Hamburg. In zwei Hamburger Schwimmbädern sind Kinder beinahe ertrunken. Zwei Bäderland-Rettungsschwimmer haben sie zurück ins Leben geholt.
Denys Parfenia und Reza Rafiee sind bescheidene Männer. Sie hätten nur ihren Job gemacht, sagen beide. Aber sie sprechen mit dem Abendblatt über die geglückte Rettung von zwei Kindern, um andere Badegäste zu warnen und für Aufmerksamkeit zu sorgen. Denn viele Eltern verhalten sich im Schwimmbad verantwortungslos.
Die beiden Männer arbeiten als Rettungsschwimmer bei Bäderland. Im Bondenwald Schwimmbad und im Festland Bad war es am Freitag und Sonnabend in der vergangenen Woche zu zwei schwerwiegenden Badeunglücken gekommen. Beide kleinen Jungen haben durch das beherzte Eingreifen der Bäderland-Mitarbeiter überlebt. Gegen die Eltern der Kinder ermittelt jetzt die Polizei.
Bäderland Hamburg: Retter berichten, wie sie die Badeunfälle erlebt haben
Reza Raffie arbeitet seit 2015 bei Bäderland. Seit 2020 ist das Bondenwald Bad in Hamburg-Niendorf sein Revier, davor war der 35-Jährige im Festland Bad angestellt. Der gebürtige Iraner, der seit 2014 in Deutschland lebt, war schon in seiner früheren Heimat als Rettungsschwimmer tätig. Seit 2017 gibt er Unterricht als Schulschwimmlehrer.
„Heftig“ sei der Dienst am vergangenen Freitag gewesen, beschreibt Rafiee den Tag rückblickend. Er habe ab 10.30 Uhr Wasseraufsicht in der Halle des Bondenwald Bades gemacht. Um die Mittagszeit habe er schließlich Hilferufe gehört. Er beschreibt die folgenden Minuten so: „Ich habe daraufhin einen Blick zum Außenbecken geworfen. Da kam eine aufgeregte Mutter auf mich zu und hat um Hilfe gerufen. Sie hatte ein Kind auf dem Arm und hat es mir übergeben.“
Bondenwald Bad: Der Junge im Kita-Alter atmete nicht mehr
Er habe sofort den internen Notrufalarm ausgelöst und das bewusstlose Kind im Kita-Alter auf den Boden gelegt. „Es hatte keine Atmung mehr. Ich habe sofort mit Power mit der Beatmung angefangen. Das Kind habe die Augen geöffnet und tief Luft geholt. Es hatte richtig blaue Lippen.“ Der Junge habe dann angefangen, richtig laut zu schreien.
Die Mutter sei weggelaufen, vermutlich im Schock und dann wiedergekommen. Unterdessen sei die Rettungskette angelaufen, sagt Rafiee. „Das Kind ist zwischenzeitlich wieder eingeschlafen, es war sehr schlapp.“ Er und seine Kollegen hätten den Jungen betreut, bis der Notarzt eingetroffen sei. Nach Angaben von Bäderland-Sprecher Michael Dietel war die Mutter mit vier Kindern im Schwimmbad.
Rettungsschwimmer Reza Rafiee war früher im Festland Bad
Reza Rafiee hat schon mehrere solcher Notfall-Einsätze gehabt. „Aus dem Kopf kann ich gar nicht sagen, wie viele genau“, sagt der 35-Jährige. Ein paar davon ereigneten sich im Festland Bad, die anderen in seiner früheren Heimat.
Nach dem Rettungseinsatz am Freitag habe er einfach weitergemacht. „Ich bin gefragt worden, wie es mir geht, ob ich nach Hause gehen möchte oder ob ich Betreuung brauche, aber ich habe einfach nur eine etwas längere Pause gemacht.“
Bäderland bietet bei Bedarf psychologische Betreuung an
Wenn Andreas Mohr von solchen Schwimmbad-Unglücken erfährt, macht er sich zum betreffenden Standort auf, egal ob das während der Woche oder am Wochenende ist. Mohr ist bei Bäderland Ausbilder für Erste Hilfe und die Rettungsschwimmer.
„Wir reden viel, ich höre mir die Situation an, wir gucken auf die psychische Belastung des Mitarbeiters. Dann werden mit den Schichtleitungen Maßnahmen besprochen. Manch einer arbeitet weiter, aber es gibt die Möglichkeit, dass der Mitarbeiter vom betriebsärztlichen Dienst psychologisch betreut werden könnte. Das kann er in Anspruch nehmen, muss er aber nicht“, sagt Mohr. Bei Bedarf übernehme auch er den Dienst am Beckenrand.
Rettungsschwimmer Denys Parfenia arbeitet erst seit Juni bei Bäderland
Denys Parfenia ist erst seit dem 15. Juni 2024 bei Bäderland beschäftigt. Der 27-jährige Ukrainer, der in seiner Heimat als Bauingenieur gearbeitet hat, lebt seit eineinhalb Jahren in Hamburg. Hier hat er die notwendige Retterprüfung bei Bäderland absolviert und sorgt nun im Festland Bad für die Sicherheit der Badegäste.
