Hamburg. Das geplante Café spaltet Groß Borstel. Politiker poltern los. Bezirksamt beantwortete viele Fragen bei öffentlichem Termin.
Bereits in den Wochen vor dem angesetzten Termin – der öffentlichen Anhörung zur geplanten Gastronomie im Stavenhagenhaus in Groß Borstel – gab es Trubel, und der setzte sich am Donnerstagabend in der Kirche St. Peter fort. Bestens gefüllt waren alle Sitzreihen des Gotteshauses, das Podium mit einer Tischreihe und Stühlen thronte vor dem Altar. Dort nahmen die Teilnehmer der Sondersitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Bezirksversammlung Hamburg-Nord Platz.
Doch warum eine öffentliche Anhörung, warum in der Kirche? Diese Fragen ließen sich noch rasch erklären: Die Fraktionen von FDP und CDU hatten ihr Minderheitenrecht in der Bezirksversammlung geltend gemacht und diese beantragt. Der Ort wurde gewählt, um den vielen Interessierten, die erwartet wurden und auch kamen, Platz zu gewähren.
Café Hamburg: Stavenhagenhaus in Groß-Borstel als „Partylounge“? So lief Anhörung ab
Und auch deshalb, weil es keinen anderen verfügbaren Raum in der Nähe in Hamburg-Groß Borstel gegeben habe, wie Sibylle Helms, Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, erläuterte. Sie führte ruhig, aber bestimmt durch den Abend – was notwendig war, da die Gemüter mitunter hochkochten und einige der Beteiligten lospolterten.
Doch von Anfang an: Im Fall des Stavenhagenhauses – ein Schlüsselprojekt im RISE-Fördergebiet Groß Borstel – stehen auf der einen Seite die Bürger aus Groß Borstel, die mit der Entscheidung zur dauerhaften Öffnung des historischen Hauses einverstanden sind.
Anwohner wünschen sich neues Stadtteilzentrum für Groß Borstel
Mehr noch, sie forcieren seit mehreren Jahrzehnten, dass das Haus in der Frustbergstraße 4 zum lebendigen Stadtteilzentrum und Treffpunkt für alteingesessene und neue Bürger wird. Sie sehen den Mittelpunkt Groß Borstels nicht um die Kreuzung Borsteler Chaussee/Brödermannsweg herum, sondern dort.
Die Gegenseite wünscht, dass das Stavenhagenhaus, ein sogenanntes Hamburg-Haus, also einem durch die Hansestadt Hamburg verwalteten Gemeinschafts- und Kulturzentrum für die Hamburger Bürgerinnen und Bürger, weiterhin so genutzt wird, wie es ist: geöffnet für Hochzeiten und dann, wenn Vereine dort ihre wöchentlichen Treffen wie Sing-, Mal- und Lesekreise abhalten, gastronomisch ein wenig versorgt vom Hausmeister-Ehepaar Koch.
Stavenhagenhaus hat „Chance, das Herz von Groß Borstel zu werden“
Ein Großteil der Bewohner des Stadtteils, das haben vorangegangene Workshops und Befragungen gezeigt, will jedoch mehr. Mehr vom Stavenhagenhaus, mehr Möglichkeiten zum Kaffeetrinken, mehr Platz für Begegnungen. Der aktuelle „Closed Shop“-Charakter mit einer „untergenutzten Fläche“ habe „die Chance, das Herz von Groß Borstel zu werden“, wie Karin Ros, Sprecherin der SPD-Fraktion, es unter Beifall beschrieb.
Dafür ist unter anderem Ulrike Zeising. Sie ist die Vorsitzende des Kommunalvereins Groß Borstel und nutzt das Haus für Treffen des Vereins. Zeising plädiert gemeinsam mit Gleichgesinnten wie Uwe Schröder, dem Verleger des Mitteilungsblattes Borsteler Bote, für buntes Leben im Stavenhagenhaus. Dazu gehört auch die Einrichtung einer dauerhaften Gastronomie: eines Cafés und Bistros. Dann müsse auch niemand mehr für einen Café-Besuch nach Eppendorf oder Niendorf ausweichen.
Die zuverlässige Öffnung würde einer Vielzahl von Bürgern überhaupt erst einen Grund geben, ins Stavenhagenhaus zu kommen. Übrigens auch denen, die im Neubaugebiet Tarpenbeker Ufer leben und aktuell nach neuen Räumen suchen, da der bisherige Raum des Quartiersmanagements von Otto Wulff den 2000 Anwohnern in Kürze nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
Groß Borstel: Sorge vor „Kannibalisierung“ der Gastronomie im Stadtteil
Dieser Haltung nicht anschließen mag sich die CDU-Fraktion um Wolf-Ekkehart Wersich, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Bezirksfraktion Hamburg-Nord. Er und Claus-Joachim Dickow, Vorsitzender der FDP-Bezirksfraktion, sehen eine Nutzungsänderung durch die Inbetriebnahme eines Cafés und befürchten unter anderem die „Kannibalisierung“, so Dickow in seinem Wortbeitrag am Abend für „die anderen gastronomischen Angebote im Stadtteil“.
Wersich machte es deutlich: „Ein klares Nein zu einer Vermietung eines Teils der Räume an einen Gastronomen.“ Begründet durch die Sorge um den ohnehin schon raren Platz für öffentliche Veranstaltungen, diesen solle man nicht weggeben.
