Hamburg. Praxen in Hamburg leiden unter zeitlichem und bürokratischem Aufwand. Was sie fordern und welche Regeln für erkrankte Schüler gelten.
Wegen einer Erkältung gleich zum Arzt? Für Eltern in Hamburg ist das Realität: Weil manche Schulen oder einzelne Lehrer schon für einen Krankheitstag ein ärztliches Attest verlangen, müssen Schülerinnen und Schüler oder deren Eltern viel Zeit investieren und eine Praxis aufsuchen. Ärzte in Hamburg sind genervt von so viel Bürokratie.
Charlotte Schulz erlebt es jedes Jahr wieder zur Infektzeit in Herbst und Winter: Eltern, die mit ihren Kindern in ihre Kinder- und Jugendarztpraxis in Hoheluft-Ost kommen – nicht etwa, weil die Kinder unbedingt untersucht werden müssten, sondern weil sie ein Attest für die Schule benötigen.
Schule Hamburg: Kinder- und Hausärzte wünschen sich, dass keine Attests verlangt werden
Die Kinderärztin, die auch Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Hamburg ist, nervt dieser „Attestwahn“: „Wir Kinderärzte wünschen uns, dass für alle Erkrankungen, egal wie lange sie dauern, kein ärztliches Attest in der Schule vorgezeigt werden müsste. Denn wir benötigen unsere Zeit für die wirklich kranken Kinder.“ Von der Schulbehörde, so Schulz, gibt es jeden Herbst eine Information an die Schulen, die darauf hinweist, dass die elterliche Krankmeldung ausreichend sei und es keine Pflicht für ein ärztliches Attest gebe. Dies werde allerdings an den Schulen oft anders gehandhabt.
Denn wenn schon bei leichten Erkältungskrankheiten gleich ein Attest erstellt werden muss, koste das viel Zeit. Die Kinder- und Jugendärztin hat beobachtet, dass einzelne Schulen, ja einzelne Lehrer das unterschiedlich handhaben.
Unterstützung bekommt Schulz von ihrer Kollegin Jana Husemann, Allgemeinmedizinerin und Vorsitzende des Hausärzteverbands Hamburg: „Wir merken in den Praxen, dass in den Schulen oft Unwissenheit darüber herrscht, dass wir eigentlich immer Geld für ein Attest verlangen müssen. Sonst verstoßen wir gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.“
Attest an Schulen in Hamburg: Das sind die offiziellen Regelungen für Schüler
Schulen, so die Hausärztin, dürften sich bei Krankheit im Einzelfall ein Attest vorlegen lassen, es besteht aber keinesfalls eine Pflicht. „Wenn die Schule diese Pflicht bei einzelnen Schülern oder Schülerinnen oder in bestimmten Situationen ausspricht, muss klar sein, dass dafür Geld bezahlt werden muss“, so Husemann. Einige Praxen verzichten auf die Gebühr, aber eigentlich müsse eine Gebühr verlangt werden. Die Rede ist dabei von mindestens zehn Euro, manche Praxen verlangen aber auch um die drei Euro.
Die offizielle Regelung der Behörde sieht Folgendes vor: „Eltern sind verpflichtet, ihr Kind in der Kita, der Kindertagespflegestelle oder der Schule bereits am ersten Tag krankzumelden. Dafür wird grundsätzlich in der Kindertagesbetreuung kein Attest benötigt. Auch für die Schulen gilt grundsätzlich keine Attestpflicht“, heißt es in einem Flyer der Sozialbehörde.
Und weiter: „Die Einschätzung, ob ein Kind krank ist, treffen grundsätzlich die Eltern. Die Eltern entscheiden auch – je nach Befinden des Kindes –, ob Kontakt zu einer Arztpraxis aufgenommen werden muss.“ In den jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen wird der Schule aber im Einzelfall die Möglichkeit eröffnet, bei Krankheit ein ärztliches oder schulärztliches Attest vorlegen zu lassen, aber: Es wird nicht die Pflicht auferlegt.“
Hamburger Behörde: Ärztliches Attest an Schulen ist in folgenden Fällen sinnvoll
- Grundsätzlich gilt laut Schulbehörde die Verhältnismäßigkeit: Ein Attest kann in besonderen Fällen angefordert werden, wenn ein Schüler zum Beispiel durch Schwänzen auffällt, oder wie es die Behörde formuliert: „... durch wiederholende, lang andauernde oder unentschuldigte Fehlzeiten“.
- Auch in besonderen Prüfungssituationen kann ein Attest notwendig sein. Die Entscheidung erfolgt einzelfallbezogen nach Ermessen der jeweiligen Schule.
Auch für einen Krankheitstag könne demnach ein Attest verlangt werden. Ein Behördensprecher: „Die Entscheidung erfolgt einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation, sodass nicht auszuschließen ist, dass schon bei einer Fehlstunde die Vorlage eines Attests verlangt werden kann. Ein Automatismus in diesem Sinne ohne sachlichen Grund und ohne Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls dürfte aber grundsätzlich nicht angezeigt und unverhältnismäßig sein.“
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Obwohl es also eine Attestpflicht an den Schulen in Hamburg nur in Einzelfällen gibt, sprechen Ärzte gegenüber dem Abendblatt davon, dass die Schulen in Hamburg besonders viele Atteste einfordern. „Ich kenne das aus ländlichen Regionen überhaupt nicht, das ist in Hamburg schon auffällig“, so ein Arzt aus einer Praxis in Eimsbüttel.
Charlotte Schulz sagt, dass solche Atteste nicht zulasten der Krankenversicherungen gehen dürften, wenn es dafür keine medizinische Notwendigkeit gebe. Eine entsprechende Gebühr müssten die Eltern daher dafür bezahlen.