Hamburg. Die Kritik gegen Michael Werner-Boelz (Grüne) nimmt zu. CDU und Gastronomin klagen sein Vorgehen an. Was ihm vorgeworfen wird.

Alexandra Lübeck ist geschockt, verwundert, fühlt sich hilflos und vor allem eines: ohnmächtig. „Wie ein politischer Spielball“, sagt die Hamburger Gastronomin, die rund vier Wochen lang das Kulturcafé Groß Borsteler Herzstück im Stavenhagenhaus in der Frustbergstraße in Hamburg-Groß Borstel betrieb. Bis sie aufgrund eines Beschlusses in einem Eilverfahren des Hamburgischen Verwaltungsgerichtes ihre Arbeit bis auf Weiteres niederlegen musste. Geklagt hatten Nachbarn.

Aktuell wartet sie jeden Tag die neuesten Entwicklungen ab, beobachtet, wer innerhalb der beteiligten Parteien wie agiert. Da wären: die beiden Kläger-Ehepaare mit dem bekannten Gesicht von Berndt Röder, Ex-Bürgerschaftspräses und CDU-Mann. Diese werden vertreten von Anwalt und Ex-Bezirksamt Nord-Chef Mathias Frommann (SPD). Sie werfen dem amtierenden Bezirksamtsleiter in Hamburg-Nord, Michael Werner-Boelz (Grüne), vor, eigenmächtig den Café-Betrieb vorangetrieben und genehmigt zu haben. Gesprächsanfragen im Vorfeld seien unbeantwortet geblieben.

Groß Borstel: Politische Auseinandersetzungen um Café im Stavenhagenhaus

Für Alexandra Lübeck ist die Situation schwer auszuhalten, sie wusste zwar von den heftigen Diskussionen, die im Vorfeld ihrer Eröffnung im Stadtteil geführt wurden, „allerdings habe ich natürlich darauf vertraut, dass alles seine rechtliche Richtigkeit hat, als ich den Pachtvertrag unterschrieben habe“, sagt sie.

In Hamburg-Groß Borstel wollte Gastronomin Alexandra Lübeck ihren zweiten Laden führen, das Kulturcafé Groß Borsteler Herzstück im Stavenhagenhaus.
In Hamburg-Groß Borstel wollte Gastronomin Alexandra Lübeck ihren zweiten Laden führen, das Kulturcafé Groß Borsteler Herzstück im Stavenhagenhaus. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

„Das Bezirksamt hat mich in Sicherheit gewogen, ich solle mir keine Sorgen machen. Das wurde mir von den Mitarbeitern dort gesagt.“ Jetzt wanke ihre Existenz. „Ich habe drei Vollzeit-Mitarbeiterinnen eingestellt, die ich bezahlen muss.“ Neben dem Groß Borsteler Herzstück betreibt Alexandra Lübeck außerdem das Frühstückscafé Barmbeker Herzstück in der Pestalozzistraße 20.

Café-Betreiberin vermutet auch „Macht-Gerangel“ als Ursache für Streit

„Auf Herrn Röder bin ich gar nicht so wütend, der hat mir immerhin, als ich mit meiner Betriebsleiterin bei ihm auf dem Sofa saß und wir uns vorstellten, gesagt, dass er auf jeden Fall klagen wird“, erinnert sich Lübeck an das Gespräch in Röders Wohnzimmer in der Frustbergstraße.

„Das hat mich damals natürlich völlig unvermittelt getroffen und bestärkt jetzt mein Gefühl, dass ich da in etwas hineingeraten bin, womit ich eigentlich gar nichts zu tun habe.“ Aus ihrer Sicht: Machtgerangel, Positionierungen, politische Auseinandersetzungen vor den Bezirksversammlungswahlen, die im Juni 2024 stattfinden.

Stavenhagenhaus: Versammlung am Mittwoch soll Austausch dienen

Lübeck wartet nun gespannt darauf, was sich unter anderem am Mittwochabend bei der Versammlung auf Initiative des Kommunalvereins um 19 Uhr im Stavenhagenhaus ergeben wird. „Von der bisherigen Unterstützung aus dem Stadtteil bin ich schlicht überwältigt“, sagt sie gerührt.

Doch auch, wenn Werner-Boelz sich zwischenzeitlich bei ihr gemeldet habe und ihr die Pacht wohl erlassen werden soll: Sie sieht aktuell keine Perspektive in Hinblick auf eine rasche Wiedereröffnung.

