Hamburg. Nach Protest gegen Heim für 400 Menschen am Wiesendamm liefern Unterstützer aus Stadtteil Argumente dafür – und stellen Forderungen.
Die geplante Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft am Wiesendamm in Barmbek-Nord hat bei einigen Anwohnern für viel Kritik gesorgt. Sie hatten den Bau von bezahlbaren barrierefreien Wohnungen für Einheimische anstatt eines Heims für 400 Asylbewerber gefordert. Allerdings sind nicht alle Menschen im Stadtteil skeptisch gegenüber den Plänen.
„Hier wird eine Gruppe der Gesellschaft, die eher am Rande steht und der es nicht so gut geht, gegen eine andere, der es noch schlechter geht, ausgespielt. Sehr unwürdig für so eine reiche Stadt wie Hamburg“, sagt Ursula Bode im Namen der Barmbek-Gruppe der „Omas gegen Rechts“.
Hamburg-Barmbek: Jetzt äußern sich Unterstützer der Flüchtlingsunterkunft
Dabei habe sie durchaus Verständnis für den Wunsch nach preiswerten Wohnungen. „Die Bürger in Barmbek formulieren das Bedürfnis und berechtigte Interesse an bezahlbarem Wohnraum, insbesondere für Rentner, von denen es heutzutage leider immer mehr gibt und geben wird, und die auch absehbar vermehrt barrierefreie Wohnungen benötigen“, sagt Bode. Diese Menschen fühlten sich nicht gesehen und ernst genommen von der Politik, und das sei ein großes Versäumnis.
„Deshalb unser Appell an unsere Hamburger Politiker: Kümmert euch endlich um den sozialen Wohnungsbau und die anderen sozialen Probleme in dieser Stadt! Damit und nur damit könnt ihr der AfD die Grundlage für ihre rechtsextreme Hetze entziehen und verhindern, dass sie immer stärker und mächtiger wird, und nicht damit, dass ihr das Hetzen der AfD gegen Migranten und Muslime kopiert.“
Omas gegen Rechts fordern „menschliche Haltung“ und „Miteinander“
Fragwürdig sei aber schon, warum die Rentner in Barmbek gegen den ursprünglichen Plan, nämlich ein neues Bezirksamt zu errichten, nicht protestiert hätten, findet Bode. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen plädiert sie für einen Perspektivwechsel, denn Deutschland brauche ihrer Meinung nach gut integrierte Arbeitskräfte – da es zwar immer mehr alte Menschen gebe, aber beispielsweise nicht ausreichend Pflegekräfte.
„Eine alternde Gesellschaft ist doch auf junge Menschen angewiesen, damit diese am Laufen gehalten wird. Das ist mal eine andere, freundliche und menschliche Haltung. Weit weg von der rechten Hetze hin zu einem solidarischen Miteinander, denn wir Menschen und gerade wir Alten sind aufeinander angewiesen“, sagt Bode.
Verein „Welcome to Barmbek“ begrüßt Entscheidung der Behörde
Unterstützung für die Flüchtlingsunterkunft kommt auch vom Verein Welcome to Barmbek e. V., der Flüchtlinge im Stadtteil bereits seit zehn Jahren ehrenamtlich unterstützt. Vereinsvorstand Stephan Peiffer sagt: „Wir begrüßen die Entscheidung der Sozialbehörde, das Gewerbegrundstück am Wiesendamm für eine Interimsunterkunft zu nutzen. Die Erstaufnahmen in Hamburg sind überfüllt und können nicht ausreichend für neu Ankommende frei gemacht werden.“ Bis 2030 könne dann in der Bezirksversammlung beraten werden, ob auf diesem Grundstück anschließend Wohnbebauung ermöglicht werde.
Die Vereinsmitglieder würden sich freuen, wenn dort preiswerte und barrierefreie Wohnungen entstünden, sagt Peiffer, der den Verein gegründet hat. „Denn Wohnraum ist für alle ein zu knappes Gut geworden, unabhängig davon, aus welcher Lebenssituation die Menschen kommen. Die Wohnungsnot wird nicht durch Zuwanderung hervorgerufen, sondern durch mangelhafte Infrastruktur in Deutschland.“
Der Verein, der in einem Haus am Schlicksweg seinen Sitz hat und dort Hilfsangebote in der sogenannten Welcome Lounge macht, werde in der neuen Interimsunterkunft seine Unterstützung anbieten. „Erste Freiwillige haben sich bereits gemeldet und erste Vorbereitungen sind getroffen. Dort soll es wieder heißen: Welcome to Barmbek“, sagt Peiffer.
Bezirk Hamburg-Nord: Fraktion der Grünen findet Wiesendamm gut geeignet
Unterstützung kommt auch von den Grünen im Bezirk. Timo B. Kranz, Grüner Fraktionsvorsitzender, sagt: ,,Wir alle wissen, wie angespannt die Lage bei der Unterbringung Schutzsuchender ist. Es schlafen bereits wieder Menschen in Zelten oder ehemaligen Bürogebäuden. Unter diesen Umständen wäre es geradezu fahrlässig, eine städtische Fläche wie in Barmbek, die perfekt an Nahversorgung und ÖPNV angebunden ist, und eine weitere in Klein Borstel, auf der ohnehin die Infrastruktur noch vorhanden ist, nicht zur Unterbringung zu nutzen.“
Auch Simone Dornia, Sprecherin der Grünen für Barmbek, sagt: „Am Wiesendamm gab es bereits einmal eine Notunterkunft, damals noch in leer stehenden Gewerbegebäuden. Aus dieser Zeit wissen wir, dass das Umfeld in Barmbek-Nord und Barmbek-Süd gut in der Lage ist, die dort lebenden Menschen zu integrieren. Selbstverständlich unterstützen wir aber auch die Verwaltung dabei.“
Grüne in Hamburg-Nord: „Wünsche nicht gegeneinander ausspielen!“
Wer versuche, Ängste zu schüren oder wohnungslose Menschen pauschal unter Kriminalitätsverdacht stelle, begebe sich in sehr zweifelhafte Gesellschaft. „Wir sollten stattdessen gemeinsam daran arbeiten, alle zu unterstützen, die dies nötig haben – egal, ob neu in Deutschland oder schon lange hier. Genau das tut Barmbek“, sagt Dornia.
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Die Grünen sind sich einig, dass die Wünsche nach barrierefreiem, bezahlbarem Wohnraum und die Bedarfe von geflüchteten oder anderen wohnungslosen Menschen niemals gegeneinander ausgespielt werden sollten.