Prominenter Nachbar des Stavenhagenhauses erntet spöttischen Beifall und Lacher
Auf Einladung der CDU-Fraktion sprach auch Bernd Röder. Der Name des ehemaligen Bürgerschaftspräsidenten ist eng mit der Frustbergstraße verbandelt: Sein Wohnhaus liegt in der Straße direkt neben dem Stavenhagenhaus. Röder, gekleidet mit einer gelben Leichtdaunenjacke, stellte am Mikrofon Fragen, klagte an, dass die Nachbarn nicht in den Entscheidungsprozess involviert worden seien.
„Wir haben keine Informationen bekommen. Welche Art von Betrieb kommt hier hin? Umgeben von reinem Wohngebiet, in dieser sensiblen Lage, dahin kommt eine sogar an Sonntagen geöffnete Vergnügungsstätte, da es auch eine Außenterrasse geben wird“, meinte Röder. „Das Stavenhagenhaus als Partylounge? Das kann doch nicht sein!“ Dieser polemische Ausspruch brachte ihm eine Vielzahl von Lacher aus der Zuhörerschaft ein.
Café im Stavenhagenhaus: Betreiberin bereits gefunden, finale Gespräche laufen
An diesem Abend wurde außerdem deutlich, dass nicht allen klar war, was schon feststeht und vom Bezirksamt in Person des anwesenden Bezirksamtsleiters Michael Werner-Boelz (Grüne) wiederholt wurde: Ab Anfang 2024 wird es im Stavenhagenhaus ein Café geben, das mit Bistro-Charakter auch Speisen anbietet. Geöffnet wird es von Donnerstag bis Sonnabend in der Zeit von 8.30 Uhr bis 22 Uhr sein, sonntags von 8.30 Uhr bis 18 Uhr.
Als Räumlichkeiten dienen soll die Bauerndiele im Erdgeschoss, auch eine Terrasse wird es geben. Eine Betreiberin sei bereits gefunden, die Vertragsgespräche befänden sich aktuell in der finalen Phase, weshalb jetzt noch keine Namen genannt werden könnten. Nur so viel: Sie habe Erfahrung in der gastronomischen Szene und führe wohl auch weitere Lokale.
Montags bis mittwochs ist das Stavenhagenhaus weiterhin lediglich für Vereine, Kurse und angemeldete Veranstaltungen geöffnet, die dann auch einen Teil der Bauerndiele nutzen können und währenddessen bewirtet werden. Auch Bedenken hinsichtlich der Preise, die Sorge, diese würden zu hoch sein, wurden an diesem Abend zerstreut.
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Das Café ist nicht vom Bezirksamt subventioniert, die Renovierungen und Umbauten für Barrierefreiheit würden in Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt angegangen. Mit Beginn der Baumaßnahmen sei ab Mitte 2025 zu rechnen, die endgültige Einweihung des fertigen Hauses, das letztmalig in den frühen 1960er-Jahren renoviert wurde, dann Ende 2026.
Sorge der Nachbarn in Frustbergstraße wegen Lärms bis in die Abendstunden
Beifall von den einen, Bedenken von anderen: In der Fragerunde nach den Vorträgen der sogenannten Sachverständigen – so wurden alle in der Rednerliste aufgeführten Personen tituliert, was zu mehrfachen Nachfragen führte und damit erklärt wurde, dass die Sprechenden aufgrund ihrer Beziehung zur Causa beispielsweise als Anwohner diese Bezeichnung trügen – kamen Fragen wie diese auf: Gibt es ein Sicherheitskonzept in Bezug auf die Nachbarn? Die Antwort: Nein, wird aktuell auch nicht als notwendig erachtet.
Was geschieht mit dem Hausmeisterehepaar Koch, das auch dort wohnt? Die beiden Angestellten des Bezirksamts werden im Laufe des kommenden Jahres ausziehen. Ihnen wurde zuerst angeboten, das Café einzurichten, was die beiden jedoch nicht wollten. Sie bleiben aber in ihrer Funktion als Hausmeister erhalten und koordinieren vorerst weiterhin die Raumbelegung.
Hamburg Groß Borstel: Bei öffentlicher Anhörung viele Fragen an das Bezirksamt
Weiter ging es mit: Wird das Verkehrskonzept der Frustbergstraße, die nur in eine Richtung befahrbar ist, geändert? Nein, das ist nicht geplant. Was ist mit Sicht- und Lärmschutz? Werde als Anregung gern mit in den Prozess genommen. Ändert sich der Bebauungsplan? Nein, deshalb sei man auch nicht aktiv auf die Nachbarn zugegangen.
Wer trägt Sorge dafür, dass um 22 Uhr Schluss ist und keine „Jugendlichen mehr herumgeistern“? Da wird immer jemand sein, entweder der Café-Betreiber, Veranstalter oder der Hausmeister. All diese Fragen beantwortete Quartiersentwickler Klaas Goldammer vom Bezirksamt Nord.
Bezirksamtsleiter zu Stavenhagenhaus: „Geben Sie diesem Café eine Chance“
Abschließend ergriff noch einmal Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz das Wort und betonte dabei zwei Umstände: „Zu den Vorwürfen, die Öffnung des Stavenhagenhauses sei ein Alleingang von mir, möchte ich sagen: Dass ich so viel Macht habe, das liegt im Bereich der Fantasie.“
Alle Schritte seien öffentlich gewesen und die Regionalausschüsse könnten jederzeit besucht werden. Er plädierte zudem für Mut: „Geben Sie diesem Café eine Chance. Wir wollen, dass das funktioniert. Wollen, dass es einen Mehrwert für den Stadtteil hat. Dafür machen wir das.“