Juristin im Abendblatt-Interview. Die mächtigste Filmförderfrau Berlins und gebürtige Hamburgerin vergibt über das Medienboard Berlin Brandenburg jährlich 24 Millionen Euro an Fördermitteln.
Hamburg. Berlins mächtigste Filmförderfrau kommt aus Hamburg. Kirsten Niehuus ist in Winterhude aufgewachsen und kommt regelmäßig zu Besuch, um Verwandte und Freunde zu besuchen. Beruflich ist sie seit zehn Jahren eine von mittlerweile zwei Geschäftsführern beim Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB). Die Juristin mag George Clooney und Matthias Schweighöfer, sie mag aber auch Franzbrötchen, die sie nach ihrer Rede beim deutsch-französischen Kinotreffen einmal allen Teilnehmern als Hamburger Spezialität ans Herz legte.
Hamburger Abendblatt: Wenn es um den deutschen Film geht, wird oft über eine bestimmte Stilrichtung diskutiert, die Berliner Schule. Zu welcher Schule sind Sie selbst gegangen?
Kirsten Niehuus: Aufs Heilwig-Gymnasium. Wir hatten noch alte Stempel in den Schulbüchern mit dem Zusatz: Gymnasium für höhere Töchter. Wir waren der erste gemischte Jahrgang. Es waren nur fünf Jungs, aber 25 Mädchen.
Haben Sie sich trotzdem noch wie eine höhere Tochter gefühlt?
Niehuus: Nein.
Wie wird man Chefin einer Filmförderung?
Niehuus: Ich habe in Hamburg Jura studiert. Während meines Referendariats brauchte ich auch eine Verwaltungsstation. Ein Freund aus Berlin hat mir damals von der Filmförderungsanstalt erzählt. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und taugt dazu, den entsprechenden Dienst abzuleisten. So bin ich 1988 zur FFA gekommen, habe Berlin noch mit Mauer erlebt. Wenn ich so zurückblicke, finde ich es toll, die Stadt vorher und hinterher erlebt zu haben.
Was hat Sie an diesem Beruf gereizt?
Niehuus: Ich bin schon immer wahnsinnig gern ins Kino gegangen. Als Juristin fand ich diese Mischung aus Kreativität und Unterstützung enorm reizvoll. Es ist schön, wenn man dabei helfen kann, das Filmförderungsgesetz so anzuwenden, dass die Kreativen möglichst viel davon haben.
Ohne Juristen gäbe es wohl keine Filmproduktionen. Wieso eigentlich?
Niehuus: Da müssen so viele Verträge in einer immer komplizierter werdenden Medienwelt geschlossen werden. Es werden immer mehr internationale Koproduktionen auf die Beine gestellt. Da geht es dann nicht mehr nur um deutsches Recht, sondern auch um französisches, britisches, amerikanisches...
Aber das ist nicht genau Ihre Aufgabe, Sie versuchen Filme zu ermöglichen. Haben Sie ein Credo?
Niehuus: Ja. Ich will Filme so unterstützen, dass sie in ihrer jeweiligen Kategorie erfolgreich sein können. Mein Herz schlägt sowohl für die stark künstlerisch geprägten Filme als auch für erfolgversprechende Blockbuster von Til Schweiger, Matthias Schweighöfer oder George Clooney. Mein Filmgeschmack ist ziemlich breit aufgestellt.
Müssen Sie einen Film mögen, um ihn zu fördern?
Niehuus: Nein, das muss ich nicht. Ich stelle mir ja nicht meine eigene Videothek zusammen. Es geht darum, ob ein Film auf Festivals oder beim Publikum erfolgreich sein kann. Aber ich muss meine Erfahrungsmesslatte anlegen können.
Viele Hamburger Medienschaffende blicken etwas neidisch nach Berlin. Es gibt dort mehr Fördergeld, Kreative wandern ab. Wie sehen sie das Verhältnis von Hamburg zu Berlin?
Niehuus: Wir sind eine der östlichen Filmförderungen, arbeiten aber mit anderen Förderinstitutionen zusammen. Bei aller Konkurrenz, die es untereinander gibt, ist man doch immer sehr bemüht, sich gegenseitig zu unterstützen, um dem deutschen Film zu helfen.
Zusammen mit der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein betreiben Sie den deutsch-türkischen Co-Production Development Fund. Wie wird er angenommen?
Niehuus: Wir hatten gerade die vierte Entscheidungsrunde und es läuft bisher sehr gut. Wir bekommen viele Anträge. Unsere türkischen Partnerinnen veranstalten auch das Istanbul Film Festival. Dort gibt es eine Veranstaltung mit dem Titel Meetings on the Bridge. Aus diesem kleinen Topf sind zwei Filme entstanden, die im Frühjahr bei der Berlinale liefen.
