Winsen. Schlechte Informationspolitik aus Berlin, absurde Streckenverläufe und ein Haufen unbeantworteter Fragen: Landkreis informierte über Y-Trasse und Co.

Das Dialogforum womöglich eine Farce, die Trassenvorschläge absurd, der Landkreis Harburg nicht ernst genommen – Landrat Rainer Rempe war anzumerken, dass er mit der Gesamtsituation höchst unzufrieden ist.

Rund 200 Zuhörer waren am Mittwoch zu der Infoveranstaltung in die Winsener Stadthalle gekommen, bei der der Landkreis, der von ihm beauftragte Verkehrsgutachter Thomas Rössler und Vertreter des Dialogforums mit den Bürgern über Verfahren und Sachstand bei der Suche nach Alternativen zur einst geplanten Y-Trasse diskutieren wollten.

Gegen vier der sieben vorgestellten Varianten gibt es erheblichen Widerstand. Zudem äußerten die fast vollzählig angetretenen Landkreis-Bürgermeister und andere Politiker ihr Unverständnis darüber, dass eine vor 20 Jahren entwickelte und für gut befundene Planung nun neu aufgerollt wird und auch Varianten geprüft werden, die seinerzeit „mit Pauken und Trompeten durchgefallen“ waren, wie Hanstedts Bürgermeister Olaf Muus sagte.

Mehrmals äußerte Rempe an diesem Abend seinen Ärger darüber, dass keine Verantwortlichen von Bahn und Bundesverkehrsministerium es für nötig gehalten hatte, nach Winsen zu kommen. Winsens Bürgermeister André Wiese beklagte, die Y-Trasse stehe für eine völlig verkorkste Infrastrukturplanung.

Um welche es geht, stellte Alexander Stark von der Abteilung Kreisentwicklung dar, während Rempe noch vor „absurden Vorschlägen“ warnte. Die Zuhörer wurden diesbezüglich nicht enttäuscht. Die SGV-Y genannte Variante sieht eine Neubaustrecke parallel zur A7 vor.

Die Ausbauvariante fügt der Bestandsstrecke Hamburg—Lüneburg—Hannover–Uelzen ein weiteres Gleis hinzu „Das heißt, in Winsen wären die Stadtwerke und der Bahnhof im Weg, und die A39 bei Bardowick müsste verlegt werden“, sagte Stark, was für Gelächter sorgte. Ganz zu schweigen davon, dass das heute noch nicht einmal gebaute Parkhaus wieder abgerissen werden müsste.

Die vom Verkehrsclub VCD ins Spiel gebrachte Breimeier-Variante, die in weiten Teilen den Wiederaufbau stillgelegter Strecken zwischen Neu Wulmstorf, Buchholz, Marxen, Brackel und Lüneburg umfasst, stellte Stark als kritisch dar. „Zur Umgehung einer Ferienhaussiedlung kreuzt sie zweimal die B3 und würde in Marxen und Brackel in Troglage verlaufen.“

Außerdem müsste die nach der deutschen Teilung abgerissene Elbbrücke bei Dömitz neu aufgebaut werden. Problematisch sei, dass keine Unterlagen vorlägen, die einen wertfreien Vergleich der Trassen ermöglichten, so Stark.

Anschließend kamen Zuhörer und Bürgermeister zu Wort. Eberhard Leopold vom Bürgerbündnis Nordheide fragte, warum die Problematik der überlasteten Bahnknoten keine Rolle spiele. „Das sieht der Bundesverkehrswegeplan nicht vor“, sagte Gutachter Rössler.

Ein Zuschauer wollte Näheres zu den Kosten wissen. „Transparenz ist hier nicht gegeben“, sagte Bürgermeister Wiese. „Wir haben aber den Eindruck, dass die Neubauvarianten bewusst günstig gerechnet wurden.“

Die Absurdität der Breimeier-Trasse zeigte Neu Wulmstorfs Bürgermeister Wolf-Egbert Rosenzweig auf: „Ich dachte erst, das ist ein Scherz. Oder ein Beitrag von extra3“, sagte er. Die Trasse soll parallel zur A 26 verlaufen.

„Da wohnt ein Vogel, für den die Autobahn verlegt und eine Lärmschutzwand gebaut wurde. Wir dürfen dort nicht mal einen Radweg neben der S-Bahn bauen. Herr Breimeier sagt dazu, das habe man nicht bedacht, das sei aber auch nicht relevant“, so Rosenzweig.

Verärgert waren die Verwaltungschefs, aber auch die Vertreter der Bürgerinitiativen darüber, dass sie kaum Gelegenheit haben, sich angemessen auf die Treffen des Dialogforums vorzubereiten. „Ich komme da an meine Grenzen“, sagte Wiese.

Die Unterlagen für die Forumstreffen kämen zu spät, sagte auch Rempe. Daniel Hitschfeld vom Dialogforum sicherte zu, die notwendigen Unterlagen sofort weiterzuleiten, auch seien die Referenten angehalten, allgemeinverständlich zu sprechen.

„Ich komme mir vor wie bei der Modelleisenbahn, wo man einfach ein paar Lego-Häuser umsetzt. Ich habe gestern erst die Einladung zum Forum erhalten“, seufzte Hans-Heinrich Höper (Jesteburg). „Das ist System“, vermutete gar Rosenzweig.

Dass künftig eine Y-Trasse gebaucht wird, daran lassen die Daten aus dem Bundesverkehrswegeplan sowie von weiteren Erhebungen wenig Zweifel. So rechnet der vom Landkreis für das Dialogforum beauftragte Experte Rössler damit, dass im Jahr 2030 rund 58.000 bis 64.000 Containerzüge notwendig sein werden, um Boxen abzutransportieren.

„Kommunen und Bürgerinitiativen müssen sich auf eine Trasse einigen, die gebaut werden könnte“, empfahl Bürgerbündnis-Chef Leopold zum Abschluss der Diskussion. Soweit ist es noch nicht. Aber auch Rempe sah sich am Mittwoch nicht „in der Schusslinie“ der Bürger.

„Es war gut und richtig heute Abend einzuladen“, sagte er und erntete Applaus. In jedem Fall soll es voraussichtlich im September eine weitere Informationsveranstaltung geben. „Vielleicht“, so der Landrat, „werden es auch zwei.“