Hamburg. Behörde sucht Betreiber für das Kulturzentrum. Durch eine Panne ist interner E-Mail-Verkehr öffentlich geworden, der Fragen aufwirft.
Hat das Bezirksamt gezielt Wunsch-Träger für das „Bürger:innenhaus Harburg“ – bislang besser bekannt als Kulturzentrum Rieckhof – angesprochen oder nicht? Diese Frage beschäftigt seit Tagen die Harburger Kulturszene, die Bezirkspolitik und viele Harburger, die den Rieckhof gerne weiter so hätten, wie er ist.
Die offizielle Antwort des Bezirksamts lautet „Nein“. Es habe keine gezielte Ansprache einzelner Institutionen gegeben. Wohl aber ein breit gestreutes Rundschreiben mit hunderten Empfängern, in dem für die Teilnahme am Interessenbekundungsverfahren geworben wird.
Rieckhof wird seit 1984 von einem Verein betrieben
Sucht man jedoch intensiv nach weiteren Informationen, stellt sich heraus, dass es so einfach eben doch nicht ist. Zumindest beim Kulturhaus Süderelbe hat es eine vorsichtige Anfrage gegeben. Und dass dies problematisch sein könne, scheint dem Bezirksamt bewusst, wie aus einem internen Mailverkehr hervorgeht.
Im April war dem langjährigen Träger des Kulturzentrums Rieckhof, dem „Verein Freizeitzentrum Harburg“ – er betrieb von 1978 bis 1984 das Freizeitzentrum Nöldekestraße und seit Eröffnung 1984 den Rieckhof – überraschend mitgeteilt worden, dass die Trägerschaft für das Haus in einem Interessenbekundungsverfahren neu ausgeschrieben würde. Das Bezirksamt betonte dabei, dass das Verfahren ergebnisoffen und neutral sei und sich auch der Verein Freizeitzentrum erneut bewerben könne. Das gezielte Ansprechen von möglichen Bewerbern könnte dem widersprechen.
Großes Interesse an einem weiten Spektrum an Bewerbungen
Das Bezirksamt betont daher auch, dass so eine Ansprache nicht stattgefunden hat: „Das Bezirksamt hat ein großes Interesse an einem weiten Spektrum an Bewerbungen“, schreibt Pressesprecherin Wrenda Kapoor. „Daher wurde das Interessenbekundungsverfahren „Bürgerhaus Harburg“ mit einem Anschreiben an über 300 Interessierte und Einrichtungen, unter anderem alle Bürgerhäuser sowie Stadtteilkultur- und ähnliche Einrichtungen in Hamburg, soziale Träger und Dachverbände, beworben. Außerdem wurde der bekannte Flyer zum IBV-Verfahren bspw. auf dem Ratschlag Stadtteilkultur an viele Teilnehmer:innen verteilt.“
So weit die offizielle Version. Allerdings sollen das Kulturhaus Süderelbe und der Kulturpalast Billstedt im Zusammenhang mit dem Verfahren auch gezielt Anrufe aus dem Bezirksamt erhalten haben. Zumindest das Kulturhaus Süderelbe bestätigt das – und relativiert das Gespräch gleichzeitig. „Da gab es eine sehr vorsichtige Anfrage, ob wir uns vorstellen könnten, uns zu bewerben und ob wir Ideen für die Arbeit eines Harburger Bürgerhauses hätten“, sagt Kulturhaus-Geschäftsführerin Marketta Eksymä-Winkelmann. „Als Aufforderung habe ich das nicht verstanden.“
Im Hinblick auf die Neutralität problematisch
Dass dieses Gespräch im Hinblick auf die Neutralität problematisch sein könnte, scheint dem Bezirksamt durchaus bewusst zu sein: Nachdem das Abendblatt und das Online-Portal „Besser im Blick“ diesbezüglich beim Bezirksamt anfragten, kam es zwischen Pressestelle, Sozialdezernat und dessen Fachamt Sozialraummanagement zu einem Mailverkehr, um die Stellungnahme abzusprechen. Durch ein Versehen im Rathaus liegt unter anderem dem Abendblatt dieser Schriftwechsel vor.
Alle Akteure sind sich einig, den Anruf im Kulturhaus abzustreiten: „Angesichts des Artikels im Abendblatt muss die Aussage meines Erachtens sein: Das Bezirksamt hat bei keinem potenziellen Interessenten angerufen“, schreibt zum Beispiel Sozialdezernentin Anke Jobmann. Der für das Verfahren zuständige Abteilungsleiter Mathias Eichhorn schreibt, er wolle gern vermeiden, dass das Kulturhaus Süderelbe unter Druck gesetzt würde, weil dies auch auf andere mögliche Bewerbungen abschreckend wirken könnte. „Daher sollten wir allgemein antworten, um die Einrichtung etwas aus der Schusslinie zu nehmen“, so Eichhorn.
Mitarbeiterin verlässt das Fachamt Sozialraummanagement
Der E-Mail-Verkehr liegt auch den Bezirksfraktionen vor. Dennoch ist der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Richter überzeugt, dass das Bezirksamt generell neutral agiere. „Sollte allerdings ein einzelner Beamter solche Gespräche geführt haben, kann dieser nicht mehr am Verfahren mitwirken“, sagt Richter.
Oppositionsführer Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU, betont noch einen anderen Aspekt: „Ein möglicher Anruf bei der Leiterin des Kulturhauses wäre ja an die völlig falsche Adresse gegangen“, sagt er. „Bewerben müsste sich ja der Trägerverein des Kulturhauses. Dort ist meines Wissens keine explizite Anfrage eingegangen. Aber dass man den Unterschied zwischen Einrichtung und Träger im Bezirksamt anscheinend nicht wahrnimmt, ist auch bezeichnend.“
Mitten im Verfahren erfährt das Team von Sozialdezernentin Anke Jobmann auch noch eine Schwächung: Lina Knipfer, bislang engagierte Fachfrau in Sachen Kulturförderung, wird sich beruflich verbessern und das Fachamt Sozialraummanagement im Bezirk Harburg verlassen.