Bei der Berlinale sonnen sich auch Leute im Scheinwerferlicht, die sich sonst nicht so sehr für Kino interessieren. Wie wichtig ist der Glamourfaktor im Geschäft?
Niehuus: Er ist beim Film nicht wegzudenken. Er hält das Thema in den Medien präsent, kommt aber natürlich mehr aus dem Hollywood-Bereich. In Europa ist das Filmemachen oft weniger glamourös. Aber mit diesem Faktor kann man darauf hinweisen, wenn Stars sich für sozialpolitische Themen interessieren. Am Ende des Tages macht es doch jedem Spaß, mal über den roten Teppich zu gehen, um sich an den schönen Schauspielern oder den schönen Kleidern der Schauspielerinnen zu erfreuen.
Sie verwalten einen ziemlich großen Fördertopf: 24 Millionen Euro pro Jahr, die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein hat 11,1 Millionen. Internationale Stars kommen auch deshalb nach Berlin, um dort Filme zu drehen. Das zieht in anderen Regionen Neider nach sich. Hamburg ist da etwas abgeschlagen. Was müsste passieren, damit sich im Norden etwas ändert?
Niehuus: Eva Hubert macht in Hamburg einen tollen Job, und wir freuen uns immer, wenn Synergien entstehen. An die Hamburger Politik gerichtet, muss man sicher die vielen positiven Effekte der Filmförderung sowohl wirtschaftlich als auch kulturell immer wieder herausstellen. In dieser Kombination ist Film einzigartig und als Stadtwerbung unschlagbar. Das sieht man ja auch daran, dass man sich in Hamburg noch immer über den James-Bond-Film, der hier gedreht worden ist, freut. Aber auch die letzten Erfolge, zum Beispiel „Honig im Kopf“ von Til Schweiger, der in der Hauptstadtregion und der Hansestadt entstanden ist und bestimmt ein Publikumserfolg werden wird, und der neue Film „The Cut“ des Hamburger Regisseurs Fatih Akin, der von beiden Förderungen unterstützt wurde und nun im Wettbewerb in Venedig laufen wird, zeigen, dass Hamburg über viel Potenzial verfügt und die Achse vom Norden in den Osten gut funktioniert.
Im MBB gibt es unverhältnismäßig viele Frauen, man spricht auch vom „Mädchen-Board“. Ist das ein Zufall?
Niehuus: Es hat sich in den vergangenen Jahren ein wenig zugunsten der Männer verändert, mein Geschäftsführungskollege ist ein Mann. Aber Sie streifen eine interessante Frage. In den Ausbildungsbereichen Regie und Produktion werden etwa gleich viele Männer und Frauen ausgebildet. Aber wo bleiben die Frauen anschließend eigentlich ab? Das finde ich bedauerlich. Das Filmemachen ist immer noch eine Männerdomäne. Film kommt in der Anmutung oft modern daher, aber unter diesem Gesichtspunkt ist er es überhaupt noch nicht.
Sie haben gesagt, mittlerweile herrsche im Kino ein neuer Zeitgeist, der vom Berliner Lebensgefühl geprägt wird, Wie haben Sie das gemeint?
Niehuus: Vor zehn bis 15 Jahren war die Hauptstadtregion im Publikumsfilm-Bereich nicht besonders erfolgreich. Eine bestimmte Form der Komödie braucht eine sorgenfreiere Lebenswelt als Grundlage. Das gab es in Berlin damals nicht. Die etwas besser Situierten haben etwas außerhalb gewohnt, waren nicht so auffällig und im Schnitt etwas älter. Aber die New Economy hat auch Berlin geprägt. Mit „Keinohrhasen“ wurde plötzlich ein ziemlich anderer Lifestyle in der Komödie sichtbar, mit einer ziemlich gleichberechtigten Frau, die Nora Tschirner verkörperte. So etwas gab es vorher bei uns nicht.
Sie haben auch gesagt, Film geht immer dahin, wo das Geld herkommt. Ist das ein gutes Prinzip?
Niehuus: Film ist teuer. Geld allein ist sicher nicht das alleinige Entscheidungskriterium, aber für viele Filme ist es entscheidend, dahin zu gehen, wo sie die meiste Förderung bekommen, national wie international. Die Film Commission aus Los Angeles hat neidvoll registriert, wie viele Filme mittlerweile in Europa und Deutschland produziert werden. In Hollywood fast gar keine mehr, weil es dort kein Geld gibt.