Hamburg. Neue Gedenksteine sollen in Hamburg an die verstorbenen Babys von Zwangsarbeiterinnen erinnern. Nun werden Paten gesucht.

Am Anfang war es nur ein einzelner Name, auf den Margot Löhr gestoßen war. Der Name eines Kindes, das nur kurz leben durfte. „Als Sterbeort war das Zwangsarbeitslager Tannenkoppel in Langenhorn verzeichnet“, erinnert sich die Diplom-Psychologin. Diese Information ließ ihr keine Ruhe. Sie suchte weiter. „Ich wollte es für alle Gebiete in Hamburg genau wissen“, sagt die heute 75-Jährige über ihre Motivation.

Löhr erforscht seit vielen Jahren ehrenamtlich das Schicksal der Kinder von Zwangsarbeiterinnen in Hamburg. Jetzt setzt sie sich mit einer Gruppe von Mitstreitern dafür ein, dass auch der toten Kinder in Groß Borstel gedacht wird und für diese 30 Babys und Kleinkinder Stolpersteine gesetzt werden. Zuletzt wurden in Bergedorf Gedenksteine für Kinder von Zwangsarbeiterinnen verlegt.

Stolpersteine in Groß Borstel: Berührende Schicksale von kleinen Kindern

Die Namen von 418 Kindern, die während der Nazi-Diktatur in Hamburger Lagern und Krankenhäusern starben, fand die Hamburgerin bei ihrer akribischen Recherche im Rahmen der biografischen Forschungen zu den Stolpersteinen in Hamburg. Die Ergebnisse hat sie in den zwei Gedenkbüchern „Die vergessenen Kinder von Zwangsarbeiterinnen in Hamburg“ dokumentiert, die von der Landeszentrale für politische Bildung herausgegeben wurden.

Laut Margot Löhr waren zwischen 1939 und 1945 400.000 bis 500.000 ausländische Zwangsarbeiterinnen in Hamburg eingesetzt. An einige der Frauen, die bei der Zwangsarbeit ums Leben gekommen sind oder bei Strafaktionen erschossen wurden, erinnern heute Stolpersteine. Besonders berührt sie das Schicksal der vielen Babys und kleinen Kinder, die in den Lagern leben mussten.

Im Zwangsarbeitslager in der Sportstraße lebten mindestens 415 Frauen

Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf die Nachbarländer seien ihre Mütter zwischen 1939 und 1945 aus ihrer Heimat nach Deutschland verschleppt worden, um für die Rüstungsindustrie, in der Landwirtschaft und in privaten Haushalten Zwangsarbeit zu leisten. Ihre Kinder, meist in Hamburg geboren, waren die kurze Zeit ihres Lebens unter menschenunwürdigen Bedingungen im Lager untergebracht.

In der Sportstraße 10, die heute Sportallee heißt, in Groß Borstel gab es ein Zwangsarbeitslager der Deutschen Arbeitsfront (DAF) für die Vereinigte Deutsche Metallwerke AG mit sogenannter „Ausländerkinder-Pflegestätte“ für Säuglinge und Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen aus Frankreich, Lettland, Belgien, Russland, Ukraine, Litauen, Italien und den Niederlanden. Dort lebten laut Löhr mindestens 415 Zwangsarbeiterinnen.

„30 Kinder dieser Frauen sind gestorben“, sagt sie. Einer sei Denisos Valentin gewesen. Der Junge wurde am 17. Dezember 1944 geboren, starb aber bereits am 30. Januar 1945. Als Todesursache wurde Dystrophie genannt. „Also Mangelernährung“, sagt Löhr.

Autorin sagt: In vielen Familien ist nichts über die Zustände im Krieg bekannt

Zehn Jahre lang hat sie unermüdlich Daten gesammelt. „Viele Archive sind sehr hilfsbereit. Die Dinge sind zugänglich, aber es war eine mühsame Suche“, sagt die Hamburgerin. Sie hat viele Kontakte zu Nachfahren geknüpft – beispielsweise in Polen – und dabei festgestellt, dass in vielen betroffenen Familien gar nichts über die Zustände während des Kriegs bekannt ist. „Die Mütter erzählen oft nichts.“ Da sei viel Scham dabei, deshalb werde von vielen verschwiegen, dass sie einst ein Kind hatten, sagt die Psychologin.

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Auch Maria Koser engagiert sich bei der Suche nach Spendern für die neuen Stolpersteine in Groß Borstel. Die ehemalige Geschäftsführerin des Stadtteilarchivs hofft auf weitere Paten für die 120 Euro teuren Gedenksteine. Weitere Informationen finden Interessierte auf der Homepage des Projekts Stolpersteine in Hamburg.