-Huus und Hans-Fitze Haus ist schon sehr geholfen, vor allem, was Wäsche und Körperpflege angeht“, sagt Straßensozialarbeiterin, Ricarda Brinker, „und auch, dass immer mehr Suppenküchen wieder öffnen, ist gut; aber es werden damit nicht alle Betroffenen erreicht.“

Auf 150 bis 200 wird die Zahl der Obdachlosen in Harburg geschätzt

Das betrifft auch die Straßensozialarbeit selbst: Auf 150 bis 200 Menschen schätzte die Diakonie die Zahl der Obdachlosen im Hamburger Süden in den vergangenen Jahren ein. Davon haben die zwei Sozialarbeiter zu etwa 60 regelmäßigen Kontakt.

Im Sommer sind es bei uns meist mehr Obdachlose, als im Winter: Wer einen Übernachtungsplatz im Winternotprogramm hat – und diese befinden sich alle nördlich der Elbe – kommt in der Regel tagsüber nicht nach Harburg zurück.

Lauschten dem Klavier: Der Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher (SPD, v.l.), die Grünen-Bezirksabgeordnete Heinke Ehlers, Hausherrin Rosa Schlottau und die Schauspielerin Merve Çakir.
Lauschten dem Klavier: Der Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher (SPD, v.l.), die Grünen-Bezirksabgeordnete Heinke Ehlers, Hausherrin Rosa Schlottau und die Schauspielerin Merve Çakir. © HA | Lars Hansen

Allerdings sind im vergangenen Winter weniger Obdachlose aus Harburg ins Notprogramm gezogen, Brinkers Kollege Richard Luther zählte auch in der kalten Jahreszeit noch 50 „Platten“ – Schlafstätten im Freien – im Hamburger Süden.

In einem Bereich sieht es ganz schlecht aus für Harburgs Obdachlose

Einige gehen bewusst nicht über die Elbe: „Wir beobachten, dass die Harburger Klientel eher die diskrete Abgeschiedenheit sucht“, sagt Ricarda Brinker. „Da gibt es hier Industriebrachen und große Grünflächen. In Hamburg, wo sich die Hilfsangebote konzentrieren, konzentrieren sich auch die Obdachlosen. Das ist für viele von ihnen aber auch wieder eine Nervenbelastung.“

Während es für fast alle Bedarfe von Obdachlosen im Süden Hilfsangebote gäbe – wenn auch nicht genug – sieht es in einem Bereich ganz schwach aus, sagt Ricarda Brinker: „Es gibt in Harburg kein medizinisches Angebot für Menschen ohne Krankenversicherung. Das müsste geändert werden!“

Dabei geht es nicht nur um allgemeinmedizinische Hilfe, weiß Harburg-Huus-Chefin Rosa Schlottau: „Wir bemerken in den letzten Monaten, dass mehr Wohnungslose zu uns kommen, die gerade aus der Psychiatrie entlassen wurden“, sagt sie. „Diese Menschen brauchen zusätzlich zu unserem allgemeinen Angebot oft noch besondere Hilfen.“