Hamburg. Die Kündigung für das beliebte Eiscafé sorgt für massiven Protest. Mieter hofft auf Kompromiss. Das sagt die Hausverwaltung.
Das Zentrum von Klein Borstel ist überschaubar. Auf etwa 100 mal 60 Metern erstreckt es sich entlang der Straßen Stübeheide und Tornberg. Lange schien hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Doch jetzt ist der Ortsteil im Stadtteil Ohlsdorf im Umbruch – und es herrscht große Aufregung.
Gleich drei alteingesessene Läden, in denen Generationen von Klein Borstelern verkehrten, haben vor Kurzem geschlossen. Erst die Fußballkneipe von „Manni“ Etschmann, der im August starb. Dann nach 20 Jahren der Italiener Vivere, die Bäckerei Vollstädt schloss nach 70 Jahren.
Beliebte Hamburger Eisdiele schließt – Klein Borstel in Aufregung
Der Wandel wird verschmerzt – ja, sogar begrüßt. Denn in die ehemalige Bäckerei zieht das bereits in Fuhlsbüttel und Winterhude erfolgreiche Café Luise und in das Restaurant wieder ein Italiener ein. Die ehemalige Kneipe wird vom benachbarten Hamburger Hofladen übernommen und bleibt damit in Klein Borsteler Hand.
Anders dagegen verhält es sich mit dem drohenden Aus für die Eisdiele Gelato Klein Borstel, die seit 18 Jahren ebenfalls zu den festen Anlaufstellen in Klein Borstel gehört – für Kinder, aber auch für Erwachsene, die sich hier auf einen Kaffee oder ein Glas Wein treffen. Dass diese im Herbst schließen soll, löst Aufregung im Stadtteil aus.
Klein Borstel: Kündigung für Eisdiele – 1200 Unterschriften seit Freitagabend
Denn auf ihre Eisdiele wollen die Menschen hier nicht verzichten. Auf dem Portal change.org und auf farbigen Handzetteln haben seit Freitagabend bereits mehr als 1200 Personen für den Erhalt des Eiscafés plädiert. Zu Hunderten hängen sie in der Eisdiele und an den Fenstern des Immobilienbüros schräg gegenüber. Dazwischen viele Bilder, die von Kindern gemalt wurden.
Die Eisdiele ist in den Händen von Vincent Menken. Der Immobilienmakler hatte die Eisdiele im vergangenen Jahr „gerettet“. Der Betreiber, der sie seit 2006 unter dem Namen Tom’s Eis geführt hatte, wollte sich beruflich verändern. Und weil Menken ahnte, dass den Klein Borstelern der Verlust „ihres“ Eiscafés nicht auch noch zuzumuten ist, übernahm er es.
„Man kann vieles machen in Klein Borstel – aber nicht den Kindern ihr Eis nehmen“
„Ich habe das Eismachen gelernt, den Laden vergrößert und ihm einen neuen Namen gegeben“, so Menken. Gelato Klein Borstel heißt das Eiscafé jetzt. Dann stellte er Massoud Nasseri an, der zuvor lange in der Bäckerei Vollstädt gearbeitet hatte und einen neuen Job suchte. Der Afghane ist eigentlich Elektroingenieur und seit 18 Jahren in Deutschland.
Insbesondere aber gehe es ihm um die Kinder, betont der Makler. „Die haben mit der Eisdiele einen Ort, an dem sie auch mal laut sein dürfen, der zu ihrer Sozialisation beiträgt, wenn sie ihren Freunden mal ein Eis ausgeben können. Man kann hier vieles machen in Klein Borstel – aber nicht den Kindern ihr Eis aus der Hand nehmen.“
Eisdiele in Klein Borstel: Kündigung wegen „Störungen im Mietverhältnis“
Dieser Meinung ist auch Norbert Röhrich, der Hausmeister in Kirche und Gemeindekita ist – und für die Kinder eine Art Bürgermeister. Und genauso fühlt er sich auch. „Wer den Kindern hier etwas wegnimmt, der muss mit mir rechnen“, so Röhrich, der die Unterschriftenaktion mit Menken ins Leben rief.
