Hamburg. Mit künstlicher Intelligenz und Smartphone statt mit Klemmbrett und Stift soll die Überprüfung von Containern beschleunigt werden.
Container soweit das Auge reicht. Auf dem Betriebsgelände der HCCR, der Hamburger Container- und Chassis-Reparatur-Gesellschaft, stehen Tausende leere Boxen unterschiedlicher Größe und Funktionen. Sie sollen alle möglichst schnell wieder Ladung aufnehmen – in einem exportorientierten Hafen wie Hamburg sind Container immer knapp.
Aber bevor sie ihre nächste Reise antreten, müssen sie sicherheitstechnisch überprüft und bei Mängeln wieder fit gemacht werden. Um den Arbeitsprozess zu beschleunigen, startete die HCCR zusammen mit dem Fraunhofer-Center für Maritime Logistik mit Sitz in Harburg das Forschungsprojekt COOKIE. Sein Ziel: die optische Kontrolle automatisieren.
Mehr als die Hälfte aller kontrollierten Container hat Mängel
Wenn ein Lkw heute einen leeren Container zum zwischen der A7 und dem Köhlbrand gelegenen Betriebsgelände des HHLA-Tochterunternehmens bringt, landet der Transportbehälter zunächst in einer Warteschleife. 300 bis 500 Stück pro Tag durchlaufen den HCCR-Check, nach internationalen Standards.
Derzeit muss jeder einzelne durch einen Mitarbeiter von innen und außen inspiziert werden. Knapp 40 Prozent sind intakt und können bedenkenlos auf die nächste Reise geschickt werden. Diese unbeschädigten Container mit großer Sicherheit automatisch erkennen zu können, ist das erste Ziel des Projekts COOKIE.
Von der Container-Inspektion mit Zettel und Stift zu OCR
„Auf unseren Terminals gibt es bereits Kamerabrücken, unter denen Lkw mit Containern hindurchfahren, die sogenannten OCR-Gates“, sagt HHLA-Sprecher Christian Lorenz. „Dort werden automatisch die Containernummern abgelesen – OCR steht für Optical Character Recognition“ (Optische Schriftzeichenerkennung). Solche fest installierten Videoportale könnten zukünftig auch eingesetzt werden, um intakte und beschädigte Container auseinanderzuhalten, lautet die Projektidee.
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Die inhaltliche Basis für COOKIE liefert die HCCR. „Noch vor einigen Jahren haben die Inspekteure mit einem Klemmbrett und Stift die Schäden aufgenommen und codiert“, sagt Vertriebsleiter Toni Jakat, der das Forschungsprojekt betreut. „Ein Kollege hat sich dann den Zettel genommen und aufgrund der Angaben inklusive Container-Nummer einen Kostenvoranschlag für die Reparatur der schadhaften Stellen errechnet. Dieser ging an den Eigentümer des Containers, also an eine Reederei oder eine Leasinggesellschaft. Bei schweren Schäden wurde auch mal ein Foto mitgesendet, zum Beispiel um beurteilen zu können, ob es sich um einen Totalschaden handelt.“
Container warten, bis der Eigner einer Reparatur zustimmt
Bis der Eigentümer die Reparaturarbeiten genehmigt hat, werden die Container zwischengestapelt. In mehr als zehn Prozent der Fälle schickten die Kunden früher einen eigenen Gutachter, um eine zweite Meinung einzuholen. Nicht selten steht dann der betroffene Container mitten in einem Stapel, so das erst ein Dutzend anderer Behälter zur Seite geräumt werden müssen, um an das Untersuchungsobjekt zu gelangen. Das kostet Zeit und Geld.
„Seit einigen Jahren haben wir die Schadensaufnahmen digitalisiert“, sagt Jakat. „Die Inspektoren haben Handhelds (besonders robuste Smartphones mit spezieller Software, die Red.), in die sie die Schadens-Codes eintragen und jedem ein Foto zuordnen. Eine App berechnet daraus automatisch den Kostenvoranschlag und sendet ihn zum Kunden. Der kann über das Internet Detailinformationen zu den einzelnen Schadstellen abrufen, inklusive der Fotos.“ Das habe dazu geführt, dass die Kunden heute nur noch bei rund einem Prozent der Kostenvoranschläge einen Gutachter senden.
