Hamburg. Nach der zweiten Insolvenz ist die Zukunft der Kaufhäuser in Harburg und Lüneburg ungewiss. CDU-Politiker Uwe Schneider appelliert.

Mittwochmittag bei Karstadt: Zwei Warteschlangen vor den Kassen im Erdgeschoss, vornehmlich weibliche Kunden in der Bekleidungsabteilung. Überall sind Menschen zu sehen, vereinzelt. Es herrscht Betrieb, wenn auch mit Luft nach oben. Eine Kundin sagt beim Bezahlen, dass sie das erste Mal seit Beginn der Pandemie wieder bei Karstadt einkaufe. Vielleicht kommt ihre Rückkehr ein wenig zu spät. Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof musste jetzt nach 2020 ein weiteres Mal Insolvenz anmelden.

Mindestens einem Drittel der bundesweit 131 Kaufhausstandorte droht das Aus. Derzeit ist nicht absehbar, ob die Häuser in Harburg und Lüneburg dazu gehören werden. Nach einer Analyse aller Filialen kommt die „Immobilien-Zeitung“ zu dem Schluss, dass zumindest die Fortführung von Karstadt Harburg „unwahrscheinlich“ sei. Schließlich handele es sich nur um eine „Stadtteil-Filiale“. Wobei der Bezirk Harburg mit seinen 170.000 Einwohnern für sich genommen per Definition eine Großstadt wäre. Das Umland als Einzugsgebiet nicht mitgerechnet.

Karstadt in Harburg vor dem Aus?

Eine mögliche Schließung des Kaufhauses würde der Attraktivität der Harburger Innenstadt schaden, sagt Antonia Marmon, Geschäftsführerin vom Harburg Marketing e.V. „Der Herbert-Wehner-Platz steht kurz vor der Eröffnung und wird somit für Galeria, nach langer Beeinträchtigung, ein wirklich schöner ,Eingangsbereich’. Die Achse der Harburger City, beginnend bei den Centern, über die Seevepassage, Lüneburger Straße, Hölertwiete, Sand und Neue Straße würde ein wichtiges Bindeglied verlieren und das Einkaufsangebot schmälern.“

Karstadt habe in Harburg eine lange Tradition und sei „überdurchschnittlich für den Standort Harburg engagiert, so Marmon. „Es hat die Aktionsgemeinschaft Harburg gegründet und somit den Weg für das Citymanagement und damit auch für den Harburg Marketing e.V. geebnet.“ Anno 1927 öffnete das Kaufhaus erstmals seine Türen. „Für die Harburgerinnen und Harburger ist das traditionsreiche Kaufhaus ein Ankerpunkt“, sagt Bianca Blomenkamp, Fraktionschefin der Harburger Grünen. Gerade für die ältere Bevölkerung. Aber auch sie selbst kaufe gern bei Karstadt ein, „weil ich dort alles bekommen kann“. Eine mögliche Schließung wäre ein großer Verlust.

Politiker: „Leute, geht bei Karstadt einkaufen, bevor es zu spät ist!“

Auch der Harburger CDU-Politiker Uwe Schneider geht gern zu Karstadt: „Ich mag die Kaufhaus-Atmosphäre, die Warenvielfalt und den persönlichen Kontakt mit den Verkäufern“, sagt der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses der Bezirksversammlung. Er schlendere gern durch die Abteilungen und greife bei günstigen Angeboten auch mal spontan zu. „Die Schließung wäre schmerzhaft, aber es liegt auch an den Harburgern. Ich kann nur appellieren: Leute, geht bei Karstadt einkaufen, bevor es zu spät ist!“ Sollte das Kaufhaus tatsächlich nicht zu halten sein, „muss man das als Chance sehen, hier am Ort etwas anderes zu entwickeln“.

Ein Schild weist die Kunden darauf hin, dass die Rolltreppe bei Karstadt Harburg nicht defekt ist, sondern einen Beitrag zum Energiesparen leistet.
Ein Schild weist die Kunden darauf hin, dass die Rolltreppe bei Karstadt Harburg nicht defekt ist, sondern einen Beitrag zum Energiesparen leistet. © Andre Lenthe Fotografie | Andre Lenthe Fotografie

„Der Druck auf den Einzelhandel in den Innenstädten steigt, zum einen durch ein verändertes Konsumverhalten der Kundinnen und Kunden, zum anderen durch die teilweise hohen Mieten in den Stadtzentren“, sagt Bezirksamtssprecher Dennis Imhäuser. Der Blick in die Hamburger City zeige, dass hiervon nicht nur kleinere Zentren betroffen sind. „Für die Harburger City wäre eine Schließung sicherlich zunächst ein Verlust. Sollte es dazu kommen, bietet diese jedoch auch Chancen für die Innenstadt, die dann mit geeigneten Konzepten umgesetzt werden können“, sagt Imhäuser.

Bezirk hat bereits Perspektive für Karstadt-Areal erarbeitet

Noch sei es zu früh für konkrete Aussagen, so der Bezirkssprecher. Schließlich sei weder die Entscheidung zum Standort gefallen, noch der Verkauf des Grundstücks absehbar. Immerhin wurde im bezirklichen „Rahmenplan Innenstadt Harburg 2040“ bereits eine Entwicklungsperspektive auch für das Karstadt-Areal erarbeitet. Demnach könnte dort eines Tages eine höhere Bebauung mit einer gemischten Nutzung für Wohnen und Gewerbe (Einzelhandel) entstehen. Ähnlich, wie es aktuell am Sand geschieht.

Es sei richtig, sich Gedanken gemacht zu haben, wie man im Falle eines Falles mit dem „Klotz aus den 1960er Jahren baulich umgehen kann“, sagt Frank Richter, Vorsitzender SPD-Fraktion und des Stadtentwicklungsausschusses. Eine Neuvermietung sei schwierig. Und ein Neubau würde mehrere Jahre Vorlauf haben, verbunden mit einem langen Leerstand des alten Gebäudes an prominenter Stelle. „Für die Beschäftigten und für unsere Innenstadt bleibt zu hoffen, dass das Karstadt Harburg ein weiteres Mal den Sprung schafft und bestehen bleibt.“ Dafür könne sprechen, dass die Immobilie im Besitz einer Beteiligungsgesellschaft des Galeria-Eigentümers René Benko sei.

Sehr bitter wäre auch die Schließung des Lüneburger Karstadt-Hauses, sagt Melanie-Gitte Lansmann, Chefin der Lüneburg Marketing GmbH. „In Lüneburg ist Karstadt das Warenhaus schlechthin. Nirgendwo sonst findet man diese Angebotsbreite. Das Kaufhaus ist ein großer, wichtiger Anker in der Innenstadt. Und es befindet sich gegenüber vom Rathaus – es wäre schwer, eine andere Lösung zu finden.“ Lansmann bleibt zuversichtlich: „Wir hoffen, dass der Kelch an uns vorüber geht.“