Die marode Kreuzeryacht hat den Harburger Binnenhafen nach drei Jahren per Schwimmdock und Schwimmkran verlassen können.
Harburg. Es ist vollbracht. Die vom Holzpilz befallene und nicht mehr schwimmfähige Kreuzeryacht Artemis ist gestern in einer spektakulären Aktion aus dem Harburger Binnenhafen geholt worden. Sie wurde von Schwimmkran HHLA 4 über die Süder- und Norderelbe zum Hafenmuseum "50er-Schuppen" im Hansa Hafen geschippert und dort an Land gehoben. Nun wird ein Kaufinteressent gesucht, der das immer noch recht wertvolle historische Schiff auf einer Werft für Holzschiffe wieder aufbauen lassen könnte. Vom neuen Standort wird sich die in einen Stahlkäfig eingepackte Segelyacht bequem abholen lassen können.
Der Abtransport der auf 150 Tonnen Gesamtgewicht geschätzten "Artemis" war eine logistische Meisterleistung. Weil der mit 200 Tonnen Tragkraft ausgestattete HHLA-Schwimmkran nicht durch die nur 17,4 Meter breite Harburger Schleuse passte und somit nicht in den Binnenhafen hineinfahren konnte, musste die Artemis (griech. Göttin der Jagd) mitsamt dem Schwimmdock der Werft "Jugend in Arbeit", das sie seit Herbst 2008 in Beschlag genommen hatte, von Schleppern durch die Schleuse auf die Süderelbe hinausgezogen werden. Von dort konnte sie vom HHLA-Kran aufgenommen und abtransportiert werden.
Bernhard Hauer, ehrenamtlicher Geschäftsführer des bereits aufgelösten Artemis-Betreibervereins, hat als Elektrotechniker und leidenschaftlicher Segler, die gesamte Aktion organisiert, unterstützt vom Schiffseigner, der Stiftung "Hamburg Maritim" und dem Harburger Beschäftigungsträger-Verein Jugend in Arbeit. Für Jugend in Arbeit ist der Abtransport in gewisser Weise ein Befreiungsschlag, denn nun steht das Schwimmdock wieder für neue Arbeiten zur Verfügung. Wie berichtet, befindet sich der Verein im Insolvenzverfahren. Es wird versucht, Jugend in Arbeit ab kommendem Jahr als reinen Ausbildungsbetrieb unter neuer Trägerschaft fortzuführen.
Das Schwimmdock war gestern früh gegen 8 Uhr im Auftrag von Benito di Racca, Chef der Hamburger HSH-Schleppgesellschaft, von dem zwei mal 800 PS starken Schlepper Ronja und dem 800 PS starken Schubexpress10 abgeholt und zur Schleuse bugsiert worden. Das war Präzisionsarbeit. Zwischen Dock und Schleusenwand gab es nur etwa einen Meter Luft. "Das ist schon ein kleines Manövrier-Kunststück, um nicht anzuecken und Schaden zu verursachen", sagt Benito di Racca, nicht ohne stolz zu sein auf seine sechs rot-schwarz gekleideten Leute, seine sogenannte Runnergang, die an Bord des Docks die Lage peilten.
Um 9.30 Uhr war die Schleusung glücklich beendet und das Anlagemanöver auf der Süderelbe, an den Dalben, Wassertreppe 75, beim Anleger der Wasserschutzpolizei, konnte beginnen. Auch hier waren Ronja und der Schubexpress mit ihren Mannschaften gefordert. Die Elbe hatte bei ablaufendem Wasser mächtig Strömung, die auf das Schwimmdock einwirkte. Aber schon eine halbe Stunde später war das Dock mit den Dalben vertäut und der Kran konnte kommen.
Bernhard Hauer: "Das alles ist leichter gesagt als getan. Und wenn ein Schwimmkran ein mehr als 100 Tonnen schweres Gewicht auf den Haken nimmt, dann kann das auf Seiten des Krans wie auf Seiten des Schwimmdocks zu Schlagseite führen, wenn durch Gewichtsverlagerung in Ballasttanks nicht gegengesteuert wird." Dafür war an Bord des Schwimmdocks eigens ein 450 Kilowatt starker Notstromgenerator installiert worden, der die von der Landversorgung abgeklemmten Dockpumpen mit Strom versorgen musste.
Um 12.10 Uhr war auch der Ballastausgleich erledigt und die Artemis schwebte am Haken von Bord des Schwimmdocks an Bord des Krans. Dabei konnte auch das tatsächliche Gewicht der bereits um Masten und zahlreiche Anbauteile erleichterten Artemis samt Stahlkorsett festgestellt werden: 110 Tonnen. Während die Artemis zum Hansahafen auf Reisen ging, wo sie gegen 15.30 Uhr ankam, wurde das Schwimmdock zurück durch die Schleuse in den Binnenhafen bugsiert. Die Kosten für die gesamte Aktion belaufen sich nach den Worten von Bernhard Hauer inklusive Versicherung auf etwa 25 000 Euro.
Die ursprüngliche Artemis war im Jahr 1900 in Southampton gebaut worden, nahm unter anderem auf der Ostsee an einer Regatta mit Kaiser Wilhelm teil, lag letztlich als Wohnschiff verkommen in der Themse-Mündung. 1994 holte die Stiftung Hamburg Maritim die Yacht zur Restaurierung nach Hamburg. Bei Jugend in Arbeit wurde 13 Jahre lang weitgehend am Neuaufbau der Artemis gearbeitet. 62 Bootsbaulehrlinge wurden im Projekt ausgebildet und 173 Hilfskräfte beschäftigt. 2008 übernahm der Artemis-Betreiberverein die Yacht, segelte mit dem Schiff nur eine knappe Saison. Leckagen trübten die Freude am Fahren. Als die Artemis dann im Herbst 2008 zur Überprüfung des Rumpfs bei Jugend in Arbeit ins Schwimmdock kam, wurde dann der Pilzbefall an Planken und Spanten festgestellt. Das schwere Schiff war nicht mehr schwimmfähig, konnte das Dock nicht mehr verlassen. Und für eine erneute Restaurierung fehlt der Stiftung das Geld.