Hamburg. Vor einem Jahr trieb der brennende Frachter „Yantian Express“ von Hapag-Lloyd auf offener See. Alles über den Untersuchungsbericht.
Ein Jahr ist seit der verheerenden Brandkatastrophe auf der „Yantian Express“ vergangen. Das Containerschiff der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd schippert inzwischen wieder über die Weltmeere. Doch was damals in den 19 Tagen zwischen Hoffen und Bangen passierte, lässt die Experten bis heute nicht los.
Jetzt liegt der detaillierte Bericht der in Hamburg ansässigen Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen vor. Sein Ergebnis: Die 22 Mann Besatzung des unter deutscher Flagge fahrenden Schiffs haben tapfer gekämpft und Schlimmeres verhindert. Und die Reederei ist wahrscheinlich Opfer von falsch deklarierter Ladung geworden.
Container enthielt Shisha-Kohle statt Kokos-Pelletts
UACU5272502 ist die Nummer des Containers, von dem das Unheil am 3. Januar 2019 um 0:20 Uhr seinen Anfang genommen haben könnte. Völlig sicher sind sich die Experten bis heute nicht, weil die Zerstörung in der Folge so groß war, dass sich der Brandherd nicht mehr exakt lokalisieren lässt.
Laut Ladungspapieren sollte dieser Container Kokosnuss-Pellets enthalten. Tatsächlich fanden die Untersucher Reste von aus Kokosnuss-Schalen gewonnenen Würfel Pyrokohle, ähnlich wie Holzkohle. Diese Würfel dienen als Brennstoff für Shishas, also Wasserpfeifen. Das sichergestellte Material wurde bei der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) untersucht, mit dem Ergebnis, dass eine ausreichende Menge solcher Würfel schon bei Temperaturen ab 50 Grad zur Selbstentzündung führen.
Wachoffizier bemerkte den Brand vor den Rauchmeldern
Der Container war gefüllt mit 22 Tonnen Shisha-Kohle zusammen mit vielen anderen im Hafen von Vung Tau in Vietnam 32 Tage zuvor an Bord gekommen. Die „Yantian Express“ war auf dem Weg zum kanadischen Halifax, pflügte Kurs Nordwest durch die schwere See des aufgewühlten Nordatlantiks als das Feuer erkannt wurde. Hunderte Kilometer vom rettenden Land entfernt.
Nicht etwa einer der zahllosen Rauch- und Feuermelder an Bord schlug Alarm, sondern der Nautische Wachoffizier. Er war auf der Brücke gerade dabei die Uhren auf die Zeit am Zielhafen anzupassen, als er durch einen einen halben Meter breiten Spalt zwischen den Containertürmen in mehr als 100 Meter Entfernung ganz vorne im Schiffsbug einen Feuerschein bemerkte.
Besatzung versuchte stundenlang, das Feuer zu löschen
Der Erste Offizier kämpfte sich zusammen mit dem Wachmatrosen an Deck durch den heftigen Wind nach vorne und lokalisierten den Brand im Laderaum 2. Kurz darauf wurden die Feuerlöschpumpen zum Kühlen des Brandherds aktiviert. Erfolglos, das Feuer breitete sich schnell aus. Container mit Reifen, Kleidung und Einkaufstaschen aus Plastik brannten inzwischen.
Um 2:50 Uhr bat der Kapitän ein nahes Schiff um Beistand, falls die Besatzung schnell evakuiert werden müsse. Mit Atemschutzmasken und Feuerlanzen ausgestattet stiegen Besatzungsmitglieder in den Laderaum und bohrten Löcher in rauchende Container, um dort Wasser hineinzupumpen. Zunächst sah es so aus, als ob das Feuer eingedämmt werden könnte. Doch dann drang wieder Rauch aus Containern.
Container mit Schießbaumwolle explodiert
Nach 15 Stunden Löscharbeiten war die Besatzung erschöpft. Regen und starker Wind kühlten die Brandbekämpfer aus. Am 4. Januar morgens versagten die Lenzpumpen, weil das Löschwasser im Laderaum stark angestiegen war. Um 22:34 Uhr erreichte ein Lösch- und Bergungsschiff den brennenden Containerriesen. Wegen starken Sturms mussten die Löscharbeiten mehrfach unterbrochen werden. Weil das Wasser im Laderaum inzwischen bei neun Metern stand, wollte die Besatzung mit einer pressluftgetriebenen mobilen Pumpe den Wasserspiegel absenken.
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Doch als sich die Mannschaft gerade mit dem Gerät auf dem Weg nach vorne befand, ereignete sich im Vorschiff eine starke Explosion mit pulsierenden Flammen. Offenbar hatte sich das Feuer auf einen Container mit Nitrozellulose (Schießbaumwolle) ausgedehnt.
Am 5. Januar wurde ein Teil der Besatzung bis auf acht Mann auf das Bergungsschiff übergesetzt. Der Rest kämpfte weiter gegen die Flammen. Nach Absprache mit der Reederei wurden am Tag darauf auch die restlichen Besatzungsmitglieder evakuiert – vorsorglich. Ein neuer Sturm war in Anmarsch, der das Verlassen des Schiffs später zu einer lebensgefährlichen Aktion gemacht hätte.
"Yantian Express" trieb ohne Besatzung auf dem Atlantik
Nun trieb die „Yantian Express“ ohne Besatzung auf dem Atlantik. Das Feuer wurde nur noch durch die Löschkanonen des Bergungsschiffs bekämpft. Am 7 Januar traf ein weiteres Brandbekämpfungsschiff am Unglücksort ein. Erst am 9. Januar war der Brandherd soweit abgekühlt, dass fünf Freiwillige wieder zurück auf den Havaristen übersetzen konnten: der Kapitän, der erste Offizier, der Leiter der Maschinenanlage, der Zweite technische Offizier und der Maschinenkadett. Diese wurden später vom Vorstand von Hapag-Lloyd besonders ausgezeichnet.
Erst am 26 . Januar waren auch die letzten brennenden Container gelöscht, die „Yantian Express“ fuhr aus eigener Kraft zum Hafen Freeport auf den Bahamas, wo sie am 4. Februar eintraf und von der BSU bereits erwartet wurde. Im März war der Havarist weitgehend entladen und fuhr zur Reparatur nach China. Seit Ende August ist das Schiff wieder in Fahrt.
Container voller Shisha-Kohle vorsätzlich falsch deklariert?
Die Experten der (BSU) gehen davon aus, dass der Container mit der Pyrokohle, der oberhalb des Laderaum 2 an Deck stand, Ursprungsort des Brandes war. „Die Untersucher der BSU gehen davon aus, dass es sich bei der Deklaration des Produkts als Coconut Pellets um eine Falschdeklaration handelt“, heißt es in dem Bericht.
Die Untersucher wollen nicht ausschließen, dass dieses bewusst geschah, um besondere Auflagen zu umgehen, die für Gefahrgut gelten. Sowohl der Spediteur als auch der Versender schweigen dazu. Ob Hapag-Lloyd diese rechtlich belangt, ist offen: „Alle Fragen sind versicherungstechnisch und juristisch noch in der Schwebe. Wir können uns dazu nicht äußern“, sagte ein Sprecher der Reederei.
Die Besatzung wurde von den Seeunfalluntersuchern gelobt: Sie hätten den Löschangriff „in der bestmöglichen Art und Weise durchgeführt“.