Bendestorf. Für ein Wochenende kam ein Hamburger Filmteam in die Nordheide und hauchte den alten Filmstudios noch einmal Leben ein.

Die Parkplätze sind voll besetzt, durch die geöffnete Tür eines weißen Transporters sieht man auf technisches Equipment, die blaue Tür der ehemaligen Vox-Klangstudios steht weit offen—für zwei Tage waren am vergangenen Wochenende in den ehemaligen Bendestorfer Filmstudios das Leben und der Film zurück. Der Harburger Regisseur Dennis Albrecht drehte auf dem Gelände Szenen für die elfte Folge seiner kleinen aber feinen Fortsetzungsserie „Filmstadt“.

Darin erzählt er die Geschichten von Bewohnern der Film- und Fernsehwelt jenseits des Glamours. Die Episoden handeln von der Tristesse bei Castings, den Gefühlen der Komparsen, haarsträubenden Ideen der Produzenten, die Gier nach Macht über Menschen und Geld, der Arroganz der Filmförderung und den Blendern der Branche. Gedreht wird mit kleinen Handkameras, „Filmstadt“ orientiert sich an dem Storytelling neuer amerikanischer Serien und sieht sich als Alternative zu den Vorabendserien im deutschen Fernsehen. Dennis Albrecht will beweisen, dass trotz kleinstem Budget Qualität entstehen kann – und seine Zuschauer findet: „Unabhängiges Fernsehen ist heute im Internet möglich.“ Für seine unabhängige Fernsehproduktion braucht er immer Geld, wer möchte kann das Projekt durch
Crowdfunding unterstützen.

Bei „Filmstadt“ wirken aus dem Fernsehen bekannte Serienschauspieler mit. Oliver Hermann („Alpha Team“) spielt einen aalglatten Produzenten von Billigformaten, der Konkurrenten erbarmungslos in die Pleite treibt. Angelina Kamp („Notruf Hafenkante“) gibt seine überforderte Assistentin. Dietmar Horcicka, er spielt den glücklosen und etwas naiven Produzenten „Shorty“, ihn könnte man aus dem Theater oder aus Fernsehfilmen kennen. Wer hier mitspielt, kann sich ausprobieren, jenseits der stereotypen Rollen, die Deutsche Durchschnittsserien zu bieten hat.

Dennis Albrecht dreht gern in alten Stätten der Filmkunst: Savoy, Passage, Rialto – alles längst verschwundene alte Kinos, die ihm für seine „Filmstadt“-Serie noch als Kulisse dienten, kurz bevor sie abgerissen wurden. Er liebt Orte, die etwas erzählen, so wie die Bendestorfer Filmstudios oder die Hamburger Landungsbrücken. Viele Szenen spielen im Hamburger Süden, im Musikclub „Stellwerk“ in Harburg, am Bahndamm in Neugraben oder im Museum Elbinsel Wilhelmsburg, das für den Dreh zu einem fiktiven Landsitz wurde.

In Bendestorf ist auf der bröckelnden Betonauffahrt inzwischen das Filmteam unterwegs. Dennis Albrecht bespricht mit seinem Team die Szene. Darin geht es darum, dass die beiden Filmproduzenten „Shorty“ und Gorweiler planen, die alten Filmstudios in Bendestorf zu kaufen und das freudige Ereignis mit einer große Gala mit viel Glitzer und Glamour zu feiern. Gorweilers Assistentin Evelyn kritzelt derweil eifrig ihr Klemmbord voll. Was der liebe „Shorty“ allerdings noch nicht weiß: „Der Gorweiler ist ein fieser Typ und wird ihn betrügen“, sagt Oliver Hermann über seine Rolle als Fiesling vom Dienst.

Mit seinem Rollennamen hat der Hamburger Schauspieler seine kleinen Probleme: „Irgendeiner hat mal zwischendurch „Gorleben“ gesagt und jetzt bin ich dauernd Herr Gorleben“, grinst er. Außerdem mit dabei sind zwei minderbemittelte Security-Männer, die an Geister glauben und gern mal das Pfefferspray zücken. Nils Holst und Oliver Kleinfeld („Krude TV) spielen so überzeugend, als ob sie noch nie etwas andere gemacht hätten.

Nachdem Kameramann Christian Grundey die Totalaufnahmen im Kasten hat, geht’s an die Spezialaufnahmen. Die Akteure werden einzeln gefilmt, während sie spielen: Erst aus der Nähe, dann nur das Gesicht. Für den späteren Schnitt des Films hat der Regisseur so genug Variationsmaterial. Alle, das heißt die fünf Schauspieler und das achtköpfige Team hinter der Kamera, sind konzentriert. Vom Tontechniker bis zum Beleuchter, vom Mann mit der Filmklappe bis zum Regisseur sind alle ganz bei der Sache. Wieder und wieder wird die Szene wiederholt – so ein Filmdreh kann manchmal ganz schön zäh sein, aber auch das gehört zum Beruf.

In den kurzen Pausen zücken alle sofort das Smartphone und checken, was los ist in der Welt. Vor allem die Kollegen von Krude TV, einem schrägen Comedy-Format, das der NDR in seinem Dritten Fernsehprogramm zeigt und das für einen öffentlich rechtlichen Sender unerwartet komisch ist, sind mit ihren Handys immer ganz dicht dran an Internet, Facebook und Co. So wie alle, die an diesem Projekt „Filmstadt“ mitwirken, bekommen sie keinen Cent Gage. „Das ist uns wichtig, dass es solche Leute wie Dennis und seine Ideen gibt“, sagt Kleinfeld.

Die zweite Szene spielt im ehemaligen Produzentenkino der Filmstudios mit seinen hübschen, etwas staubigen Kinosesseln mit den roten Plüschbezügen. Die beiden unterbelichteten Wachmänner haben „Shorty“ nachts in der Dunkelheit für einen Verbrecher gehalten und ihn mit Tränengas außer Gefecht gesetzt. Maskenbildnerin Juliane Wex hat ganze Arbeit geleistet, nun sitzt Dietmar Horcicka mit rot geschminkten Augen im Kinosessel und heult in ein Taschentuch.

Etwas mehr als drei Stunden hat das Team an diesem Sonnabend gedreht. „Heraus kommen am Ende ungefähr 10 bis 11 Minuten“, schätzt Albrecht. In der kleinen Küche des Tonstudios kocht schon ein großer Topf mit Nudeln, dazu hat Albrechts Frau Emma eine leckere Tomatensoße gekocht. Sie versorgt das Team den Tag über mit Obst, Schnittchen und selbstgebackenem Kuchen. Doch nun werden Stühle an einen großen Tisch geschoben, es wird geredet, gelacht und gegessen. Das haben sich hier alle verdient.

Weitere Infos über das Projekt „Filmstadt“ und zum Thema Crowdfunding findet sich im Internet unter www.nordstarter.org