Vormittags ist er immer beim Sprachkurs, nachmittags arbeitet er im Schwimmbad. Andreas Mohr selbst hat seine Retterfähigkeit geprüft und ist stolz auf den jungen Mann, der so schnell mit dem Ernstfall konfrontiert war und so professionell reagiert habe.
Rettungsschwimmer sieht Luftblasen im Wasser hochsteigen
Als er am vergangenen Sonnabend um 15 Uhr seinen Dienst begann, sei es sehr voll und laut gewesen, sagt Denys Parfenia. „Ich habe meine Runden gedreht und plötzlich viele Luftblasen gesehen und dann einen Jungen unter Wasser. Ich bin sofort reingesprungen und habe ihn aus dem Wasser gezogen.“
Das Kind, ein Sechsjähriger, sei bewegungslos gewesen und habe fast nicht mehr geatmet. „Ich habe den Jungen am Beckenrand abgelegt, den Notrufknopf gedrückt und bin dann zurück zu ihm. Ich habe gesehen, dass Schaum aus seinem Mund kommt, er konnte kaum atmen.“
Mutter und Vater des Jungen waren nicht in der Halle
Er habe ihn dann in die stabile Seitenlage gebracht und auf den Rücken geklopft. „Ich habe mit Herzdruckmassage angefangen. Seine Augen waren fast zu, aber dann hat er die Augen aufgemacht. Die Atmung hat wieder richtig eingesetzt, der Schaum war weg.“ Nach wenigen Minuten sei der Krankenwagen gekommen, sagt Parfenia.
Mutter und Vater waren nicht in der Halle, als der Junge fast ertrunken ist, beschreibt es der Rettungsschwimmer. „Irgendwann, als ich die Herzmassage gemacht habe, habe ich gehört, dass jemand sehr laut schreit.“ Das sei wohl die Mutter gewesen. „Es standen viele Leute um mich herum, die mir empfohlen haben, was ich machen soll“, sagt Parfenia.
Nach dem Unglück erleidet Mutter Kreislaufkollaps
Später sei der Vater in den Schwimmmeisterraum gekommen, wohin sie den Jungen gebracht hatten. „Ich habe ihm gesagt, er soll bitte seine Frau beruhigen, weil der Junge schon so gestresst war.“ Nach Angaben von Mohr hatte die Mutter des reanimierten Kindes einen Kollaps erlitten und kam ebenfalls ins Krankenhaus.
Es sei eine sehr existenzielle Situation für ihn gewesen, sagt Parfenia. „Aber das Wichtigste ist, dass der Junge lebt. Er ist mit sechs Jahren noch so jung und hat sein ganzes Leben vor sich.“ Um die Situation zu bewältigen, ging er selbst nach dem Einsatz nach Hause und nahm am nächsten Tag frei. „Wenn ich arbeite, muss ich sicher sein, dass ich so eine Situation erneut bewältigen kann. Denn so etwas passiert ja immer plötzlich – ohne Vorankündigung.“ Am Montag ging er wieder normal zum Dienst.
Bedauerlich: Oft erfahren die Retter nicht, wie es dem Opfer geht
Rafiee und Parfenia wissen, dass beide Kinder überlebt haben, weil die Rückmeldungen jeweils noch am selben Tag kamen. Das sei jedoch nicht immer der Fall. „Wir erfahren selten, wie lange die Betroffenen im Krankenhaus bleiben und wie es ausgeht“, sagt Bäderland-Sprecher Dietel. „Die Kollegen bekommen auch selten einen Dank dafür, dass sie jemanden gerettet haben.“
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Denys Parfenia und Reza Rafiee sagen, Dank bräuchten sie nicht. Sie hätten ja nur ihren Job gemacht. Aber sie haben doch einen Wunsch an Bädegäste mit Kindern: „Eltern haben die Verantwortung. Sie müssen sich um ihre Kinder kümmern“, sagt Parfenia. Und sein Kollege Rafiee findet, es sei keine gute Idee, wenn eine Mutter mit vier Kindern ins Schwimmbad gehe. Alle im Augen zu behalten, sei schwierig.
Rettungsschwimmer sagt: „Kinder gehen lautlos unter“
„Eltern sollten ihren Kindern die Möglichkeit geben, früh schwimmen zu lernen. Das fängt mit Wassergewöhnung und vor den ersten Kursen an. Kinder mit Seepferdchen sind nicht sicher. Wenn Kinder ein Bronzeabzeichen haben, gehen wir davon aus, dass sie relativ sicher schwimmen können. Eltern müssen ihre Kinder stets beaufsichtigen. Schwimmlernhilfen schützen nicht hundertprozentig vor Unfällen“, fasst Rafiee zusammen. „Und ein Blick auf das Handy kann ein Leben kosten.“
Wenn Eltern nicht auf ihr Smartphone verzichten könnten, sollten sie lieber zu Hause bleiben, findet der Rettungsschwimmer. „Kinder gehen lautlos unter, sie gehen wie Steine unter, sie geben kein Alarmsignal.“
Michael Dietel bringt es ganz deutlich auf den Punkt: „Manche Gäste wollen wir nicht. Wenn wir vor Ort feststellen, dass sie ihre Kinder gefährden, müssen sie eben gehen“, sagt Dietel.