Winsen/Thieshope. Der Kreis Harburg kritisiert erste Einschätzung des Bundes zur Y-Trasse. Die Bewertung liegt zudem erst seit Montag in Winsen vor
Die erste Einschätzung des Bundes über die diskutierten Varianten der Y-Trasse sind für den Landkreis Harburg wenig überzeugend. „Dieses Papier stiftet mehr Verwirrung als Erklärung und scheint mit sehr heißer Nadel gestrickt worden zu sein“, sagte Landrat Rainer Rempe am Donnerstag dem Abendblatt. Am heutigen Freitag treffen sich die Teilnehmer zur zweiten Sitzung des Dialogforums Schiene Nord in Celle. Dann wird über den Bau der neuen Bahntrassen beraten. Die Einschätzung der Freiburger Beraterfirma BVU Wirtschaft+Verkehr war am Montag am frühen Abend in der Kreisverwaltung eingetroffen. Über die Gleise der Y-Trasse sollen künftig Container aus den Häfen Hamburg und Bremerhaven in Richtung Hannover transportiert werden.
„Auf den ersten Blick habe ich mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass die alte Y-Trasse klassisch auch in dieser aktuellen fachlichen Prüfung der BVU als beste Variante abschneidet, während andere ebenfalls bereits vor Jahren geprüfte Varianten in der Kosten-Nutzen-Analyse erneut durchfallen“, sagte Rempe. Doch die Tücke stecke offenbar im Detail. „Denn nach erster Sichtung durch unsere Fachberater zeichnet sich ab, dass die Grundlagen der Bewertung und die ausgewählten Vergleichsfaktoren nicht nachvollziehbar sind. Es finden sich erhebliche Abweichungen von der Machbarkeitsstudie der DB-Netz AG, die uns aus den Unterlagen unerklärlich sind.“ Beim Thema Y-Trasse berät Thomas Rössler von der Hamburger Hanseatic Transport Consultancy den Kreis.
Rempe kritisierte auch die knappe Überstellung der BVU Bewertung. Sie „erschwert eine fundierte Auswertung und verschiebt die Diskussion erneut. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Zeitplan des Dialogforums nicht stimmt. Für eine verantwortungsvolle Diskussion auf Augenhöhe ist mehr Zeit und Sorgfalt notwendig.“
Die Kosten-Nutzen-Analyse, die die klassische Y-Trasse und den Ausbau der Strecke Ashausen-Unterlüß als gesamtwirtschaftlich am rentabelsten beurteilt, hat auch nach Auffassung der SPD-Bundestagsabgeordneten Svenja Stadler ein Manko. Denn in die Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit seien auch Personenverkehre einbezogen worden. „Das widerspricht der Ausgangsposition, nach der – laut Verkehrsgutachten – in den kommenden Jahren ein Anstieg der Güterverkehre zu den Nordseehäfen zu verzeichnen sein wird“, sagt Stadler. Wenn man sich auf diese beschränke, fielen die Bewertungen für die klassische Y-Trasse schlecht aus, so Kirsten Lühmann, Sprecherin für Verkehr der SPD-Bundestagsfaktion.
Zudem solle man das wirtschaftliche Gutachten als das betrachten, was es sei: eine erste Einschätzung. Das betone auch der Verfasser, so Stadler. „Klar ist, dass es noch besserer Abwägungen und detaillierter Beurteilungen bedarf und dass die von mir und Kirsten Lühmann favorisierte Alphalösung ebenso wirtschaftlich sein kann.“ Dies hält auch die BVU für möglich.
Auch die Bürgerinitiative Forum Pro Lebensqualität kritisiert, dass die Daten des Bundes erst spät zugänglich waren. Darüber hinaus fehlten Modelldaten für die Auslastungsuntersuchung sowie die Unterlagen zur Kosten-Nutzen-Kalkulation. Das Forum fordert, eine Trassenbasis und sämtliche Abweichungen als Untervarianten festzulegen, um alle Varianten identifizieren zu können. Zwischen den von der Bahn vorgeschlagenen Varianten und den externen Vorschlägen (Breimeier-Trasse, OHE-Trasse) sei ein Vergleich schwer möglich.
„Es ist gut, dass wir das Dialogforum haben. Dort wird entschieden, mit welchem Lösungsvorschlag sich der Bundestag zu befassen hat“, stellt Stadler fest. „Die verantwortlichen Ministerien in Bund und Land sowie die Führung der Bahn haben die Ergebnisse des Forums als ausschlaggebend bezeichnet.“ Allerdings hatten beim Informationsabend des Kreises in Winsen Landrat Rempe und Winsens Bürgermeister André Wiese darauf verwiesen, dass das Ergebnis des Forums unverbindlich sei.