Hamburg. Günstiger Preis pro Quadratmeter. Pilotprojekt in Neugraben soll Familien mit mittleren Einkommen bezahlbares Wohnen ermöglichen.
Offizieller Start für ein weiteres Hamburger Pilotprojekt zum bezahlbaren Wohnen: Im Neugrabener Neubau-Quartier Vogelkamp legten Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt, Architekt Heiner Limbrock und Burkhard Gierse vom Vorstand des Lebensversicherers und Bauherren Helvetia den Grundstein für den Bau von 44 Wohnungen, deren Kaltmiete fünf Jahre lang nicht mehr als acht Euro betragen darf.
In zwei viergeschossigen Häusern sollen vier- bis sechsköpfige Familien mit einer überschaubaren Mietzahlung komfortabel wohnen können. Und das nicht in öffentlich geförderten (Sozial-) Wohnungen, sondern im frei finanzierten Mietwohnungsbau. Zielgruppe sind Menschen mit einem mittleren Einkommen, das zwar oberhalb der Grenzen für Sozialwohnungen liegt, aber für die gängigen Neubaumieten auf dem freien Wohnungsmarkt nicht ausreicht.
Wohnungen ohne Flure
Besonders kostengünstiges Bauen soll die preiswerte Miete möglich machen. Ein wichtiger Faktor ist die Standardisierung, etwa von Fenstern und Inneneinrichtung. Zudem wurde sehr effizient geplant: „Unsere Wohnungen haben keine Flure. Es gibt als Zentrum der Wohnung einen großen Familienraum. An ihn schließt sich direkt die Küche mit Hauswirtschaftsraum an. Alle Zimmer orientieren sich zum Familienraum“, erläutert Architekt Heiner Limbrock.
Auch haben die Projektbeteiligten „Augenmaß bei der Haustechnik“ walten lassen. Dazu gehöre, dass die Installationen gebündelt werden und darauf geachtet werde, dass keine langen Leitungswege entstehen. Eine Besonderheit sind die Fahrstuhlschächte: Um die Investitionskosten für Lifte zu sparen, bleiben die Schächte zunächst leer. Sechs barrierefreie Wohnungen wird es deshalb nur im Erdgeschoss geben. Wenn gewünscht, können aber in einigen Jahren ohne großen baulichen Aufwand Fahrstühle nachgerüstet werden, da der benötigte Platz bereits vorhanden ist.
Erdgeschoss wird massiv gebaut
Gespart wird auch bei der Außendarstellung – es gibt keine digitale Ansichten der entstehenden Gebäude. Das Erdgeschoss werde konventionell massiv gebaut und mit hellem Klinker versehen, sagt Limbrock. Hier sollen eine Kindertagesstätte und kleinere Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs einziehen.
Die drei Stockwerke mit den Wohnungen darüber werden aus vorgefertigten Holzelementen gebaut und bekommen eine Fassade aus unbehandeltem Lärchenholz. „Jede Wohnung erhält eine Loggia oder eine Dachterrasse“, sagt Limbrock. Ansonsten werde das Flachdach begrünt.
Das Projekt beweise, das kostenreduziertes Bauen möglich sei, ohne dass die Bau- und Wohnqualität leide, betont der Architekt: „Liebgewonnene Gepflogenheiten müssen hinterfragt und neu interpretiert werden. Das gilt für die Grundrisse aber auch für die Baukonstruktion. Durch Holzmassivbauweise wird hier die Bauzeit wesentlich verkürzt, bei deutlich höherer ökologischer Nachhaltigkeit und mit gesundem Wohnklima.“
Limbrock rechnet damit, dass die Gebäude im ersten Quartal 2019 fertiggestellt sind. Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner lobt die besonders große Gebäudetiefe (Distanz zwischen Vorder- und Rückseite) von 16 Metern. Das sei ein guter Ansatz, um die immer knapper werdenden Bauflächen effektiv zu nutzen.
Entstanden ist das 8-Euro-Konzept 2016, als die durchschnittliche Kaltmiete in Hamburg bei acht Euro lag (heute 8,44 Euro). Die Bauten am Vogelkamp sind das zweite Modellprojekt – das erste ist der Bramfelder Dorfgraben, wo gerade 154 besonders günstige Wohnungen entstehen. Weitere 8-Euro-Wohnbauprojekte seien bereits geplant, so die Entwicklungsgesellschaft IBA Hamburg GmbH.
Stapelfeldt: „Wegweisendes Projekt“
Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt hofft, dass das „wegweisende Projekt“ am Vogelkamp Nachahmer im gesamten Stadtgebiet finden wird: „Von Neugraben gehen Impulse aus, wie jetzt bei dem 8-Euro-Wohnungsbau“, sagte die Senatorin anlässlich der Grundsteinlegung. „Wir haben damit ein bundesweit einzigartiges Vorhaben auf den Weg gebracht – vielleicht wird hier ein Stück neuer Architekturgeschichte geschrieben.“
Weniger euphorisch kommentiert Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) die Grundsteinlegung: „Eine Anfangsmiete von acht Euro netto kalt ist angesichts der schwierigen Lage in der Bauwirtschaft derzeit kaum zu erreichen. Kostentreiber sind vor allem die hohen energetischen Anforderungen an Neubauten und die fehlenden Kapazitäten in der Bauwirtschaft.
Diese verhindern, dass trotz Typenbauweise und Standardisierung Baukosten gesenkt werden können. Eine Netto-Kalt-Anfangsmiete muss daher – realistisch betrachtet – zwischen neun und zehn Euro liegen.“