Hamburg. Gabriela Krause und Marc Schlaht machen ein Freiwilliges Soziales Jahr im Harburg-Huus, der DRK-Einrichtung für Wohnungslose.

Sie war zwölf, als sie das erste Mal entschied, etwas für die Menschen auf der Straße zu tun. Gemeinsam mit ihrem Vater schmierte Gabriela Krause Brote, packte Lunchpakete und verteilte sie in der Hamburger Innenstadt an die Obdachlosen. „Es war ein schöner Moment, zu sehen, wie sich die Menschen freuen“, erinnert sie sich.

Sechs Jahre liegt diese Aktion zurück. Der Wunsch, etwas für die Betroffenen zu tun, ist geblieben. Im Sommer machte die 18-Jährige aus Neugraben ihr Abitur. Und bewarb sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Harburg-Huus, der Obdachlosenunterkunft des DRK Kreisverbandes Harburg. Seit August gehört sie zum Team.

Sie hält die Aufenthaltsstätte sauber und in Ordnung, organisiert Lebensmittel von der Hamburger Tafel, hört sich die Probleme der Gäste an und versucht Lösungen zu finden. Sie nimmt sich Zeit für eine Runde Dart oder Mensch-ärgere-dich-nicht, bereitet Mahlzeiten vor und gibt Hygienemittel aus. Es sind die kleinen Momente, die ihr zeigen, dass sie hier im Harburg-Huus richtig ist.

„Wenn ich ein Essen ausgebe und sehe, wie gut das den Gästen tut, bin ich froh, dass ich hier gelandet bin“, sagt Gabriela Krause. Auch wenn keiner aus ihrem Umkreis damit gerechnet hätte, dass ausgerechnet sie, die immer top gestylt und geschminkt unterwegs ist, nach dem Abitur ins Obdachlosenhaus geht. „Alle haben gedacht, dass ich nach der Schule etwas mit Kosmetik mache“, sagt sie.

Eine gute Sache für Menschen ohne Halt

Auch Abiturient Marc Schlaht hat sich nach dem Schulabschluss für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der DRK-Einrichtung entschieden. Er kommt aus Harburg, ist in unmittelbarer Nachbarschaft zum Harburg-Huus aufgewachsen. Der 21-Jährige weiß, wie es sich anfühlt, wenn sich Menschen, die einem nahe stehen, abwenden und es plötzlich niemanden mehr gibt, der sich wirklich für einen interessiert. „In meiner Kindheit habe ich mich häufig allein gefühlt, ohne Bezugsperson“, sagt er. „Ich habe mir immer einen erwachsenen Freund gewünscht, jemand, der mich stets begleitet.“

Harburg Huus: DRK-Chef Harald Krüger (r.) mit Einrichtungsleiter Thorben Goebel-Hansen.
Harburg Huus: DRK-Chef Harald Krüger (r.) mit Einrichtungsleiter Thorben Goebel-Hansen. © HA

Erst trennten sich seine Eltern, dann verschlechterte sich das Verhältnis zu seiner Mutter. Da war Marc 14. Er zog zu seinem Vater und dessen Freundin. „Ich hatte dort zwar ein Dach über dem Kopf, aber nie das Gefühl, zuhause zu sein.“ In diesen schwierigen Zeiten stand ihm sein bester Freund Victor zur Seite. „Ohne ihn hätte ich nicht die Kurve gekriegt“, sagt er. „Ich wollte immer sein wie er. Ein guter Freund, der für andere da ist.“

Genau das kann er jetzt als FSJ-ler für die Gäste im Harburg-Huus sein. Mehr noch: „Ich fühle mich manchmal so, als wäre ich hier der Papi, der sich um alle kümmert“, sagt er. Einkaufen, Kleidung ausgeben, die Gäste unter die Dusche schicken, mit ihnen spielen und sie manchmal auch zurechtweisen – das gehört dazu.

