Harburg. Vom Hafenrand bis zum Heide-Hof: Der gesamte Juni steht im Zeichen des Geschriebenen. Zahlreiche neue Leseorte dabei
Es ist eine der Eigenheiten der Harburger Kulturszene, dass sie ihre eigenen Erfolgsgeschichten schreibt. Die Literaturreihe „Suedlese“ gehört zweifelsohne dazu. 2015 startete das Lesefest. Einen Monat lang, damals noch im April, stellten sich Harburger Kulturstätten, die sonst eher selten Literatur im Programm haben, reihum in den Dienst des geschriebenen Wortes: Musikclubs, Galerien, Kleinkunstkneipen beteiligten sich.
Welche Art von Literatur gelesen wurde entschieden die Aufführungsorte selbst – und entscheiden dies auch immer noch. Vom Galway-Krimi in der Guinness-Kneipe bis zum Gedicht in der Gemäldegalerie ging das Programm, das ein interessierter Zuhörer damals tatsächlich mit etwas Terminstress allesamt genießen konnte. Mittlerweile ist die Suedlese gewachsen. 60 Lesungen in 31 Tagen schafft niemand mehr zu besuchen. Man muss auswählen. Aber die Auswahl ist da, bei der siebten Suedlese vom 1. Bis zum 31. Juni.
Slam-Poetry am Kulturkiosk und Poetry-Slam im Stellwerk
Gelesen wird nicht mehr nur in Harburg selbst: Auch im benachbarten Wilhelmsburg sowie im Landkreis Harburg ist die Suedlese mittlerweile angekommen An 30 Orten wird gelesen, von der Fußgängerunterführung bis zum Heimatmuseum, von der Kaffeeklappe bis zum Kirschbaum.
„Neben spannenden klassischen Lesungsformaten gibt es wie immer auch außergewöhnliche Veranstaltungen wie Slam-Poetry am Kulturkiosk und Poetry-Slam im Stellwerk, Fensterlesungen für Kinder im HinZimmer, den Poetomaten auf dem Flohmarkt am Kanalplatz und viele mehr“, sagt Projektleiterin Anne Lamsbach. „In der Kneipe ´Zur Stumpfen Ecke` stellt die Geschichtswerkstatt ihr Buch über die wilden Harburger Kneipen der 60er und 70er Jahre vor und in Moisburg können Familien märchenhaft mit Hexe, Wassermann & Co auf den Spuren Otfried Preußlers wandeln.“
- Theater Lüneburg startet mit Haltung in die neue Spielzeit
- Mörderische Geschichten über das schöne Sylt
- Bornemannsches Haus in Harburg soll nun Galerie werden
Lamsbach selbst studierte an der im Harburger Hafen ansässigen Medical School Hamburg „Poesie“ und stieß bereits im vergangenen Jahr zum SuedLese-Team. Am Studiengang entstand dadurch auch das Forschungslabor <<LitLab>>, das seitdem die Literaturtage begleitet und künstlerische wie wissenschaftliche Arbeiten beiträgt. „Zum Abschluss des Semesters stellen Studierende ihre Arbeiten und Erfahrungen, die sie unter der Themenüberschrift 'Poesie im sozialen Raum' gemacht haben vor“, sagt Lambach.
Die Aufteilung der Lesungen ist so angelegt, dass an fast jedem Juni-Tag eine oder mehrere Lesungen zu erleben sind. Mit der Kneipe „Zur Stumpfen Ecke“, dem Kulturlaster der Buchholzer Agentur „Waldinsel“, Marias Ballroom, dem Moorburger „Wasserturm & Feuerteufel“ aber auch dem PopUp Store des Harburg Marketings kommen dieses Jahr etliche neue Orte auf die Literaturlandkarte des Hamburger Südens.
Lesung des Punk-Magazin-Herausgebers Dolf Hermannstädter
Zu den ungewöhnlichen Formaten dieses Jahr zählt sicher die Lesung des Punk-Magazin-Herausgebers Dolf Hermannstädter am 9. Juni auf einem Lkw, der nahe der Buchholzer Empore steht. Ebenfalls trashig ist die Buchvorstellung des Chaos-Autoren Jan Off in Marias Ballroom am 16. Juni. Für Kinder und ältere Märchenfans zählt sicher die Moisburger Otfried-Preußler-Huldigung am 12. Juni zu den Höhepunkten und für Krimi-Liebhaber geht es am 18. Juni zur Ladies Crime Night nach Neugraben. Die Kunstleihe Harburg zeigt den ganzen Juni über eine poetische Installation der Künstlerin frankhaleesi und auf einem Sandberg an der alten Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße wird kritisch auf die letzten 15 Jahre Stadtentwicklung unter dem Schlagwort „Not in our Name“ geschaut.
Auch der sich am Harburger Hafen neu etablierende monatliche Flohmarkt nimmt die Literatur auf und hat am 4. Juni unter den Stöber-Ständen den „Poetomaten“ platziert, der individuelle Poesie ausspuckt. Kurzum: Die Literatur ist zurück im Süden der Stadt.
In Zukunft soll es für die schreibende Kunst nicht nur bei einem Vier-Wochen-Event bleiben: Nach Wunsch des SuedLese-Teams soll das Internetportal www.suedlese.de weiter strukturiert und zu einem ganzjährigen Literaturportal werden. Dort kann man sich mit einem Merk-Button ausgesuchte Lesungen direkt in seinen Online-Kalender stellen lassen, Bekannte zu Terminen einladen und im oder auf diese aufmerksam machen und das „Bücherregal“ unter Rubriken wie Heide-Krimi oder Sachbuch schnell bei der SuedLese gelesene oder neu erschienene Harburger Bücher ausfindig machen. Die Suedlese 2022 wird vom Förderprogramms „Neustart Kultur“ des Bundes sowie der Stiftung Sparkasse Harburg-Buxtehude unterstützt.