Container werden zur Mangelware – und immer älter
Jeder Container, der zügig den Stellplatz der HCCR verlassen kann, ist ein Gewinn. Leere Container sind nicht nur im Hafen, sondern auch bei Export-orientierten Unternehmen in ganz Deutschland gefragt. Und sie werden latent zur Mangelware.
Denn die Zahl der weltweit aktiven Container stieg im vergangenen Jahrzehnt weniger stark an als die Ladungskapazität, also die Zahl der Stellplätze auf den Schiffen. Gleichzeitig wird die Flotte der Container immer älter. Das erhöht den Reparaturaufwand. Es gebe Zeiten, in denen die HCCR so stark ausgelastet sei, dass sie die Wartung weiterer Container ablehnen müsse, bedauert der Vertriebsleiter.
Mit Fraunhofer-CML die Containerinspektion automatisieren
Wenn die vorhandene digitale App mit der Zeit lernen könnte, anhand automatisch aufgenommener Fotos Schäden am Container zu erkennen, und diese bestenfalls automatisch zu codieren, ließe sich der Check und der Prozess bis zur Reparatur, Reinigung oder Freigabe des „Leerguts“ beschleunigen. Hier kommt COOKIE ins Spiel. Und das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik (CML).
Derzeit hat es noch seinen Sitz auf dem Schwarzenberg-Campus der Technischen Universität. Aber voraussichtlich im nächsten Jahr wird es ein eigenes Forschungsgebäude im Binnenhafen beziehen, zwischen der Fischhalle Harburg an der Straße Kanalplatz und dem Lotsekanal. Die CML-Forscher sollen der vorhandenen Technik Künstliche Intelligenz (KI) verleihen.
Software soll anhand automatische Aufnahmen Schäden erkennen
Im ersten Schritt des auf zwei Jahre angelegten, vom Bund mit 920.000 Euro finanzierten Forschungsprojekts analysieren die Fraunhofer-Forscher die Datensätze, die derzeit bei der HCCR verwendet werden. Mit Hilfe einer selbst lernenden Bilderkennungs-Software sollen später aus vorliegenden Aufnahmen automatisch die Art und genaue Lage von Schäden festgestellt werden, ergänzt um die Bezeichnung des betroffenen Bauteils, der vorzunehmenden Reparaturarbeiten und des Kostenvoranschlags.
Jakat erklärt: „Eine solche Software werden wir zunächst mit den vorhandenen Kamerabrücken der Terminals testen. Wenn die Tests erfolgversprechend sind, werden wir hier auf dem Gelände eine eigene Kamerabrücke einrichten – mit einem zusätzlichen Kameraarm, der nach Öffnen der Türen durch den Lkw-Fahrer das Innere des Containers aufnehmen kann.“
Wie die Zukunft bei HCCR aussehen könnte
Langfristig könnte ein solches System den Containerdurchlauf bei der HCCR weiter optimieren. Zum Beispiel in dem es zusätzlich abgleicht, wie viele Handwerker gerade zur Verfügung stehen und welche Container besonders dringend gebraucht werden, sagt Jakat. Und vielleicht gibt es irgendwann noch einen Sensor, der bei der Innenraum-Inspektion üble Gerüchte wahrnehmen und eine Reinigung anordnen kann.
Zunächst würde sich der HCCR-Vertriebsleiter aber schon freuen, wenn es am Ende des Forschungsprojekts gelänge, beim automatischen Check die knapp 40 Prozent intakten Container mit hoher Trefferquote aus dem Zustrom auszusortieren. Anschließend könnte die künstliche der menschlichen Intelligenz nacheifern: aus Erfahrungen lernen und mit der Zeit immer besser werden.