Ein Dreh- und Angelpunkt für Obdachlose

Zwölf Monate bleiben die beiden FSJ-ler in der Einrichtung, die mit ihren 15 Betten und einem Tagestreff am Außenmühlenweg zu einem Dreh- und Angelpunkt für obdachlose Menschen in Harburg geworden ist. Mehr als 4000 Übernachtungen in zwölf Monaten gab es im ersten Jahr des Bestehens. 2000 Beratungsgespräche wurden geführt. Themen sind Sucht, Verschuldung, Gewalt gegen Frauen, Altersarmut und Einsamkeit. „80-mal konnten wir schon privaten Wohnraum an Obdachlose vermitteln“, sagt Einrichtungsleiter Thorben Goebel-Hansen. „70-mal konnten Bewohner in eine öffentliche Unterbringung vermittelt werden. Für sechs Gäste mit Wohnsitzen im Ausland wurde die Rückreise ins Heimatland organisiert.“

Das Harburg-Huus ist Tag und Nacht und an 365 Tagen im Jahr geöffnet, bietet tagsüber einen Aufenthaltsraum mit Medien, Freizeitangeboten und Getränken. Morgens wird Frühstück und abends eine kleine Mahlzeit angeboten. Es gibt Dusch- und Waschmöglichkeiten sowie persönliche Postfächer für die Gäste. Zu den ergänzenden Angeboten gehören unter anderem das Kranken- und Zahnmobil, psychosoziale Beratung, Wundversorgung und der Besuch vom Hundetierarzt.

Einrichtung finanziert sich allein aus Spenden

Ob das Angebot langfristig in Harburg bestehen kann, ist allerdings noch ungewiss. „Die Einrichtung finanziert sich allein aus Spenden“, sagt DRK-Sprecherin Sabine Spatzek. „Es gab Anschubfinanzierungen vom Hamburger Spendenparlament, der Deutschen Fernsehlotterie und verschiedenen namenhaften Stiftungen und Spendern.“ Doch inzwischen sei es ein „dünnes Eis“, auf dem sich das Harburg-Huus finanziell bewege.

Um das zu ändern, wird aktuell daran gearbeitet, einen Freundes- und Förderkreis für die Obdachlosenunterkunft aufzubauen und damit eine wirklich dauerhafte Finanzierung zu sichern. Gabriela Krause und Marc Schlaht tragen mit ihrem freiwilligen sozialen Engagement auf ihre Weise dazu bei, die Ausgaben für die Einrichtung zu senken.

Sie bekommen für ihren 40-stündigen Einsatz in der Woche kein Gehalt, sondern nur ein kleines Taschengeld. Für die beiden ist das absolut in Ordnung. „Wir sind nicht hier, um Geld zu verdienen, sondern um Erfahrungen zu sammeln“, sagen sie. „Und ehrlich gesagt, macht uns die Arbeit hier auch richtig Spaß.“

Das FSJ

Das Freiwillige Soziale Jahr ist seit dem 1. Juni 2008 zusammen mit dem Freiwilligen Ökologischen Jahre im Jugendfreiwilligendienstgesetz (JFDG) geregelt. Die Freiwilligen sind in ihrer rechtlichen Stellung Auszubildenden vergleichbar.

Ein Freiwilligendienst im FSJ ist kein Arbeitsverhältnis. Dennoch hat der Freiwillige eine ähnliche Rechtsstellung wie ein Auszubildender. Arbeitsrechtliche Vorschriften, insbesondere die ein Ausbildungsverhältnis betreffenden, kommen somit ergänzend zur Anwendung.

Die finanzielle Vergütung wird oft als Taschengeld bezeichnet. Zu diesem Verdienst kommt die Verpflegung, Unterkunft und eine Fahrtkostenerstattung hinzu. Die Höhe des Taschengeldes ist von Träger zu Träger unterschiedlich.

Sollte die Unterkunft und Verpflegung nicht gestellt werden, wird beides finanziell vergütet. Bestimmte Einsatzstellen, etwa Kindergärten, sind nicht verpflichtet, eine Unterkunft zu bieten. Folglich müssen sie auch keine Abgeltung zahlen.

Auch im Ausland ist ein FSJ möglich. Allerdings fördert der Bund seit der Aussetzung der Wehrpflicht das FSJ im Ausland nicht mehr finanziell. Bis zu diesem Zeitpunkt war es zudem möglich, das FSJ Ausland als Wehrersatzdienst zu absolvieren.

Aus bundes-freiwilligendienst.de