Doch warum eigentlich die Kündigung? Auf den Handzetteln steht: „Ohne Begründung. Ohne Dialog. Einfach so.“ Die Hausverwaltung teilt auf Abendblatt-Anfrage jedoch mit: „Der Mietvertrag mit dem Mieter Menken & Company GmbH wurde frist- und formgerecht gekündigt, da es aus unserer Sicht erhebliche Störungen im Mietverhältnis gab.“
Hausverwaltung erhebt schwere Vorwürfe gegen Mieter von Eisdiele
Dass die Kündigung frist- und formgerecht erfolgte, streitet Menken nicht ab. „Wir sind in die alten Verträge eingestiegen. Und diese sehen eine halbjährliche Kündigung vor.“ Doch den Grund, der dazu geführt hat, kann er nicht verstehen.
„Wir haben mit großen Bedauern festgestellt, dass Sie Kontakt zu der Tochter der Eigentümerin aufgenommen haben“, beginnt die Verwaltung das Kündigungsschreiben. Deren Namen habe er sich offenbar „teilweise in unzulässiger Weise“ beschafft, weshalb sie ihm „Schwierigkeiten, sich an gesetzliche und vertragliche Regelungen zu halten“, unterstellen.
Klein Borstel: Mieter von Eisdiele weist Anschuldigungen zurück
„Meine Kinder spielen mit den Enkeln der Eigentümerin Fußball“, sagt dagegen Menken und weist auch die Anschuldigung zurück, er habe in einer WhatsApp-Nachricht die Tochter der Eigentümerin bedroht. „Glaub nicht, dass sich die Klein Borsteler die Eisdiele so einfach wegnehmen lassen“, habe er laut Verwaltung geschrieben. Das sei eine Drohung im Sinne von §214 des Strafgesetzbuches.
„Damit meinte ich, dass ich nicht glaube, dass sich die Klein Borsteler das gefallen lassen“, sagt Menken, der auch einen weiteren Vorwurf der Hausverwaltung zurückweist, er habe unberechtigterweise im Grundbuch nach dem vollen Namen der Hauseigentümerin recherchiert. „Ich habe als Mieter das Recht zu wissen, wer mein Vermieter ist, und darf dafür ins Grundbuch gucken.“ Den Nachnamen der Eigentümerin, die die Immobilie kürzlich geerbt hatte, habe die Hausverwaltung im Übrigen selbst genannt.
Klein Borstel: Makler Vincent Menken will im Stadtteil Treffpunkte schaffen
Er hält die Anschuldigungen der Hausverwaltung für „nachgeschobene Phrasen“. Allerdings räumt er ein, durch eine einmalig veranstaltete Karaoke-Party, eine an einem Wintertag aufgestellte Feuerschale und einige Sommerabende, an denen bis 23 Uhr Betrieb war, möglicherweise Nachbarn gestört zu haben. „Ansonsten wurden diese Veranstaltungen sehr positiv aufgenommen“, sagt Menken
„Klein Borstel liegt mir am Herzen. Ich habe durch die Beliebtheit des Stadtteils, die nicht zuletzt an seinem florierenden Zentrum liegt, Geld verdienen können. Daher möchte ich etwas zurückgeben“, begründet der Makler sein Engagement. Klein Borstel sei in den letzten Jahren sehr gewachsen und habe einen Generationenwechsel erlebt – und so setze er sich dafür ein, hier Treffpunkte zu schaffen.
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Eisdiele in Klein Borstel: Mieter hofft auf Einlenken des Vermieters
Ihm ist es zu verdanken, dass das Café Luise auf den Standort aufmerksam wurde. Und er war es auch, der vor vier Jahren etwas außerhalb des Zentrums einen leer stehenden Laden angemietet, dort eine Weinbar eingerichtet und später dem Gastronomen Marcus Schröpfer überlassen hat.
Ähnlich wollte er mit der Eisdiele verfahren, die Massoud Nasseri übernehmen sollte. Nun hofft Menken, dass der Vermieter doch noch ein Einsehen hat – und er zumindest die ursprüngliche Fläche des Ladens behalten kann. „Dann würden wir uns künftig auf den Eisverkauf beschränken und Café- und Winterbetrieb aufgeben.“