Hamburg. Stille Nacht? Nicht für John Eisermann aus Winterhude. Er ist Heiligabend als Weihnachtsmann ständig in Zeitdruck. Warum ihn das freut.
Die Kirchenglocken läuten. In den Wohnzimmern versammeln sich die Familien vor dem geschmückten Weihnachtsbaum. Heiligabend – das von den Kindern ersehnte Fest, auf das sich auch die meisten Erwachsenen richtig freuen – hat begonnen. Ruhe und Besinnlichkeit kehren ein. Allerdings nicht für die zahlreichen Weihnachtsmänner, die dann in Hamburg unterwegs sind. Und auf ihrer Tour weder die Namen der Kinder noch ihre Geschenke oder Adressen durcheinanderbringen dürfen.
Einer von ihnen ist John Eisermann. Der 58-Jährige aus Winterhude steigt seit 2017 jedes Jahr am Heiligabend gegen 13 Uhr ins Mietauto (ein eigenes hat er nicht) – gewandet in voller Montur: mit weißem Walle-Bart, roter Zipfelmütze und Plüschmantel mit breitem Gürtel. Die große Glocke liegt griffbereit auf dem Rücksitz, neben dem Jutesack und dem goldenen Buch, in dem die Artigkeiten und Unartigkeiten der Kinder notiert sind, die er gleich besuchen wird.
Weihnachten in Hamburg: Weihnachtsmann John Eisermann wird von seinem Sohn begleitet
„Für mich beginnt in diesem Moment Weihnachten“, sagt John Eisermann. Die Tour, die in der Regel bis 19 Uhr dauert und ihn bis nach Pinneberg führen kann, ist für ihn sogar wesentlicher Bestandteil von Weihnachten. Denn neben ihm im Auto sitzt sein Sohn Adrian. Der 23-Jährige begleitet ihn, sozusagen als Weihnachtsmann-Gehilfe. „Er bedient das Navi und gibt mir vor jeder Station ein Briefing zu den Namen der Kinder, ihren Geschenken und den Dingen, die ich auf Wunsch der Eltern ansprechen soll.“
2017 hat Eisermann bei der Agentur Weihnachtsmann Werk angefangen, die der Sohn seines besten Freundes gegründet hatte. „Da konnte ich nicht Nein sagen.“ Seitdem tritt er als Weihnachtsmann bei Firmenfeiern auf oder – wie im Hotel Pierdrei in der HafenCity – bei Veranstaltungen für Kinder. Davor hatte er 22 Jahre lang auf Bali gelebt und dort eine Familie gegründet.
Heiligabend als Weihnachtsmann: „Wenn die Kinder Gedichte für mich aufsagen, rührt mich das sehr“
„Mir ist der Kontakt zu Menschen wichtig. Ich möchte, dass es allen gut geht“, sagt der Restaurantfachmann, der im Hotel Vier Jahreszeiten gelernt und dann lange dort gearbeitet hatte. Auch auf Bali hatte er unter diesem Motto gearbeitet: Er war dort in der Reisebranche tätig gewesen, hatte deutsche Delikatessen verkauft und einen Vertrieb für deutsche Tageszeitungen gegründet.
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Nach seiner Rückkehr nach Hamburg vor acht Jahren heuerte er zunächst wieder im Vier Jahreszeiten an. Seit einigen Monaten ist Eisermann bei Airbus tätig – und kümmert sich mit seinem Team um die Betreuung der Kunden, die dort ihre Flugzeuge abholen. An diesem Arbeitsplatz hat er sich bislang nicht als Weihnachtsmann gezeigt. Aber im vergangenen Jahr hat er einen Abstecher ins Luxushotel an der Alster gemacht und dort seine Kollegen überrascht.
Weihnachtsmann in Hamburg: Auf einer Tour am Heiligabend wurde er sogar einmal geblitzt
Bei seiner diesjährigen Tour wird er wieder zwölf Familien besuchen. Pro Einsatz plant er jeweils eine Viertelstunde für Fahrt und Besuch ein. „Das kann ziemlich stressig sein“, sagt Eisermann und lacht. „Einmal bin ich sogar geblitzt worden.“ Er zückt sein Handy und zeigt das Foto vom Bußgeldbescheid. Es zeigt tatsächlich den Weihnachtsmann am Steuer.
Auch jeder Besuch beginnt mit einer Herausforderung. Bevor er klingelt, muss er nämlich die Geschenke finden. „Es ist jedes Mal spannend, ob sie sich auch wirklich an dem verabredeten Ort befinden.“ Betrete er dann aber das geschmückte Weihnachtszimmer, falle die Anspannung von ihm ab. Denn das sei immer wieder ein besonderer Moment. „Wenn die Kinder ehrfurchtsvoll Gedichte für mich aufsagen oder mir etwas auf dem Klavier vorspielen, rührt mich das sehr.“ Nur zu lange darf es nicht dauern, denn die nächsten Kinder warten ja schon auf ihn.
Weihnachten in Hamburg: Beim Weihnachtsmann zu Hause fehlt der klassische Weihnachtsbaum
Doch auch das „Teamwork“ mit seinem Sohn habe für ihn einen besonderen Zauber. „Es ist unsere ganz persönliche Art, Weihnachten miteinander zu verbringen.“ Und dann gibt es ja noch den Weihnachtsabend zu Hause. Der beginnt für Eisermann, wenn er seine schwere Weihnachtsmann-Kluft ablegt und unter die Dusche springt. Seine Frau Purnami hat dann ein typisch indonesisches Festessen gekocht, zum Beispiel Rendang: scharf gewürztes und lang gegartes mariniertes Rindfleisch mit Reis und Gemüse.
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Einen richtigen Weihnachtsbaum, mit Kerzen und Kugeln, gibt es nicht in der Wohnung der Eisermanns. Dieser Brauch spielt im vom Hinduismus geprägten Indonesien keine Rolle. Doch im vergangenen Jahr gab es erstmals einen kleinen Tischweihnachtsbaum. Und dieses Jahr hängt ein 50 Zentimeter hoher LED-Weihnachtsbaum im Fenster. Festlich wird es trotzdem. „Wir ziehen uns alle etwas Schönes an und beschenken uns gegenseitig.“
Den ersten Weihnachtstag verbringt die Familie des Weihnachtsmanns dann klassisch hanseatisch: mit einem Spaziergang an der Alster. Oder vielleicht gehen sie auch in den Stadtpark. Eine Tradition gibt es dazu bei den Eisermanns noch nicht. Weil die Eltern bislang an den Weihnachtstagen in Hotels gearbeitet haben, ist es das erste Mal, dass sie dafür Zeit haben.