Hamburg. Kündigung für einziges Eiscafé spaltet das „Dorf“, etliche vermuten Kampf hinter Kulissen. Was ist los im beschaulichen Ortsteil?
Seit der Kündigung für die einzige Eisdiele in Klein Borstel und der Berichterstattung darüber schlagen die Wellen hoch in dem beschaulichen Ortsteil von Ohlsdorf. Denn die Gerüchteküche brodelt. Vermutet wird ein Konkurrenzkampf hinter den Kulissen, bei dem Eisdielenmieter und Makler Vincent Menken auf der Strecke bleiben könnte.
Dieser hatte die Eisdiele vergangenes Jahr vor der Schließung bewahrt, sie vergrößert und mit einem neuen Konzept betrieben, zu dem auch ein Café im Winter und das Ausschenken von Wein gehört. Menken möchte die Eisdiele gerne weiterbetreiben. Er hat die Anwaltskanzlei Prinz eingeschaltet, auf deren Gesprächsangebot die Verwaltung bislang nicht eingegangen ist.
Klein Borstel: Betreiber von gekündigter Eisdiele plant Straßenfest für Unterstützer
Bei der Protestaktion, die Menken mit dem Hausmeister der kirchlichen Kita ins Leben gerufen hat, sind seinen Angaben zufolge bislang mehr als 1000 Unterschriftenzettel abgegeben worden, dazu mehr als 520 Stimmen bei einer Onlinepetition. „Für diese tolle Unterstützung möchte ich mich mit einem fröhlichen Fest bedanken“, so Menken. Eingeladen sei explizit auch die Hausverwaltung, um die Protestzettel entgegenzunehmen.
Gefeiert werde am 20. April von 15 bis 18 Uhr vor der Eisdiele. Außer Eis (Kinder bekommen zwei Kugeln gratis) und Slush (einem Eisgetränk) werde es Livemusik mit der Band Chilkats geben. Dass Menken „fröhlich“ feiern will, zeigt sein dickes Fell. Denn er steht bei einigen Klein Borstelern auch in der Kritik. Im Zuge der Berichterstattung über Kündigung und Protestaktion erreichten das Abendblatt Leserbriefe, die ihm unter anderem vorwerfen, „getrieben von Profitgier und politischer Einflussnahme“ und im „Dorf“ nicht wohlgelitten zu sein.
Eisdielen-Betreiber wird zum Thema des „Dorftratsches“ in Klein Borstel
Die Menschen, die bei einem Abendblatt-Besuch ins Gelato Klein Borstel kamen, um sich ein Eis zu holen und einen Protestzettel zu unterschreiben, scheinen Menken wohlgesinnt zu sein. Auch Tanja Bannert, die seit 2008 hier lebt, sagt: „Ohne Vincent Menken hätten wir Leerstände in Klein Borstel. Ich finde sein Engagement großartig.“ Er habe etwa die Post erhalten, mit der er sich eine Gewerbefläche teilt.
Aber wer viel mache, über den werde eben auch viel geredet, so die Sporttherapeutin, die den „Dorftratsch“ bei ihren Kursen zu hören bekommt. Derzeit werde ein „Konkurrenzkampf hinter den Kulissen“ vermutet. „Was da dran ist, weiß ich nicht und will es daher auch nicht bewerten.“
Klein Borstel: Hausverwaltung weist Übernahmepläne als Gerücht zurück
Hinter vorgehaltener Hand wird in Klein Borstel erzählt, dass es wohl weiterhin eine Eisdiele geben soll. Und tatsächlich gibt es dazu Äußerungen, die dem Abendblatt in schriftlicher Form vorliegen. Gemunkelt wird auch, dass die Betreiberin des ansässigen Cafés die Räumlichkeiten übernehmen will.
Das bestätigt ein Ehepaar, das schon lange in Klein Borstel wohnt, dort gut vernetzt ist und anonym bleiben möchte. „Wir wissen nicht, was da abläuft, aber wir betonen, dass Herr Menken immer versucht, zum Wohle Klein Borstels zu handeln.“ Auf die vermeintlichen Übernahmepläne angesprochen, antwortet Yves Schade von der Hausverwaltung Groth & Schneider: „An den Gerüchten ist nichts dran.“
Eisdiele Gelato: Betrieb auch an anderem Standort im Zentrum des Ortsteils denkbar
Vincent Menken will sich nicht über Verleumdungen ärgern, sondern sich lieber freuen über den vielen Zuspruch, den er für die Eisdiele bekommt. „Wir haben hier etwas geschaffen, das den Klein Borstelern offenbar sehr wichtig ist. Die vielen Unterschriften sind für uns eine Motivation, hier weiterhin Eis zu verkaufen.“ Das, betont er, könne sehr wohl auch an einem anderen Standort im Zentrum des Dorfes passieren.
Historiker Reinhard Behrens, Staatsrat a. D. und zeit seines Lebens Klein Borsteler, findet den Streit um die Eisdiele „aufschlussreich“. Die Soziologie des Stadtteils habe sich durch die gestiegenen Grundstückspreise „in drastischer Weise“ verändert. Sogar die Frank‘sche Siedlung mit ihren 545 Reihenhäuschen, einst als Arbeiterviertel mit Gärten zur Selbstversorgung angelegt, sei heute ein hochpreisiges Wohnquartier.
Klein Borstel: Ex-Staatsrat verteidigt Makler und Eisdielenmieter gegen Kritik
Daran habe auch Menken gut verdient, was manche in Klein Borstel „aufgeschreckt“ habe. „Doch man kann es ihm nicht vorwerfen, dass er Preise für seine Kunden vereinbart, die sich ergeben.“ Menken sei „als Makler gekommen“, habe sich dann aber in vielen Belangen engagiert – gemeinsam mit anderen etwa für die Kirche, die nun nachts nach Vorschlägen von Lichtkünstler Michael Batz beleuchtet wird.
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Die Eisdiele habe er in einer „für die Immobilienbranche sehr ungünstigen Zeit übernommen“. Und auch an der Boulebahn habe der Makler seinen Anteil. „Es war ein Herzenswunsch von mir, sie auf einer Wiese an der Stübeheide anzulegen, die im Bebauungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesen ist“, erinnert sich Behrens. Nach „einer Menge von Widerständen“ durch Anwohner sei es ihm und Menken gelungen, die Boulebahn in der Nähe der Weinbar anzulegen.
Klein Borstel hat sich „guten Geist und Liebenswürdigkeit bis heute bewahrt“
Trotz mancher Unstimmigkeiten im „Dorf“ habe sich Klein Borstel „seinen guten Geist und seine Liebenswürdigkeit bis heute bewahrt“. Der Stadtteil sei in Bewegung, und das sei gut. Dazu trügen die Kirche, die Gewerbetreibenden und der Heimatverein bei, aber auch Menschen wie die Betreiberin des Cafés, „eine sehr charmante Person“, und Vincent Menken.