Hamburg. An der Sierichstraße wird ein leer stehendes Wohnhaus für Schutzbedürftige hergerichtet. Anwohner sehen das Vorhaben kritisch.
Im Wohngebiet rund um die nördliche Alster gibt es derzeit nur an der Sophienterrasse in Harvestehude eine Flüchtlingsunterkunft. Der Standort mit 190 Plätzen soll jedoch im September 2024 schließen – falls vor Ort keine andere Lösung gefunden wird.
Die Hamburger Sozialbehörde plant aber bereits seit dem vergangenen Jahr eine neue öffentlich-rechtliche Unterkunft für Flüchtlinge und Wohnungslose im Bezirk Nord. An der Sierichstraße 53 in Winterhude soll in einem zuletzt leer stehenden Gebäude, das zuvor als Unterkunft für angehende Polizeibeamte genutzt wurde, ein Zuhause für besonders schutzbedürftige Personen entstehen.
Hamburg-Winterhude: Haus im Wohngebiet darf von Flüchtlingen genutzt werden
„Hierfür ist auf Basis einer angedachten Nutzungsänderung beim zuständigen Bezirksamt ein Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes gestellt worden“, so Wolfgang Arnhold, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, auf Anfrage. Im Juli 2023 informierte die Sozialbehörde bereits die Bezirksversammlung über die Pläne.
Bei dem Gebiet handelt es sich nach dem Bebauungsplan „Winterhude 21“ nämlich um ein reines Wohngebiet. Des Weiteren gilt die „Erhaltungssatzung Winterhude“. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen gilt jedoch nicht als Wohnnutzung, sondern als soziale Einrichtung. Deshalb müssen die Bewohner aus der Nachbarschaft beteiligt werden.
Sierichstraße: Umbau des Gebäudes in Winterhude soll im Frühjahr beginnen
Das Haus, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet wurde, war anfangs als Höhere Mädchenschule genutzt worden, später von der Polizei. Zuletzt wohnten Polizeischüler dort. Nun sollen in dem eindrucksvollen Gebäude in kleinen Wohngemeinschaftseinheiten mit Einzel- und Doppelzimmern insgesamt 38 Plätze entstehen.
Da die bestehende Zimmeraufteilung den Ansprüchen an eine öffentlich-rechtliche Unterkunft mit abgeschlossenen Wohneinheiten nicht entspricht, sind Umbaumaßnahmen erforderlich. Dazu werden beispielsweise neue Küchen eingebaut, Bäder erneuert und die Heizungsanlagen modernisiert.
Die Planungen sehen laut Arnhold vor, im Frühjahr mit den erforderlichen Sanierungs- und Umbauarbeiten zu beginnen, sodass der Einzug und die Inbetriebnahme der Unterkunft im Herbst dieses Jahres erfolgen könne.
Unterbringung in Winterhude für spezielle Personengruppe geplant
Der Behördensprecher sagt weiter: „Der Standort soll eingerichtet werden, da sich in den bestehenden Standorten ein großer Bedarf zeigt, die öffentlich-rechtliche Unterbringung weiter anhand der persönlichen Bedürfnisse der untergebrachten Personen zu spezialisieren und somit auf ihre persönlichen Bedürfnisse besser eingehen zu können.“
So gebe es in Hamburg bereits spezielle Unterkünfte für Personen mit Pflegebedarfen, Frauen mit Gewalterfahrungen, Jungerwachsene und ältere Personen. „Die Sozialbehörde möchte mit dem Standort Sierichstraße 53 eine weitere Aufwertung und Ergänzung des zielgruppengerechten Angebots vornehmen, um auch Menschen geschützt unterbringen zu können, die aus anderen persönlichen Gründen, wie beispielsweise einer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität, einen Schutzraum benötigen.“
Sierichstraße: Betreiber der neuen Unterkunft steht schon fest
Betreiben soll die Unterkunft das städtische Unternehmen Fördern & Wohnen (F&W), dem das Gebäude auch gehört. Die künftigen Bewohner sollen von F&W-Mitarbeitern betreut werden und von ehrenamtlichen Helfern unterstützt werden.
Darüber hinaus sind laut Sozialbehörde Kooperationen mit spezialisierten Trägern vorgesehen, um die besonders schutzbedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner bestmöglich zu betreuen und in ihr neues Wohnumfeld zu integrieren.
Winterhude: Anwohner der Unterkunft haben einen Anwalt eingeschaltet
Bei den Anwohnern in der Sierichstraße kommen die Pläne der Behörde nicht so gut an. Sie fühlen sich nach Abendblatt-Informationen zu spät und nicht ausreichend informiert über das Vorhaben in ihrer direkten Nachbarschaft und haben einen Anwalt beauftragt. Sie fühlen sich überrumpelt.
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Flüchtlinge in Hamburg: Fast 50.000 Menschen leben in öffentlicher Unterkunft
„Uns ist bewusst, dass eine Gruppe von Anwohnenden im Umfeld des Standorts großen Informationsbedarf bezüglich des Vorhabens hat“, sagt Wolfgang Arnhold. „Mit dem Anwalt der Anwohnenden ist die Sozialbehörde im Austausch. Die zuständige Staatsrätin Petra Lotzkat wird der Nachbarschaft einen Gesprächstermin anbieten, um auf Fragen der Anwohnenden eingehen zu können.“
Weitere Unterkünfte in Hamburg sind in diesem Jahr geplant, beziehungsweise werden erweitert. Konkrete Pläne gibt es laut Arnhold für die Erweiterung der Standorte Pinneberger Straße in Schnelsen auf 100 Plätze im zweiten Quartal 2024. Neue Unterkünfte entstehen im dritten Quartal Am Luisenhof in Farmsen-Berne mit 304 Plätzen und am Quellmoor/Neumoorstück in Neugraben-Fischbek mit 216 Plätzen.
Aktuell befinden sich in Hamburg knapp 48.000 Menschen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung.