Gegen die „erstmalig endgültige Herstellung“ von Erschließungsstraßen haben sich gleich drei Anwohnerinitiativen gegründet. Unangekündigte Vermessungsarbeiten auf Privatgrundstücken sorgen für Verärgerung.
Harburg. Einen ungewöhnlichen Ansturm erlebte am Dienstagabend die letzte Sitzung der Bezirksversammlung vor der Bürgerschaftswahl. Neben den 51 Abgeordneten strömten in etwa ebenso viele Bürger in den Großen Festsaal des Harburger Rathauses.
Das Gros war indes nicht an einem finalen Wahlcheck der Ansichten und Meinungen zu aktuellen kommunalpolitischen Fragen interessiert, wie sich bald herausstellen sollte. Vielmehr bewegte die meisten Zuhörer einzig und allein ein Thema, das traditionell und vorhersehbar stets emotionsgeladen ist: die „erstmalig endgültige Herstellung von Straßen“.
Bereits vor einem Jahr hatte es an gleicher Stelle zum Thema eine hitzige Diskussion gegeben. Seinerzeit hatte die CDU-Fraktion, damals noch in der Opposition und nicht Teil der Großen Koalition, Bezirksamtsleiter Thomas Völsch frontal attackiert.
In einem Antrag forderten die Christdemokraten eine offizielle Missbilligung des Verwaltungschefs, weil er bereits am 17. Mai 2013 hinter dem Rücken des Bezirksparlaments mit der Finanzbehörde eine Vereinbarung über die „erstmalig endgültige Herstellung von Straßen“ im Bezirk Harburg unterzeichnet habe, ohne die Bezirkspolitik einzubeziehen. Erwartungsgemäß war die CDU-Fraktion mit ihrem Vorstoß seinerzeit an der absoluten SPD-Mehrheit gescheitert.
Streitpunkt damals wie heute ist eine Prioritätenliste, in welcher Reihenfolge Straßen fertiggestellt werden sollen. Sie geht zurück auf eine Rüge des Bundesrechnungshofes, der die finale Gestaltung von 500 Straßen in ganz Hamburg angemahnt hatte, damit die Erschließungskosten endlich abgerechnet werden können. Der Knackpunkt laut CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer ist, „dass bis zu 90 Prozent dieser Kosten umgelegt werden können“. Und zwar vornehmlich auf die Anlieger.
Dass sich dagegen Widerstand regt, ist nachvollziehbar. Diese Beiträge liegen oft im mittleren fünfstelligen Bereich. Solche Summen hat aber kaum jemand mal eben zur Hand. Schon gar nicht in Zeiten sinkender Realeinkommen und einer nachgerade lächerlichen Verzinsung von Spareinlagen.
So verwundert es nicht, dass sich zur Öffentlichen Fragestunde gleich drei Anwohnerinitiativen angemeldet hatten, denen die Pläne zum Ausbau ihrer Straßen gehörig gegen den Strich gehen. Zumal die meisten davon erst erfahren hätten, als Vermessungsingenieure nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch auf privaten Grundstücken maßnahmen.
„Wir sind maßlos verärgert über das Verfahren und dass wir von dem Vorhaben praktisch nur durch Zufall erfahren haben“, sagte ein Vertreter der Anwohnerinitiative Foßholt/Plaggenhieb. SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath versuchte die Gemüter zwar mit dem Hinweis darauf zu beruhigen, die Vermessungsarbeiten seien nur Teil der Analyse, Entscheidungen über Art und Umfänge der Maßnahmen seien längst noch nicht gefallen. Alle drei Anwohnerinitiativen eint derweil die Überzeugung, dass ihre Straßen völlig in Ordnung sind.
„Wir weisen darauf hin, dass die Rönneburger Freiheit in einem einwandfreien Zustand ist“, teilten Gudrun und Ingo Steppat für die gleichnamige Initiative mit. Es bestehe daher keinerlei Grund für eine Sanierung. Überdies sei der Fahrbahnbelag erst vor einigen Jahren erneuert worden. Im Namen der AI Foßholt/Plaggenhieb lehnten auch Heike und Thomas Jobmann jedwede Baumaßnahmen in ihren nur etwa 200 Meter langen Sackgassen ab. „Park- und Stellplätze sind in ausreichender Form auf und vor den Grundstücken vorhanden“, heißt es in ihrem Schreiben.
Die AI „An der Eiche“ illustrierte gleich mit Fotos, dass jegliche Baumaßnahmen an ihrer Straße überflüssig seien. Kinder könnten dort gefahrlos spielen, Unfälle hätte es noch nie gegeben und einen begehbaren, wenn auch unbefestigten Fußweg gebe es auch.
Vielmehr würde ein Ausbau unweigerlich Enteignungen und einen „ökologischen Eingriff“ in den flankierenden Wald nach sich ziehen. Deshalb erwarten die Anwohner, dass die alten Bebauungspläne aus den Jahren 1968 und 1974 kritisch auf heutige Ansprüche hinsichtlich Umweltverträglichkeit und Verkehr geprüft und unnötige finanzielle Belastungen vermieden würden.
Diese Forderung unterstützt auch CDU-Chef Fischer: „Es muss nicht nur genau geschaut werden, ob früher geplante Ausbaumaßnahmen überhaupt noch zeitgemäß sind, es muss auch ernsthaft geprüft werden, inwieweit Teilabrechnungen mit den Anwohnern möglich sind.“ In jedem Fall müssten die Bürger frühzeitig in alle Planungen eingebunden und angehört werden. Dies forderten im Prinzip auch allen anderen Fraktionen.
Zweifel an einer wirklichen Bürgerbeteiligung artikulierte unterdessen Isabel Wiest von den Neuen Liberalen. Die detaillierte Vorstellung konkreter Baumaßnahmen im Verkehrsausschuss am 15. Januar würde den Verdacht nahelegen, dass in vielen Fällen Entscheidungen längst gefallen seien. „Es ist deshalb an der Zeit, den Leuten endlich reinen Wein einzuschenken“, so Wiest.