CDU Hamburg-Nord spricht von „Desaster“ für Groß Borstel

Auch die CDU Hamburg-Nord macht Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz schwere Vorwürfe. Er sei persönlich dafür verantwortlich, dass der Betrieb vom Verwaltungsgericht unterbunden wurde, heißt es in einer Mitteilung. „Für den Stadtteil und die Nutzung des Stavenhagenhauses als Kulturzentrum ist dies ein Desaster.“

„Alle Warnungen wurden arrogant ignoriert und unsere Anfragen im Vorfeld nichtssagend beantwortet“, so der Fraktionsvorsitzende Andreas Schott. Eine „sorgfältige rechtliche Prüfung und Klärung“, bevor in öffentlich genutzten Veranstaltungsräumen ein gewerbliches Café eingerichtet werde, „sieht anders aus“.

CDU-Politiker: Werner-Boelz habe Rechtsauffassung „selbstherrlich beiseitegewischt“

Nun sei der Schaden groß: für die engagierte Betreiberin des Cafés, aber auch für die vielen Nutzer des Stavenhagenhauses, die bis Ende vergangenen Jahres durch das Hausmeisterehepaar verpflegt wurden. „Der Bezirksamtsleiter hätte diesen Status quo so lange bestehen lassen sollen, bis er eine gewerbliche Nutzung auf rechtssichere Füße gestellt hätte.“

Ekkehart Wersich, CDU-Vize in Hamburg-Nord, unterstellt dem Bezirksamtsleiter, die jahrzehntelange Rechtsauffassung aller seiner Vorgänger „selbstherrlich beiseite gewischt“ zu haben. „Ein halbes Dutzend Anfragen, Diskussionen in der Bezirksversammlung und den Ausschüssen, selbst eine öffentliche Anhörung brachte dem Bezirksamtsleiter offenbar keinen Erkenntnisgewinn“, so Wersich.

Groß Borstel: Anhörung für Stavenhagenhaus auf Forderung der CDU

Die Entscheidung, einen gewerblichen Café-Betrieb im Stavenhagenhaus zu erlauben, sei „an allen politischen Gremien vorbei“ getroffen worden. Tatsächlich war eine Anhörung im Dezember nur auf Intervention der CDU zustande gekommen.

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Im Sitzungsprotokoll, das dem Abendblatt vorliegt, unterstellt Wersich „den Kolleginnen und Kollegen von GRÜN/ROT“, ihnen sei „die Tragweite dieser Nutzungsänderung“ offensichtlich nicht bewusst.

Stavenhagenhaus: CDU hält Einrichtung von Gastronomiebetrieb für Nutzungsänderung

„Wenn ich Räume für Gruppen und Vereine nicht mehr anmieten kann, weil diese jetzt an eine Gastronomie vermietet werden, ist das für mich eine Nutzungsänderung“, so der stellvertretende Fraktionschef damals.

Auch Andreas Schott zeigt sich in dem Protokoll überrascht von der Aussage, dass keine Baugenehmigung notwendig sei. Es sei aus seiner Sicht rechtlich gesehen eine Neuerung, wenn in einem bisher nur gemeinnützig genutzten Haus eine gewerbliche Gastronomie einziehe.

Groß Borstel: Bezirksamtsleiter signalisiert Gesprächsbereitschaft

Die Forderung der CDU-Fraktion: die gastronomische Versorgung, die bis Anfang des Jahres bestand, im Dialog mit den Nachbarn wiederherzustellen. Darüber hinaus müsse an einem runden Tisch „gemeinsam nach langfristigen und rechtssicheren Wegen für die Aufwertung des Stavenhagenhauses gesucht werden“ und die Gastronomin Lübeck, die auf die Fehleinschätzungen des Bezirksamtsleiters vertraute, Schadensersatz erhalten.

Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz gibt sich gesprächsbereit: „Aufmerksam habe ich heute die Berichterstattung des Abendblatts zur Kenntnis genommen, dass es vonseiten der Kläger eine Gesprächsbereitschaft gibt, wie dem großen Wunsch des Stadtteils nach einem Café im Stavenhagenhaus nachgekommen werden kann“, sagt er auf Abendblatt-Nachfrage. Diesem Gesprächswunsch werde das Bezirksamt gerne nachkommen, „in der Hoffnung, dass eine Bereitschaft zur einvernehmlichen Lösung auf allen Seiten vorhanden ist“.