Hamburg. 45-Jähriger will als Rettungsschwimmer arbeiten. Doch beim Test verlassen ihn die Kräfte. Aufgeben will er aber nicht.

100 Meter schwimmen – das hatte sich für Serdal Zeynel machbar angehört. Der Hamburger geht schließlich gerne schwimmen und bezeichnet sich als Wasserratte. Wie lang 100 Meter werden können, wenn man diese kraulen soll oder die Arme beim Rückenschwimmen nicht benutzen darf, das hat Serdal Zeynel bei der Rettungsschwimmer-Prüfung von Bäderland erfahren.

Denn: Nach rund 75 Metern verlassen ihn die Kräfte. Er japst nach Luft, braucht erstmal einen Moment, um sich zu sammeln. Er ist einer von vier Bewerbern, die an diesem Tag zum Rettungsschwimmer-Test in die Alsterschwimmhalle gekommen sind. Jede Woche lädt der Schwimmbadbetreiber Bäderland zum sogenannten Vorschwimmen ein, da händeringend Rettungsschwimmer für die Saison und darüber hinaus gesucht werden. Wie wichtig dieser Job ist, hat sich gerade wieder bei zwei dramatischen Badeunfällen mit Kindern gezeigt.

Bäderland Hamburg: Radiomoderator will Rettungsschwimmer werden

Zeynel ist bei Weitem nicht der Einzige, dem es nicht auf Anhieb gelingt. Im Schnitt schaffen nur zwei von zehn Bewerbern die Prüfung. Der 45-Jährige war durch Zufall auf die Stellenofferte gestoßen. Und für ihn klang es wie das fehlende Puzzlestück: Er war gerade mitten in einem radikalen Lebenswandel. Wollte alles auf den Prüfstand stellen.

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Und klar war: Er wollte etwas Sinnvolles machen, sich „um Menschen kümmern“, und vor allen Dingen nicht mehr so viel am Schreibtisch oder – ganz konkret – im Studio sitzen. Denn dort verbringt er als Radiomoderator oft die meiste Zeit des Tages. „Ich fand die Idee mit dem Rettungsschwimmer perfekt“, so der 45-Jährige.

Schwimmbad Hamburg: Bewerber will nach radikaler Diät wieder durchstarten

Um zu verstehen, warum Zeynel die Prüfung so viel bedeutet, muss man seine Geschichte kennen. Durch einen privaten Schicksalsschlag hatte er angefangen, seine Wut und Trauer über Essen zu kompensieren. Innerhalb weniger Jahre nahm er dramatisch zu: Von 77 Kilo auf 136 Kilo in seiner Höchstzeit.

Dazu die Arbeit: Zeynel verausgabt sich als freiberuflicher Moderator bei Tide mit zwei Shows („Power fm“ und „Anilar fm), die er alleine produziert und die sich seinem Herzensthema Integration widmen. An Wochenenden legt er auf Hochzeiten und Partys auf oder ist als Trauerredner aktiv. „Auf Stress reagierte ich fast immer mit Essen“, sagt er.

Dann kam der Tag, als er sich im Spiegel betrachtete und dachte: „Was tust du dir an?“ So begann er von heute auf morgen eine strenge Diät, ernährte sich nur noch von Rohkost, ließ Salz und Zucker weg und aß nach 18 Uhr nichts mehr. „Manchmal hab ich vor Hunger geweint“, erinnert er sich.

Bäderland Hamburg: Für gescheiterten Bewerber bricht „eine kleine Welt zusammen“

Und die Erfolge kamen schnell: Innerhalb von drei Monaten verlor er fast 30 Kilo. Und mit jedem verlorenen Kilo wurde ihm klarer: „Ich will mehr ändern als nur die Ernährung.“ Er wünschte sich eine bessere Balance im Leben und mehr Bewegung. „Als Rettungsschwimmer würde viel zusammenkommen, was gut zu diesen Wünschen passt“, glaubt er.

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Und so ist Serdal Zeynel nach der nicht bestandenen Prüfung erst mal geknickt. „Ich bin so enttäuscht von mir. Da ist gerade eine kleine Welt zusammengebrochen“, sagt er.

Hamburger will Prüfung von Bäderland in ein paar Wochen wiederholen

Am Tag nach der Rettungsschwimmerprüfung wirkt er schon deutlich gefasster. Und er hat einen Plan: „Ich muss mehr trainieren, um nicht nur schlank, sondern auch wieder so fit zu werden, wie ich es früher als Kickboxer durchaus schon mal war.“

Und so will er es schaffen: Ab jetzt geht es zweimal die Woche ins Fitnessstudio und mindestens einmal pro Woche ins Schwimmbad. Und in ein paar Wochen will er es noch mal versuchen. „Jetzt erst recht“, sagt Zeynel. „Ich muss mir beweisen, dass ich es schaffen kann, und das werde ich auch.“